Die EU wollte mit Global Gateway ein starkes Signal setzen – als demokratische, nachhaltige und transparente Alternative zu Chinas gewaltiger Infrastrukturstrategie, der „Neuen Seidenstraße“. Doch nun sorgt ein Bericht des Europäischen Parlaments für Irritationen: In mehreren Projekten sollen chinesische Unternehmen von EU-Geldern profitiert haben.
Europas Antwort auf die Neue Seidenstraße gerät in Erklärungsnot
Dabei sollte Global Gateway genau das Gegenteil sein – ein Gegenentwurf zu Peking, das mit Krediten, Häfen, Straßen und Netzen weltweit seinen Einfluss ausbaut. Seit dem Start 2021 hat die EU rund 306 Milliarden Euro für über 270 Projekte mobilisiert, vor allem in Afrika, Lateinamerika und Asien. Der Anspruch war groß: faire Partnerschaften, transparente Verträge und nachhaltige Entwicklung.
Kritik aus dem Parlament: Fehlende Kontrolle, schwache Governance
Im Entwurf eines Parlamentsberichts vom Oktober 2025 heißt es nun, die Initiative leide unter mangelnder Transparenz, einer zentralistischen Steuerung durch die Kommission und einer unklaren Projektlogik. Das Global-Gateway-Board, das eigentlich strategisch über die Schwerpunkte entscheiden soll, tagt selten. Die Abgeordneten fordern mehr parlamentarische Kontrolle und eine stärkere Beteiligung der Partnerländer, um politische wie wirtschaftliche Zielkonflikte zu vermeiden.

Der größte Kritikpunkt: In mehreren Fällen seien chinesische Firmen an EU-finanzierten Vorhaben beteiligt – also ausgerechnet an Projekten, die als Gegengewicht zur chinesischen „Belt and Road Initiative“ gedacht waren. „Das untergräbt das Ziel, eine glaubwürdige europäische Alternative zu schaffen“, heißt es im Bericht.
Afrika im Mittelpunkt der Debatte
Besonders Afrika steht im Zentrum der Global-Gateway-Strategie. Der Kontinent ist für Brüssel Schlüsselregion und Partner zugleich – reich an Ressourcen, jung, wachsend, geopolitisch umkämpft. Hier konkurrieren europäische, chinesische, russische und zunehmend auch arabische Akteure um Einfluss, Investitionen und Zugang zu Rohstoffen.

Für viele afrikanische Staaten zählt vor allem Pragmatismus: Wer Straßen, Häfen, Stromnetze oder Internet liefert, schafft Entwicklung. Doch wenn die EU dabei auf Zulieferer aus China zurückgreift, sendet das widersprüchliche Signale. „Das schwächt die Glaubwürdigkeit der europäischen Erzählung“, urteilen Beobachter.
Im Kern geht es um Vertrauen – und darum, ob die EU ihre eigenen Standards tatsächlich durchsetzt. Global Gateway soll faire Wettbewerbsbedingungen, Umwelt- und Sozialstandards und langfristige Partnerschaften sichern. Doch wenn Aufträge an Drittstaaten gehen, die selbst nicht an diese Regeln gebunden sind, droht das Modell zum technokratischen Etikett zu werden.
Konkurrenz auf den Baustellen der Zukunft
In Afrika konzentriert sich Global Gateway auf vier Felder: Energie, Digitalisierung, Transport und kritische Rohstoffe. Projekte reichen vom Ausbau erneuerbarer Energien in Namibia über Glasfasertrassen in Ostafrika bis zu neuen Handelsrouten entlang des Atlantiks.
Gerade in diesen Bereichen sind jedoch auch chinesische Unternehmen fest etabliert – etwa bei der Stromnetztechnik, im Bergbau oder im Bau großer Infrastrukturprojekte. Sie bieten oft schnellere Umsetzung und niedrigere Preise, während die EU auf Ausschreibungen, Auflagen und Umweltprüfungen setzt. Viele afrikanische Regierungen begrüßen zwar die europäischen Qualitätsstandards, beklagen aber, dass Verfahren zu bürokratisch und zu langsam seien.
Wenn Brüssel am Ende doch auf chinesische Zulieferer zurückgreift, um Projekte voranzutreiben, verschwimmt die Grenze zwischen Wettbewerb und Kooperation. „Das ist kein Verrat an der Idee, aber ein Rückschritt in der Strategie“, sagt ein EU-Diplomat.
Streit um die Zukunft des Programms
Das Europäische Parlament will nun Reformen. Die Initiative solle gesetzlich verankert, ihre Finanzierungswege klar geregelt und ihre Ziele überprüfbar werden. Besonders wichtig: Afrikanische Partner sollen künftig von Beginn an eingebunden werden – von der Projektplanung bis zur Umsetzung.
Zudem fordern die Abgeordneten, dass lokale Unternehmen stärker profitieren. Bislang gingen viele Aufträge an große europäische Konzerne oder internationale Konsortien, selten aber an afrikanische Mittelständler. Dabei war genau das Ziel von Global Gateway: Investitionen, die lokale Wertschöpfung fördern und neue Arbeitsplätze vor Ort schaffen.
Die Kritik richtet sich auch an die Europäische Investitionsbank (EIB Global), die zentrale Finanzierungsrolle spielt. Sie soll ihre Verfahren vereinfachen und transparenter gestalten, um kleineren Akteuren Zugang zu ermöglichen.
Der geopolitische Testfall

Für Afrika ist Global Gateway mehr als ein Finanzinstrument. Es ist ein Symbol europäischer Präsenz – in einer Zeit, in der Russland militärisch, China wirtschaftlich und die Golfstaaten finanziell an Einfluss gewinnen. Ob das Projekt hält, was es verspricht, entscheidet mit über Europas Rolle auf dem Kontinent.
Wenn die EU tatsächlich als verlässlicher Partner wahrgenommen werden will, muss sie zeigen, dass sie ihre eigenen Werte ernst nimmt. Denn wer seine Konkurrenz mitfinanziert, verliert nicht nur politisches Kapital, sondern auch das Vertrauen der Partner, die zwischen den Großmächten um Souveränität ringen.