Der UN-Sicherheitsrat hat am 30. Oktober 2025 in einer Dringlichkeitssitzung die dramatische Lage im Sudan beraten. Hintergrund ist der Fall der Stadt El Fasher, der letzten Bastion der sudanesischen Streitkräfte (SAF) in Darfur, die nach mehr als 500 Tagen Belagerung durch die Rapid Support Forces (RSF) eingenommen wurde.
Sicherheitsrat befasst sich mit Massakern und humanitärer Katastrophe

UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher sprach in New York von einem „noch dunkleren Höllenszenario“. Fast 500 Menschen seien im Saudi-Krankenhaus getötet worden, das zuletzt als einzig funktionsfähige medizinische Einrichtung in der Stadt galt.
„Frauen und Mädchen werden vergewaltigt, Menschen werden verstümmelt und ermordet – mit völliger Straflosigkeit“, sagte Fletcher. Seine Worte standen unter dem Eindruck eines Massakers, das die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits am Vortag bestätigt hatte.
„Blut im Sand, Blut an den Händen“
Fletcher schilderte ein Bild des Grauens: „Wir hören die Schreie nicht, aber das Entsetzliche dauert an.“ Er sprach von „Blut im Sand“ und einem „Versagen der Weltgemeinschaft, die tatenlos zusieht“. Die Vereinten Nationen hätten ihre Grenzen erreicht: „Nach fast einem Jahr in diesem Amt muss ich ehrlich sagen, dass ich an die Grenzen unserer Autorität gestoßen bin, um Hilfe zu leisten.“

Die stellvertretende UN-Generalsekretärin Martha Ama Akyaa Pobee warnte, der Fall von El Fasher markiere eine „tiefgreifende Verschiebung der Sicherheitslage in Sudan“. Die Gefahr von Massenverbrechen und ethnisch motivierter Gewalt sei alarmierend hoch. „Tatsächlich ist niemand in El Fasher sicher. Es gibt keinen sicheren Fluchtweg für Zivilisten“, sagte sie.
Nach UN-Angaben sind inzwischen über 24 Millionen Menschen – rund 40 Prozent der Bevölkerung – von Hunger betroffen. Allein in Tawila, 50 Kilometer westlich von El Fasher, suchen Zehntausende Schutz, darunter viele Frauen und Kinder.
Sicherheitsrat verurteilt Angriffe und fordert Zugang für humanitäre Hilfe

In einer gemeinsamen Erklärung des Sicherheitsrats, die vom russischen Vorsitzenden Vassily Nebenzia verlesen wurde, äußerten die Mitglieder „tiefe Besorgnis“ über die Eskalation der Gewalt. Sie verurteilten die Angriffe der RSF auf El Fasher und die Berichte über Massenhinrichtungen und ethnisch motivierte Übergriffe.
Der Rat erinnerte an Resolution 2736 (2024), die die Aufhebung der Belagerung und die Einhaltung des humanitären Völkerrechts fordert. Alle Konfliktparteien müssten den ungehinderten Zugang für Hilfsorganisationen gewährleisten und Zivilisten schützen. Zudem forderte der Rat ein sofortiges Ende der Kämpfe und eine Rückkehr an den Verhandlungstisch.
Scharfe Worte und neue Hilfszusagen

Der sudanesische UN-Botschafter sprach von einem „Genozid an der Zivilbevölkerung von El Fasher“. Die RSF handle „mit Barbarei, ohne jegliche zivilisatorische Standards“, unterstützt durch „ausländische Söldner und Gold, das aus Darfur geplündert und ins Ausland geschmuggelt wird“. Er wies jeden Versuch zurück, die souveräne Regierung Sudans mit einer „Rebellengruppe“ gleichzusetzen.
Die Vereinigten Arabischen Emirate verurteilten die Angriffe scharf und kündigten 100 Millionen US-Dollar an zusätzlicher humanitärer Hilfe für El Fasher an. Der Emirati-Vertreter mahnte, der Weg zum Frieden könne „nicht auf dem Schlachtfeld geschmiedet werden“.
Auch Dänemark verurteilte die „erschütternden Menschenrechtsverletzungen“ und forderte, humanitäre Hilfe dürfe „niemals als politisches Druckmittel“ missbraucht werden. Die dänische Delegierte sprach von einem „Versagen der Welt, das nicht länger hinnehmbar ist“.
Die Republik Korea ging noch weiter: „Worte allein reichen nicht“, sagte ihr Vertreter. Angesichts der Gräueltaten sei eine stärkere Resolution mit konkreten Maßnahmen nötig, einschließlich internationaler Strafverfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH).
Eine Region am Rand des Zusammenbruchs
Der Konflikt zwischen SAF und RSF, der im April 2023 begann, hat sich längst zu einem landesweiten Kriegausgeweitet. Die RSF ging aus den Janjaweed-Milizen hervor, die vor 20 Jahren in Darfur Kriegsverbrechen begingen. Nun breitet sich die Gewalt erneut aus: In der Kordofan-Region wurde die strategisch wichtige Stadt Baraeingenommen, während Drohnenangriffe beide Lager bis nach Khartum und in den Blauen Nil tragen.
Über vier Millionen Menschen sind in Nachbarländer wie Tschad, Südsudan und die Zentralafrikanische Republik geflohen. Innerhalb Sudans droht eine Hungersnot, die laut UN-Angaben bereits „katastrophale Ausmaße“ erreicht hat.
Aufruf zu Handeln – doch keine Einigung in Sicht
Trotz der dramatischen Lage bleibt der UN-Sicherheitsrat gespalten. Zwar herrscht Einigkeit in der Verurteilung der Gräueltaten, doch über mögliche Sanktionen gegen die RSF oder ihre Unterstützer konnte bislang kein Konsens erzielt werden.
Fletcher schloss seine Rede mit einem Appell: „Das Blut im Sand ist sichtbar. Aber das größere Verbrechen ist das Schweigen darüber.“