Am 8. Januar 2025 veröffentlichte die Bundesregierung ihre aktualisierten “Afrikapolitische Leitlinien”. Dieses Dokument definiert vier zentrale Handlungsfelder: globale Herausforderungen, wirtschaftliches Wachstum, Stärkung der Demokratie sowie die Förderung von Frieden und Stabilität.
Obwohl die Leitlinien als strategischer Rahmen konzipiert sind, bleiben konkrete Zielvorgaben und messbare Mechanismen zur Erfolgskontrolle aus. Das Auswärtige Amt hebt die Flexibilität des Dokuments hervor, während Kritiker wie Dr. Christoph Hoffmann die fehlende Kohärenz und die Abwesenheit konkreter Pläne bemängeln.
Kritik von Dr. Christoph Hoffmann: „Sehe keinen Fortschritt.“
Dr. Christoph Hoffmann, Bundestagsabgeordneter (FDP) und kommissarischer Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, zeigte sich gegenüber FOKUS AFRIKA skeptisch. Auf die Frage nach einer allgemeinen Bewertung der Afrikapolitischen Leitlinien stellte er klar: „Ich sehe keinen wesentlichen Fortschritt. Die Kohärenz zwischen den verschiedenen Ministerien wird so nicht hergestellt. Vor allem fehlt es an konkreten Zielvorgaben und messbaren Umsetzungsplänen, etwa beim Umgang mit Russland oder China.“
Gerade im Hinblick auf wirtschaftliche Partnerschaften forderte Hoffmann mehr Mut und Absicherung für Investitionen in afrikanischen Staaten. Afrika biete enorme wirtschaftliche Potenziale, die Deutschland nutzen könne: „Wir müssen aufhören, die afrikanischen Staaten belehren zu wollen. Stattdessen sollten wir unseren Partnern auf Augenhöhe begegnen und die wirtschaftlichen Chancen nutzen, die für beide Seiten Gewinner bringen – etwa bei der Gewinnung von Rohstoffen oder der Produktion von CO₂-freier Energie.“
Er verwies auf das Engagement einiger deutscher Betriebe wie Heidelberg Materials oder der Knauf Gruppe in Afrika. Sein Wunsch nach mehr Nachahmer müsse die Bundesregierung stärker flankieren.
Perspektiven des Auswärtigen Amts: Afrikapolitische Leitlinien als flexibler Rahmen
Das Auswärtige Amt verteidigte die Afrikapolitischen Leitlinien gegenüber FOKUS AFRIKA als wichtigen Orientierungspunkt für die Zusammenarbeit mit dem Kontinent. Laut Aussagen des Ministeriums dienten die Leitlinien als Richtschnur für eine kohärente Afrikapolitik, die der Vielfalt des Kontinents mit seinen 54 Staaten gerecht werden solle.
„Gemeinsam Partnerschaften gestalten in einer Welt im Wandel“. Neue Afrikapolitische Leitlinien der Bundesregierung https://t.co/LdmHkdysvp
— Christoph Retzlaff (@GERonAfrica) January 8, 2025
Die Leitlinien seien in einem breit angelegten Konsultationsprozess entstanden, bei dem Vertreterinnen und Vertreter afrikanischer Botschaften, der Zivilgesellschaft sowie Wissenschaft und Wirtschaft einbezogen worden seien. Diese Beiträge hätten dazu beigetragen, die Perspektiven afrikanischer Partner in die Leitlinien einfließen zu lassen. Das Ministerium erklärte zudem, dass die Leitlinien bewusst als Rahmen für flexible Partnerschaften gestaltet worden seien, um Raum für anpassungsfähige Strategien zu lassen.
Afrikapolitische Leitlinien kommt ohne Nennung von afrikanischen Staaten aus
In den Leitlinien werden, außer Namibia, keine afrikanischen Staaten erwähnt. Trotzdem sprach sich Hoffmann dafür aus, die Zusammenarbeit mit spezifischen Ländern zu intensivieren. Als Mitglied der Parlamentariergruppen Westafrika und Zentralafrika nannte er dabei Senegal, Benin, Kenia, Namibia und die Elfenbeinküste als Staaten, die durch Rechtsstaatlichkeit und Stabilität besonders attraktive Partner seien.
Gleichzeitig sei die Demokratische Republik Kongo aufgrund ihrer Rohstoffvorkommen unverzichtbar: „An der Demokratischen Republik Kongo kommen wir aufgrund der reichen Rohstoffvorkommen nicht vorbei. Es ist bisher nicht gelungen, die immensen Potenziale von Wasserkraft für erneuerbare Energien in Europa zu nutzen. Hier fehlt der Mut zum Einstieg.“
Das Auswärtige Amt setzt vermehrt auf die Zusammenarbeit mit übergeordneten Akteuren wie die Afrikanische Union (AU) und den regionalen Wirtschaftsgemeinschaften. So will sich das Außenministerium an Mechanismen wie der Afrikanischen Freihandelszone (AfCFTA) bedienen.
Geopolitik: Deutschland im Wettbewerb mit China, Russland und Frankreich
Ein weiterer Schwerpunkt der Leitlinien ist die geopolitische Konkurrenz durch Akteure wie China und Russland. Laut Angaben des Auswärtigen Amts wolle Deutschland durch transparente und nachhaltige Partnerschaften Alternativen zu den oft kritisierten Praktiken anderer Staaten bieten. Dabei setze die Bundesregierung auf enge Abstimmungen mit Partnern wie der EU und der G7, um attraktive Angebote zu entwickeln, die für beide Seiten vorteilhaft seien. Fraglich bleibt, wie Deutschland in dieser Rolle den schwindenden Einfluss Frankreichs kompensieren will.
Hoffmann betonte, dass Deutschlands Ruf eine gute Grundlage biete, um wirtschaftliche Beziehungen auszubauen: „Deutschland hat einen guten Ruf dank jahrelanger Entwicklungszusammenarbeit. Das ist eine ideale Voraussetzung für den Einstieg in Branchen, in denen wir bis jetzt wenig aktiv waren.“
Kolonialismus und Einbindung der afrikanischen Diaspora
Die Leitlinien betonen die Bedeutung der Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit. Das Auswärtige Amt stellte klar, dass Namibia hierbei eine zentrale Rolle einnehme, insbesondere im Kontext des Völkermords an den Herero und Nama. Dieser Prozess sei nicht nur von historischer Bedeutung, sondern auch entscheidend für den Aufbau glaubwürdiger und vertrauensvoller Partnerschaften.
Besondere Aufmerksamkeit widmet das Ministerium der Rolle der afrikanischen Diaspora in Deutschland. Auch in der Ausarbeitung der Leitlinien wurden die NGOs der Diaspora in Deutschland konsultiert. Die Bundesregierung wolle den Austausch mit dieser Gruppe weiter intensivieren und so von Ihrer Perspektive profitieren.
Anspruch und Umsetzung
Die neuen Afrikapolitischen Leitlinien spiegeln Deutschlands Ziel wider, Partnerschaften auf Augenhöhe zu fördern und historische Verantwortung zu übernehmen. Doch ohne konkrete Zielvorgaben und Mechanismen zur Erfolgskontrolle bleibt die praktische Umsetzung eine Herausforderung. Es darf weiter beobachtet werden, wie die deutsche Diplomatie diesen Rahmen nutzt, um kluge Strategien zu entwickeln, welche die deutsch-afrikanische Zusammenarbeit sichtbar stärken werden.