UN-Sicherheitsrat verlängert Libyen-Mandat und begrüßt Festnahme von Kriegsverbrecher El Hishri

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat das Mandat zur Kontrolle von Schiffen vor der libyschen Küste um weitere sechs Monate verlängert. Mit der Annahme der Resolution 2804 (2025) sprachen sich 13 der 15 Mitglieder dafür aus, zwei Staaten – China und die Russische Föderation – enthielten sich. Wie aus Protokollen des Sicherheitsrats hervorgeht, bleibt damit der seit 2016 bestehende Mechanismus in Kraft, der Mitgliedstaaten ermächtigt, Schiffe auf hoher See zu inspizieren, wenn der Verdacht besteht, dass sie das Waffenembargo gegen Libyen verletzen.

Erneute Verlängerung der Seeraum-Inspektionen vor Libyen

Das Waffenembargo selbst geht auf Resolution 1970 (2011) zurück. Die jetzt bestätigten Befugnisse erlauben es Staaten, einzeln oder über regionale Organisationen, Schiffe zu stoppen, zu durchsuchen und gegebenenfalls zu kontrollieren, um die Zufuhr von Waffen in das Konfliktland einzudämmen. Frankreich und Griechenland hatten den Text vorgelegt. Die französische Delegation betonte, das Embargo sei „unverzichtbar“, um bewaffnete Auseinandersetzungen insbesondere im Raum Tripolis einzudämmen und den politischen Prozess in Libyen zu stabilisieren.

Operation IRINI als zentrale Schnittstelle der Embargo-Umsetzung

Im Zentrum der Debatte steht weiterhin die EU-Mission EUNAVFOR MED IRINI. Sie ist derzeit die einzige regionale Operation, die auf Grundlage der Resolutionen des Sicherheitsrats Schiffe vor der libyschen Küste kontrolliert. Mehrere Mitgliedstaaten bezeichneten IRINI als „professionell, unparteiisch und effektiv“ und hoben ihre Rolle als primäres Instrument zur maritimen Durchsetzung des Waffenembargos hervor.

Nach den jüngsten Berichten des Generalsekretärs führte die Operation in einem Beobachtungszeitraum über 2.000 Funkkontakte („hailings“), mehr als 50 „friendly approaches“ und einzelne vollständige Inspektionen durch. Die Mission liefert zudem Informationen an das Libyen-Sachverständigengremium und unterstützt damit die Überwachung illegaler Waffenströme. Staaten wie das Vereinigte Königreich, Dänemark, Griechenland und die Vereinigten Staaten verwiesen auf die Bedeutung der Mission für die Unterbindung von Waffenschmuggel und für die Kooperation mit libyschen Behörden.

Zweifel an Wirksamkeit und Transparenz des Inspektionsregimes

Gleichzeitig nimmt die Kritik an der Effektivität des bisherigen Ansatzes zu. Delegationen aus Pakistan, Algerien – im Namen mehrerer afrikanischer Staaten –, China und der Russischen Föderation verwiesen auf die Diskrepanz zwischen der hohen Zahl von Kontrollen und den geringen dokumentierten Beschlagnahmen verbotener Güter. In den zurückliegenden Berichtszeiträumen wurden keine nennenswerten Waffenfunde gemeldet, obwohl Libyen weiterhin stark mit Waffen überschwemmt ist.

Vertreter mehrerer Staaten forderten daher eine Überprüfung des Mandats und der Arbeitsweise von IRINI. Angesprochen wurden die geografische Schwerpunktsetzung der Patrouillen, die Auswahl der kontrollierten Schiffe, der Umgang mit sichergestellten Gütern und die nachgelagerte Verantwortlichkeit der mutmaßlichen Lieferanten. China verwies auf unzureichende Transparenz und Abstimmung mit libyschen Stellen und drängte auf eine stärkere Berücksichtigung der Position der betroffenen Küstenstaaten. Die russische Delegation kritisierte, die praktische Umsetzung liege faktisch ausschließlich in der Hand der Europäischen Union, ohne dass sich der Umfang illegaler Waffenlieferungen sichtbar verringert habe.

Mehrere afrikanische Staaten hoben hervor, dass IRINI zwar Lieferketten sichtbar mache, daraus jedoch bislang kaum konkrete Sanktions- oder Strafmaßnahmen folgten. Gefordert wurde eine „umfassende Überprüfung“ der Mission, um die Lücke zwischen Informationsgewinnung und tatsächlicher Durchsetzung des Embargos zu schließen.

Internationaler Strafgerichtshof: Die Festnahme von Khaled Mohamed Ali el Hishri

Parallel zur Mandatsverlängerung rückte die Strafverfolgung internationaler Verbrechen in Libyen in den Mittelpunkt des Sicherheitsrats. Die stellvertretende Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Nazhat Shameem Khan, berichtete von „beispiellosen Meilensteinen“ in der Umsetzung des Mandats aus Resolution 1970.

Zentral ist die Festnahme des mutmaßlichen libyschen Kriegsverbrechers Khaled Mohamed Ali el Hishri durch deutsche Behörden am 16. Juli 2025. Ihm wird vorgeworfen, zwischen 2015 und 2020 im Gefängnis Mitiga in Tripolis Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, darunter Mord, Folter, Vergewaltigung und sexualisierte Gewalt gegen libysche Staatsangehörige und Migrantinnen und Migranten. Mit seiner erwarteten Überstellung an den IStGH rückt der erste Prozess im Libyen-Verfahren des Gerichtshofs in greifbare Nähe.

Die Anklagebehörde wertet diesen Schritt als Signal, dass Verbrechen in libyschen Haftanstalten nicht länger rechtsfreie Räume bleiben. Khan betonte, die Festnahme sende eine klare Botschaft an weitere Verantwortliche, dass sie nicht außerhalb der Reichweite internationaler Justiz stünden.

Weitere Haftbefehle, Migration und Haftverbrechen im Fokus

Neben El Hishri verfolgt der IStGH weitere Personen, denen schwere Taten in Libyen zur Last gelegt werden. Die Anklagebehörde bemüht sich um die Festnahme von Osama Elmasry Njeem, dem ebenfalls Verbrechen in Mitiga zur Last gelegt werden.

Auch Saif Suleiman Sneidel steht zur Fahndung aus. Letzterer soll als Offizier der Einheit „Gruppe 50“ der Al-Saiqa-Brigade an drei Massenexekutionen im Jahr 2014 in Bengasi beteiligt gewesen sein.

Hinzu kommen laufende Ermittlungen zu Verbrechen in Tarhuna sowie zu Menschenhandel und Misshandlungen in Migrationsrouten und Lagern. In Zusammenarbeit mit nationalen Strafverfolgungsbehörden mehrerer Vertragsstaaten des Römischen Statuts verfolgt der Gerichtshof dabei auch Netzwerke des Menschenschmuggels, die von libyschem Territorium aus operierten. Nationale Verfahren gegen mutmaßliche Schlepper in Europa greifen auf Beweismittel zurück, die über gemeinsame Ermittlerteams mit dem IStGH gewonnen wurden.

Differenzierte Reaktionen der Sicherheitsratsmitglieder

Mehrere Mitglieder des Sicherheitsrats bewerteten die Fortschritte im Libyen-Dossier des IStGH als wichtigen Schritt für die Stärkung der Rechenschaftspflicht. Staaten wie Dänemark, Griechenland, Slowenien, Deutschland, die Republik Korea und andere hoben die Festnahme el Hishris als „Meilenstein“ hervor und forderten eine konsequente Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof. Verbindliche Verpflichtungen aus Resolution 1970 und aus dem Römischen Statut wurden dabei ausdrücklich betont.

Zugleich warnten verschiedene Delegationen vor politischem Druck und Maßnahmen, die auf eine Schwächung oder Einschüchterung von Gerichtshof und Zivilgesellschaft abzielten. In Erklärungen wurde darauf verwiesen, dass solche Schritte in erster Linie zu Lasten der Opfer schwerster Verbrechen gingen.

Andere Mitglieder äußerten grundsätzliche Vorbehalte gegenüber der Arbeitsweise des IStGH. Sie verwiesen auf die Bedeutung des Komplementaritätsprinzips, wonach nationale Justizsysteme vorrangig zuständig bleiben sollen, und warnten vor einer aus ihrer Sicht möglichen Kompetenzüberschreitung. Einzelne Staaten lehnen den Gerichtshof generell ab und kritisierten eine angeblich ungleiche Anwendung seiner Zuständigkeit.

Nationale Justiz in Libyen und Akzeptanz der IStGH-Zuständigkeit

Die libysche Vertretung erläuterte im Sicherheitsrat die bisherigen Schritte der nationalen Justizbehörden. Die Staatsanwaltschaft habe hunderte Fälle schwerster Verbrechen untersucht und zahlreiche Haftbefehle gegen mutmaßliche Täter erlassen. Darüber hinaus seien mehr als 1.200 Verfahren zu Terrorismus, Schleusung und Menschenhandel geführt worden.

Libyen bekräftigte, dass das Prinzip der Komplementarität für die Zusammenarbeit mit dem IStGH maßgeblich sei. Die nationale Justiz beanspruche die primäre Zuständigkeit, sehe jedoch einen Mehrwert in der Kooperation mit dem Gerichtshof, sofern dieser ergänzend tätig werde und die gerichtliche Souveränität des Landes respektiere. Nach Angaben der stellvertretenden Chefanklägerin hat die Regierung in Tripolis die Zuständigkeit des IStGH durch eine Erklärung nach Artikel 12 Absatz 3 des Römischen Statuts ausdrücklich anerkannt und die Kooperation in den vergangenen Monaten intensiviert.

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