Frankreichs Nationalversammlung stimmt für Aufkündigung des Einwanderungsabkommens mit Algerien

Die französische Nationalversammlung hat am 30. Oktober 2025 eine Resolution verabschiedet, die zur Aufkündigung des bilateralen Einwanderungsabkommens mit Algerien von 1968 aufruft. Die Entscheidung fiel mit 185 Stimmen zu 184 denkbar knapp aus und wurde vom rechtsextremen Rassemblement National (RN) initiiert. Erstmals in seiner Geschichte brachte der RN damit einen eigenen Antrag erfolgreich durch das Parlament.

Historischer Beschluss mit symbolischer Sprengkraft

Unterstützung erhielt die Partei von Abgeordneten der Les Républicains (LR) und der Partei Horizons des früheren Premierministers Édouard Philippe. Das Ergebnis zeigt, wie tief die französische Politik in der Frage der Migration und ihrer Beziehungen zu Algerien gespalten ist.

Ein umstrittenes Abkommen mit langer Geschichte

Das am 27. Dezember 1968 in Algier geschlossene Abkommen regelt seit über fünf Jahrzehnten die Einreise, den Aufenthalt und die Beschäftigung algerischer Staatsbürger in Frankreich. Es gewährt ihnen einen Sonderstatus, der über die allgemeinen Bestimmungen des französischen Ausländerrechts hinausgeht.

Laut dem am 30. Oktober 2025 angenommenen Resolutionstext (n°177) habe dieses Sonderregime seine Legitimität verloren. In der Begründung heißt es, es gebe „keinen Grund mehr, warum algerische Staatsbürger weiterhin von einem erleichterten Aufenthaltsrecht profitieren sollten“. Zudem wirft die Nationalversammlung Algerien vor, bei der Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern und illegalen Migranten nicht ausreichend zu kooperieren und gegen das internationale Recht zu verstoßen, indem es die Rücknahme eigener Staatsbürger verweigere.

Die Resolution kritisiert darüber hinaus die Menschenrechtslage in Algerien, verweist auf Berichte von Amnesty International und Human Rights Watch sowie auf die Inhaftierung des Schriftstellers Boualem Sansal und des Journalisten Christophe Gleizes.

Macron zwischen symbolischer Abstimmung und diplomatischer Realität

Die Resolution hat keine rechtliche Bindung. Über eine tatsächliche Kündigung des Abkommens kann nur die Exekutive entscheiden. Dennoch ist das Votum ein politisches Signal – und eine Herausforderung für Präsident Emmanuel Macron, dessen Regierung auf eine vorsichtige Wiederannäherung an Algerien setzt.

Innenminister Laurent Nuñez und Außenminister Jean-Noël Barrot hatten zuletzt betont, dass die Aufkündigung des Abkommens „nicht auf der Agenda“ stehe. Nuñez erklärte am 19. Oktober im französischen Radio, das Abkommen „funktioniere, wenn auch nicht perfekt“. Barrot warnte am 21. Oktober im Auswärtigen Ausschuss, eine Abschaffung könne zwar die Familienmigration verringern, dafür aber die wirtschaftliche und studentische Migration erhöhen – mit unklaren Folgen für die bilateralen Beziehungen.

Ein Riss durch die politischen Lager

Das Abstimmungsergebnis offenbart tiefe Gräben. Während der Rassemblement National den Erfolg als „historischen Tag“ feierte, blieb das Regierungslager Ensemble pour la République (EPR) gespalten – nur 30 der 92 Abgeordneten stimmten gegen die Resolution, viele blieben der Abstimmung fern.

Der sozialistische Parteichef Olivier Faure kritisierte den Rückzug der Regierungsfraktion scharf: „Wo waren die Macronisten?“, fragte er nach der Abstimmung. Auch im bürgerlich-konservativen Lager zeigte sich Uneinigkeit. Zwar unterstützten viele Abgeordnete der Les Républicains den Antrag, doch einige warnten vor einer Eskalation mit Algier.

Auswirkungen auf die französisch-algerischen Beziehungen

Das Votum kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Beziehungen zwischen Paris und Algier seit über einem Jahr praktisch eingefroren sind. Die diplomatische Kommunikation war zuletzt von Misstrauen geprägt – unter anderem wegen Streitigkeiten über Visa, Rückführungen und den Umgang mit der algerischen Diaspora in Frankreich.

Beobachter werten die Abstimmung als symbolischen Druck auf Macron, die Migrationspolitik gegenüber Algerien neu zu bewerten. Eine tatsächliche Aufkündigung des Abkommens wäre jedoch ein drastischer Schritt, der weitreichende Folgen hätte – für Hunderttausende Algerier in Frankreich, für die bilaterale Wirtschaft und für die Sicherheitskooperation im Mittelmeerraum.

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