Süd-Kivu Konflikt: UN diskutiert neue Offensive der AFC/M23

Die Gewalt im Osten der Demokratischen Republik Kongo eskaliert erneut. In der Provinz Süd-Kivu haben Angriffe der Allianz Fleuve Congo/Mouvement du 23 mars (AFC/M23) seit Anfang Dezember 2025 zu massiven Vertreibungen, neuen Frontverläufen und wachsenden regionalen Spannungen geführt. Während der UN-Sicherheitsrat in New York über das Mandat der UN-Mission MONUSCO und die Umsetzung des Washington-Abkommens berät, werfen sich die Regierungen in Kinshasa, Kigali und Gitega gegenseitig Vertragsbrüche und militärische Einmischung vor.

UN-Sicherheitsrat berät über Süd-Kivu Konflikt 2025 und MONUSCO

Nach Angaben von Security Council Report befasst sich der Sicherheitsrat am 12. Dezember in einer öffentlichen Sitzung mit anschließenden internen Konsultationen mit der Lage in der Demokratischen Republik Kongo und der Zukunft der UN-Mission MONUSCO. Erwartet wird ein Briefing von Jean-Pierre Lacroix, Untergeneralsekretär für Friedenseinsätze, auf Grundlage des jüngsten Berichts des Generalsekretärs.

Im Fokus steht dabei der Osten des Landes. Seit der Unterzeichnung der Washington-Abkommen für Frieden und Wohlstand am 4. Dezember 2025 zwischen der DR Kongo und Ruanda hat sich die Sicherheitslage in Nord- und Süd-Kivu nach UN-Angaben dramatisch verschlechtert. Die AFC/M23 hat mehrere Orte eingenommen und ihren territorialen Einfluss in beiden Provinzen ausgeweitet. Am 10. Dezember meldete die Bewegung die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Uvira am Tanganjikasee.

Am Sicherheitsratsformat unter Regel 37 nehmen neben der DR Kongo auch Burundi und Ruanda teil. Parallel verhandeln die Mitgliedstaaten einen Resolutionsentwurf zur Verlängerung des MONUSCO-Mandats. Frankreich drängt auf eine einjährige Verlängerung und eine Anpassung des Mandats zur Überwachung eines möglichen Waffenstillstands. China und Russland bringen laut Security Council Report dagegen einen technischen Kurzzeit-Roll-over ins Spiel und verlangen zusätzliche Berichtspflichten zu MONUSCO-Operationen in von der M23 kontrollierten Gebieten.

Washington-Abkommen und Doha-Framework unter Druck

Die jüngste Eskalation fällt unmittelbar in die Phase nach Unterzeichnung des Washington-Abkommens zwischen Präsident Félix Tshisekedi und Präsident Paul Kagame unter Vermittlung der USA. Das Abkommen baut auf einem Friedensabkommen vom 27. Juni 2025 und einer Prinzipienerklärung vom 25. April auf.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen ruft in seinem täglichen Pressebriefing ausdrücklich dazu auf, die Verpflichtungen aus den Washington Accords for Peace and Prosperity vom 4. Dezember 2025 sowie das Doha Framework Agreement vom 15. November zu respektieren. Laut dem stellvertretenden Sprecher Farhan Haq warnt der Generalsekretär, dass die jüngste Offensive der AFC/M23 in Süd-Kivu die Bemühungen um eine nachhaltige Lösung der Krise untergräbt und das Risiko einer regionalen Eskalation erhöht.

Auch die Afrikanische Union verweist auf diese neuen politischen Rahmenwerke. Der Vorsitzende der AU-Kommission, Mahmoud Ali Youssouf, bedauert in einer Erklärung die Gewalt im Osten der DR Kongo und in der Provinz Cibitoke in Burundi. Er sieht den aktuellen Kurs im Widerspruch zu dem Momentum, das durch das Doha-Framework zwischen der DR Kongo und der AFC/M23 sowie das Washingtoner Abkommen zwischen Kinshasa und Kigali entstanden ist.

Eskalation in Süd-Kivu: Offensive der AFC/M23 und Fall von Uvira

Konkret verurteilt der UN-Generalsekretär die Offensive der AFC/M23 in mehreren Orten der Provinz Süd-Kivu, darunter Kamanyola, Luvungi, Katogota und Uvira. Nach UN-Angaben wurden seit dem 2. Dezember mehr als 200.000 Menschen vertrieben.

Die Einnahme Uviras wirkt sich unmittelbar auf die politische und militärische Lage aus. Die Stadt war nach der Eroberung von Bukavu durch die AFC/M23 Anfang 2025 von der Regierung in Kinshasa zum provisorischen Sitz der Provinzinstitutionen des Süd-Kivu erklärt worden. Mit der Kontrolle der Stadt gewinnt die Bewegung, die der DR Kongo zufolge von Ruanda unterstützt wird, einen weiteren strategischen Knotenpunkt nahe der Grenze zu Burundi und an der Achse in Richtung Großkatanga.

In Kinshasa wertet Präsident Félix Tshisekedi die Entwicklung als erneute „Aggression“. In einer Regierungssitzung am 11. Dezember, wiedergegeben durch den Regierungssprecher Patrick Muyaya, erklärte er, Ruanda habe nur wenige Tage nach der Unterzeichnung des Washington-Abkommens seine Verpflichtungen verletzt, indem es offensive Operationen verstärke und auf die Einnahme weiterer Ortschaften abziele.

Tshisekedi forderte die staatlichen Institutionen zu erhöhter Wachsamkeit auf und wies die Sicherheits- und Verteidigungsstrukturen an, ein hohes Alarmniveau aufrechtzuerhalten. Zudem kündigte er eine erweiterte Sitzung des Obersten Verteidigungsrates und eine interinstitutionelle Beratung zur weiteren Lageanalyse an.

Regionale Spannungen zwischen Ruanda und Burundi

Parallel verschärft sich der politische Diskurs zwischen Ruanda und Burundi. Der Vorsitzende der AU-Jugendagenda für Frieden und Sicherheit, Burundis Präsident Évariste Ndayishimiye, nutzt den kontinentalen Dialog zu Jugend, Frieden und Sicherheit in Bujumbura am 11. und 12. Dezember, um die internationale Gemeinschaft zu kritisieren. In seiner Rede beklagt er, dass die DR Kongo über die Rebellion der AFC/M23 und die Unterstützung Ruandas Aggressionen und langanhaltende Konflikte erlebe, während die internationale Gemeinschaft zu oft wegsehe.

Ndayishimiye verweist zugleich auf die Lage im Sahel und in Westafrika, die Zunahme von Staatsstreichen und den Einfluss externer Akteure, deren Mittel aus der Entwicklungszusammenarbeit nach seiner Darstellung für Regimewechsel eingesetzt würden.

Auf ruandischer Seite schildert Präsident Kagame in einem Beitrag der Präsidentschaft auf X seine Sicht auf die Rolle Burundis. Er berichtet von einem Gespräch mit Präsident Ndayishimiye über burundische Truppenpräsenz in der DR Kongo und verweist auf aus seiner Sicht widersprüchliche Angaben zu Einsätzen im Norden des Kivu-Gebiets. Kagame behauptet, dass letztlich tausende burundische Soldaten in mehreren Regionen der DR Kongo festgestellt worden seien, und kritisiert Art und Umfang burundischer Operationen etwa in Minembwe.

Diese divergierenden Darstellungen verstärken die Spannungen zwischen Kigali und Gitega und wirken in einen ohnehin fragilen regionalen Sicherheitskontext hinein, der durch die jüngsten Gefechte in und um Uvira zusätzlich belastet wird.

Humanitäre Lage und Fluchtbewegungen nach Burundi und Ruanda

Die Auswirkungen der Kämpfe treffen die Zivilbevölkerung in Süd-Kivu und den Nachbarstaaten besonders hart. Nach Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA haben seit dem 2. Dezember mehr als 200.000 Menschen ihre Wohnorte verlassen. Viele halten sich in überfüllten Notunterkünften auf und sind einem erhöhten Risiko von Gewalt, Cholera und Mpox ausgesetzt.

Die Lage in Uvira gilt nach UN-Angaben als „relativ ruhig“, während es in einzelnen Vierteln weiterhin Schusswechsel gibt. Ein Bombenexplosion im Stadtteil Kimanga tötete demnach zwei Zivilpersonen und verletzte drei weitere.

Das zentrale Krankenhaus Uviras registriert einen stetigen Zustrom von Verwundeten, darunter mehr als 60 Patienten, die aus dem aufgrund der Unsicherheit geschlossenen Ruzizi-Krankenhaus verlegt wurden.

Gleichzeitig weichen viele Menschen nach Süden oder über Grenzen aus. Zwischen dem 8. Dezember und heute trafen nach UN-Angaben mindestens 27.000 Menschen im Gebiet von Kalemie in der Provinz Tanganyika ein, weitere erreichen Orte entlang des Tanganjikasees.

Nach Burundi flohen insbesondere in den Provinzen Ndava, Cibitoke und im Raum Gatumba Zehntausende Menschen. OCHA schätzt dort die Zahl der Schutzsuchenden auf mehr als 50.000. Transitlager wie Cishemere und Bweru beherbergen mehrere Tausend Personen. Die Mehrheit sind Frauen und Kinder, die erschöpft und teilweise verletzt ankommen.

Die humanitären Organisationen warnen vor unzureichenden Unterkünften, begrenztem Zugang zu Trinkwasser und fehlenden Sanitäreinrichtungen. Das Risiko von Epidemien, insbesondere Cholera, wird als hoch eingestuft. Die Regierung Burundis beginnt nach UN-Angaben mit der Umsiedlung von Geflüchteten in den Osten des Landes, unterstützt durch den UNHCR, der unter anderem Busse für den Transport, Notunterkünfte und Wasserversorgung bereitstellt.

Auch Ruanda berichtet über neue Ankünfte. Der UNHCR unterstützt dort die Behörden im Nyarushishi-Transitzentrum, unter anderem mit Registrierung, Gesundheits- und Ernährungsangeboten, Schutzmaßnahmen sowie der Versorgung mit Mahlzeiten und Basisgütern.

MONUSCO zwischen Mandatsdebatte und Finanzkrise

Parallel zur sicherheitspolitischen und humanitären Zuspitzung ist MONUSCO selbst mit erheblichen Einschränkungen konfrontiert. Der Bericht des Generalsekretärs beschreibt laut Security Council Report Hindernisse für die Bewegungsfreiheit der Mission, darunter blockierte Treibstofflieferungen nach Goma sowie die Unterbrechung von Wasser- und Stromversorgung in MONUSCO-Einrichtungen seit Juli beziehungsweise August. Zudem ist der zivilen Luftverkehr zum Flughafen Goma seit der Einnahme der Stadt durch die M23 eingestellt.

Hinzu kommt eine umfassende Liquiditätskrise der Vereinten Nationen. Infolge eines Notfallplans hat MONUSCO ihre operativen Ausgaben um 27 Prozent reduziert, die Beschaffung eingefroren und die programmbasierten Mittel um 40 Prozent gekürzt. Der Plan sieht außerdem die Repatriierung von insgesamt mehreren tausend Soldaten, militärischen Experten und Polizeikräften vor sowie die Beendigung Hunderter ziviler Arbeitsverträge.

Die DR Kongo hat in einem Schreiben an den Sicherheitsrat Prioritäten für die Mandatsverlängerung formuliert. Dazu gehören die vollständige Umsetzung der Resolution 2773 vom 21. Februar 2025, die einen sofortigen Stopp weiterer M23-Offensiven und einen bedingungslosen Waffenstillstand fordert, sowie eine stärkere technische, logistische und sicherheitspolitische Unterstützung von Waffenstillstands- und Überwachungsmechanismen durch MONUSCO. Zudem unterstützt Kinshasa den Vorschlag, vorgeschobene Stützpunkte oder mobile Teams in Süd-Kivu zu stationieren. Die Diskussion über eine mögliche Rückkehr von MONUSCO in diese Provinz gilt im Sicherheitsrat als umstritten.

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