In Tripolis hat die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) Mitte Dezember 2025 die Auftaktsitzungen eines neuen strukturierten Dialogs abgeschlossen. Mehr als 120 ausgewählte libysche Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Regionen des Landes beraten über Governance, Sicherheit, Wirtschaft, nationale Versöhnung und Menschenrechte. Der Dialog gilt als zentraler Baustein des von den Vereinten Nationen begleiteten politischen Fahrplans, der auf nationale Wahlen und die Vereinheitlichung staatlicher Institutionen abzielt.
Ein Dialog erstmals auf libyschem Boden
Der strukturierte Dialog, der am 14. und 15. Dezember 2025 in Tripolis stattfand, markiert einen neuen Ansatz im libyschen politischen Prozess. Erstmals wird ein derart umfassendes Format innerhalb des Landes selbst durchgeführt. Nach Angaben von UNSMIL nehmen mehr als 120 Vertreterinnen und Vertreter aus Ost-, Süd- und Westlibyen teil. Die Zusammensetzung soll die geografische, politische, soziale und kulturelle Vielfalt des Landes widerspiegeln.
Frauen stellen rund 35 Prozent der Teilnehmenden. Hinzu kommen junge Menschen, Personen mit Behinderungen sowie Fachleute aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. Thematisch gliedert sich der Dialog in Arbeitsstränge zu Regierungsführung, Wirtschaft, Sicherheitssektorreform, nationaler Versöhnung und Menschenrechten.

Die Vereinten Nationen sehen in diesem Dialog einen wesentlichen Bestandteil eines libysch geführten und international unterstützten Prozesses. Ziel ist es, konkrete und konsensbasierte Empfehlungen zu erarbeiten, die den Weg zu glaubwürdigen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ebnen und die anhaltenden Übergangsphasen beenden sollen.
Auswahl der Teilnehmenden und Kriterien
UNSMIL betonte, dass die Auswahl der Dialogteilnehmenden auf klar definierten und überprüfbaren Kriterien beruhte. Voraussetzung war unter anderem, dass keine Verstrickungen in Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Hassrede oder sonstiges unethisches Verhalten vorliegen. Darüber hinaus mussten die Kandidatinnen und Kandidaten nachweisbare Expertise oder Erfahrung in mindestens einem der thematischen Bereiche des Dialogs mitbringen.
Weitere Kriterien umfassten die Bereitschaft zu konstruktiver Mitarbeit, die Fähigkeit zum Brückenbauen zwischen unterschiedlichen politischen Lagern sowie ein klares Bekenntnis zum nationalen Interesse Libyens. Auch die zeitliche Verfügbarkeit für den gesamten Dialogprozess spielte eine zentrale Rolle. Die Vereinten Nationen unterstrichen damit den Anspruch, Glaubwürdigkeit und Arbeitsfähigkeit des Formats sicherzustellen.
Politischer Rahmen und Rolle der Vereinten Nationen
Die Leiterin von UNSMIL, Hanna Tetteh, eröffnete die erste Sitzung des Dialogs persönlich. In ihrer Ansprache hob sie die Bedeutung hervor, politische Diskussionen innerhalb Libyens zu führen, um nationale Eigenverantwortung zu stärken. Der strukturierte Dialog basiere auf der Resolution 2796 des UN-Sicherheitsrates aus dem Jahr 2025 und sei ein Kernpfeiler der politischen Roadmap, die UNSMIL im August 2025 dem Sicherheitsrat und der libyschen Öffentlichkeit vorgestellt hatte.
Tetteh betonte, dass der Dialog eine Plattform biete, über die breite gesellschaftliche Gruppen an der Ausarbeitung eines nationalen Aktionsplans beteiligt werden. Die Vielfalt der Teilnehmenden solle sicherstellen, dass unterschiedliche Perspektiven in die Diskussionen einfließen und gesellschaftliche Realitäten angemessen berücksichtigt werden.
Inhalte und Arbeitsweise des Dialogs
Am zweiten Tag des Treffens setzten die Arbeitsgruppen ihre Beratungen fort. Parallel tagten Teams zu Regierungsführung und Sicherheit, während für den Nachmittag Sitzungen zu Wirtschaft, nationaler Versöhnung und Menschenrechten angesetzt waren. Ziel ist es, nicht nur politische Grundsatzfragen zu erörtern, sondern auch umsetzbare Vorschläge für institutionelle Reformen, Wahlvorbereitungen und Konfliktbearbeitung zu entwickeln.
UNSMIL erklärte, der Dialog solle dazu beitragen, die Voraussetzungen für glaubwürdige Wahlen zu schaffen, strukturelle Governance- und Wirtschaftsprobleme anzugehen und Reformen im Sicherheitssektor voranzubringen. Gleichzeitig gehe es darum, bestehende Konfliktursachen und gesellschaftliche Gräben mittelfristig zu überwinden.
Nationale Institutionen und parallele politische Prozesse
Parallel zum strukturierten Dialog befasste sich auch der Hohe Staatsrat in Tripolis mit den jüngsten Entwicklungen des politischen Fahrplans. Unter Vorsitz von Mohamed Takala wurden Fragen zu sogenannten souveränen Positionen sowie die Abstimmung mit dem Repräsentantenhaus erörtert. Ziel dieser Gespräche ist es nach Angaben des Staatsrats, Positionen anzugleichen und den Weg zu einem breiten nationalen Konsens zu ebnen, der Wahlen ermöglicht.

Darüber hinaus fanden Gespräche zwischen Mitgliedern des Präsidialrats und internationalen Partnern statt. Abdullah Al-Lafi, Mitglied des Präsidialrats, traf den neuen französischen Botschafter Thierry Vallat, um über die Rolle Frankreichs bei der Unterstützung eines libysch-libyschen Dialogs und der Überwindung der politischen Blockade zu sprechen.
Internationale Unterstützung und diplomatische Reaktionen
Der Start des strukturierten Dialogs wurde international ausdrücklich begrüßt. Die Delegation der Europäischen Union in Libyen sowie die Botschaften der EU-Mitgliedstaaten erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme, der Dialog sei ein wichtiger Schritt im politischen Fahrplan der Vereinten Nationen. Sie riefen alle libyschen Akteure zur konstruktiven Teilnahme auf und betonten die Bedeutung weiterer Schritte, darunter die Neubesetzung der Nationalen Wahlkommission und Anpassungen des Wahlrechtsrahmens.

Auch das Vereinigte Königreich unterstrich die Bedeutung des Dialogs und hob insbesondere die Einbindung von Frauen, Jugendlichen und Menschen mit Behinderungen hervor. Frankreich bekräftigte, durch den Sondergesandten des Präsidenten, seine Unterstützung für gleichzeitige Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Ägypten wiederum betonte in Gesprächen mit den USA die Notwendigkeit einer vollständig libysch getragenen politischen Lösung sowie den Abzug ausländischer Kämpfer und Milizen.
Einbettung in die regionale und internationale Lage
Die Gespräche zu Libyen fanden vor dem Hintergrund anhaltender regionaler Spannungen statt. In bilateralen Kontakten thematisierten mehrere Akteure auch die Lage im Sudan und in anderen Krisenregionen Afrikas. Die ägyptische Regierung bekräftigte dabei ihre Ablehnung jeglicher Versuche, Staaten zu destabilisieren oder zu fragmentieren, und stellte den Zusammenhang zwischen regionaler Sicherheit und einem stabilen Libyen heraus.
Laut Libyan News Agency (LANA) sehen die Vereinten Nationen und internationale Partner im strukturierten Dialog einen Versuch, den politischen Stillstand der vergangenen Jahre zu überwinden und einen inklusiveren Prozess zu etablieren, der über elitenzentrierte Verhandlungen hinausgeht.