Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) hat dem Sicherheitsrat einen umfassenden Bericht zur politischen Roadmap, zur Lage der Institutionen und zu sicherheitsrelevanten Entwicklungen übermittelt. Grundlage ist der strategische Review-Bericht des Generalsekretärs (Dokument S/2025/611), der auf Resolution 2755 (2024) zurückgeht. Die Sonderbeauftragte und Leiterin der Mission, Hanna Serwaa Tetteh, erläuterte die aktuellen Fortschritte und Blockaden.
Politische Roadmap bleibt in entscheidender Phase
Laut UNSMIL-Bericht zielt die Roadmap auf die Wiederherstellung institutioneller Legitimität durch Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Ein zentrales Element ist die vollständige Besetzung des Vorstands der Hohen Nationalen Wahlkommission (HNEC) durch das Repräsentantenhaus (HoR) und den Hohen Staatsrat (HCS). Beide Institutionen haben nach Angaben Tettehs mehrfach getagt, unter anderem am 27. September in Benghazi und am 4. Oktober in Tripolis. Eine Einigung steht jedoch weiterhin aus, insbesondere in der Frage, ob nur vakante Posten oder die gesamte Führungsebene neu besetzt werden soll.
Verzögerungen bei Wahlgesetzgebung und institutioneller Abstimmung

Nach Angaben der Sonderbeauftragten, haben HoR und HCS bisher keine gemeinsame Beratung über das verfassungsrechtliche und rechtliche Wahlfundament aufgenommen. Tetteh betonte, dass fehlender politischer Wille den Fortschritt gefährde. Die Mission kündigte an, bei weiterem Stillstand alternative Ansätze zu prüfen und gegebenenfalls den Sicherheitsrat um Unterstützung zu bitten.
Parallel zu den institutionellen Gesprächen bereitet UNSMIL einen „Structured Dialogue“ vor. Dabei sollen im November thematische Foren zu Governance, Wirtschaft, Sicherheit sowie nationaler Versöhnung und Menschenrechten stattfinden. Ziel sei eine Beteiligung unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen unter Einbeziehung geografischer und sozialer Vielfalt. Die Mission strebt nach eigenen Angaben einen Frauenanteil von mindestens 35 Prozent an und plant eine eigene Plattform für weibliche Delegierte sowie ein Format zur Einbindung junger Menschen.
Berlin-Prozess und internationale Koordination
Am 25. September fand erstmals seit drei Jahren wieder eine Sitzung der politischen Arbeitsgruppe des Berlin-Prozesses auf Botschafterebene in Tripolis statt. Teilnehmer begrüßten laut Tetteh die Roadmap und betonten die Verantwortung internationaler Akteure für eine koordinierte Unterstützung. Auch der Präsident des Präsidialrats habe während der UN-Generalversammlung Prinzipien zur Überwindung der politischen Blockade formuliert, die mit der Roadmap übereinstimmen.
Remarks of the Special Representative of the Secretary-General for Libya, @HannaTetteh, to the Security Council on the situation in Libya 🇱🇾🇺🇳
— UNSMIL (@UNSMILibya) October 14, 2025
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Entspannung der Sicherheitslage in Tripolis
Nach Angaben von UNSMIL hat sich die Lage in Tripolis nach Spannungen zwischen der Regierung der Nationalen Einheit (GNU) und der Deterrence Apparatus for Combating Organized Crime and Terrorism (DACOT) stabilisiert. Am 13. September wurden unter Vermittlung lokaler Akteure und mit Unterstützung der Türkei mehrere Schritte umgesetzt, darunter der Rückzug von Einheiten aus dem Umfeld des Mitiga-Flughafens und die Übergabe von Inhaftierten an das Büro des Generalstaatsanwalts. Die Mission bezeichnete die Lage dennoch als fragil und forderte die Präsidialratsführung auf, den Reformmechanismus im Sicherheitssektor zu aktivieren.
Kommunalwahlen und lokale politische Dynamik
In mehreren Gemeinden fanden seit dem 23. August Kommunalwahlen statt, nachdem ein Brandanschlag auf ein Lager der Wahlkommission zuvor zur Unterbrechung geführt hatte. Weitere Abstimmungen in sechzehn Kommunen im Osten und Süden Libyens sollen laut UNSMIL in Kürze folgen. Für Städte wie Benghazi, Sirte und Sabha sei eine erneute Wählerregistrierung ab dem 20. Oktober vorgesehen.
UNSMIL berichtete von tiefgreifenden Dysfunktionen im Finanzsystem. Fehlende Haushaltsvereinheitlichung und illegale Finanzströme belasteten insbesondere benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Die Zentralbank gab die Entdeckung von 6,5 Milliarden libyschen Dinar in nicht registrierten Banknoten bekannt. Insgesamt seien in diesem Jahr bereits 10 Milliarden Dinar an unrechtmäßig emittiertem Geld identifiziert worden. Die Mission verwies auf den am 24. September vorgestellten nationalen Strategieplan zur Korruptionsbekämpfung.
Strategische Neuausrichtung von UNSMIL
UNSMIL stellte fest, dass aufgrund paralleler Strukturen im Justizsystem in Ost- und Westlibyen rechtliche Unsicherheit entstehe und das Vertrauen in staatliche Institutionen weiter sinke. Die Mission berichtete zudem über Bemühungen des Präsidialrats und der Afrikanischen Union, Versöhnungsforen vorzubereiten. Themen seien unter anderem Massengräber, Vermisste und Entschädigungsfragen.
Der Sicherheitsrat erhielt laut Tetteh die Empfehlung, die Mission stärker auf ein zentrales Ziel auszurichten: die Unterstützung eines glaubwürdigen politischen Prozesses zur Wiederherstellung institutioneller Kohärenz. Begrenzte Ressourcen und finanzielle Rahmenbedingungen beeinflussten die operative Umsetzung.