Die politische und wirtschaftliche Lage in Libyen bleibt äußerst instabil, warnte die UN-Untergeneralsekretärin für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo, vor dem UN-Sicherheitsrat. Trotz internationaler Vermittlungsbemühungen und der UNSMIL-Mission verschärfen politische Spaltungen, wirtschaftliche Misswirtschaft und anhaltende Menschenrechtsverletzungen die Krise weiter. Zudem werden interne Machtkämpfe durch externe Akteure verstärkt, was eine nachhaltige Stabilisierung erschwert.
UNSMIL zur Konfliktlösung
Die UN-Mission in Libyen (UNSMIL) hat einen beratenden Ausschuss mit 20 Rechtsexperten, darunter über ein Drittel Frauen, eingerichtet, um Lösungen für die Durchführung nationaler Wahlen zu erarbeiten. Dieser Ausschuss setzt sich aus Verfassungsexperten, Juristen und politischen Beratern zusammen, die in mehreren Arbeitsgruppen detaillierte Vorschläge für die Wahlgesetzgebung, die technischen Abläufe und die Sicherstellung einer fairen Wahlumgebung entwickeln. Dabei werden insbesondere umstrittene Fragen wie die Kandidatenqualifikation, die Einhaltung verfassungsrechtlicher Vorgaben und die Wahlaufsicht behandelt.
Parallel dazu fördert UNSMIL strukturierte Dialoge unter libyschen Akteuren, um bestehende Konflikttreiber zu analysieren und eine nachhaltige Friedenslösung zu entwickeln. Diese Dialoge bringen Vertreter beider rivalisierenden Regierungen, zivilgesellschaftliche Gruppen, Stammesführer und internationale Vermittler zusammen, um gemeinsame Interessen und Kompromisslösungen zu identifizieren.
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Hierbei spielen auch regionale Akteure eine wesentliche Rolle, insbesondere Ägypten, die Türkei und die Afrikanische Union, die jeweils unterschiedliche Einflussbereiche in Libyen haben.
Gleichzeitig wird versucht, wirtschaftliche Reformen und Korruptionsbekämpfung voranzutreiben. Dies beinhaltet Maßnahmen zur Transparenzsteigerung in der Verwaltung der libyschen Öleinnahmen, zur Modernisierung des Finanzsektors und zur Bekämpfung illegaler Wirtschaftsstrukturen, die sich in den letzten Jahren etabliert haben. Die UN arbeitet hierbei eng mit der Zentralbank Libyens und internationalen Finanzinstitutionen zusammen, um Finanztransaktionen besser zu regulieren und eine gerechtere Verteilung der Ressourcen zu gewährleisten. Besonders die Frage der Einnahmenverteilung zwischen den verschiedenen Landesteilen bleibt dabei ein zentrales Thema.
Politische und wirtschaftliche Herausforderungen und Gewalt
Libyen bleibt zwischen zwei rivalisierenden Regierungen gespalten: die international anerkannte Regierung der Nationalen Einheit (GNU) im Nordwesten und die Regierung der Nationalen Stabilität (GNS) im Osten. Der Streit um die Kontrolle über staatliche Institutionen lähmt das Land. Ein einheitlicher Haushalt oder eine abgestimmte Finanzpolitik sind nicht in Sicht, und zentrale Institutionen wie die Zentralbank und die Libysche Nationalölgesellschaft werden für politische Zwecke instrumentalisiert. Die jüngsten Streitigkeiten über die Führung des Hohen Staatsrats haben die politische Lage weiter destabilisiert.
USG DiCarlo to the Security Council: "In a positive development, UNSMIL facilitated in December the establishment of a joint technical team of senior military and police officers from the Government of National Unity and the Libyan National Army." pic.twitter.com/4mlXicEBf5
— UNSMIL (@UNSMILibya) February 20, 2025
Nichtstaatliche und paramilitärische Gruppen stellen weiterhin eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit Libyens dar. Der Waffenstillstand von 2020 wurde nur teilweise umgesetzt, und es gibt regelmäßig Berichte über bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Milizen. Die Kontrolle wichtiger Militärstützpunkte bleibt umkämpft, und ausländische Söldner sowie illegale Waffenlieferungen verschärfen die Lage zusätzlich. Die UN fordert verstärkte Anstrengungen zur Entwaffnung und Reintegration von Milizen.
UNSMIL kritisiert Humanitäre Krise und Menschenrechtsverletzungen
Die humanitäre Lage in Libyen ist alarmierend und verschlechtert sich zunehmend. Arbiträre Verhaftungen, das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen und Folter durch staatliche und nichtstaatliche Akteure sind weit verbreitet. Besonders betroffen sind Migranten und Asylsuchende, die extremen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind, darunter systematische Misshandlungen, sexuelle Gewalt und Zwangsarbeit in inoffiziellen Internierungslagern.
Die Entdeckung mehrerer Massengräber in Jikharra und Al-Kufra mit insgesamt 93 exhumierten Leichen verdeutlicht die Dringlichkeit unabhängiger und umfassender Ermittlungen. Berichte von Überlebenden legen nahe, dass viele Opfer Menschenhändlern und Milizen zum Opfer fielen, die in einem Netzwerk von Schleuseroperationen tätig sind.
Auch die Lage sudanesischer Flüchtlinge, die nach Libyen fliehen, um dem Krieg in ihrer Heimat zu entkommen, verschärft sich weiter. Viele von ihnen haben keinen Zugang zu humanitärer Hilfe und sind willkürlichen Festnahmen sowie erpresserischen Praktiken durch Sicherheitskräfte ausgesetzt. Die UN fordert verstärkte internationale Anstrengungen zur Bekämpfung von Menschenhandel, zur strafrechtlichen Verfolgung der Täter sowie zum Schutz der Betroffenen durch sichere Migrationswege und Asylverfahren.
Zudem ist die Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge und Migranten extrem eingeschränkt, da viele libysche Krankenhäuser sie aufgrund von Diskriminierung oder Ressourcenmangel nicht behandeln. Die UN ruft zur sofortigen Verbesserung humanitärer Programme auf, um medizinische Versorgung, Unterkünfte und rechtliche Unterstützung für gefährdete Gruppen sicherzustellen.
Positionen der UN-Sicherheitsratsmitglieder
- USA: Unterstützen eine politische Lösung mit Fokus auf Demokratisierung und nationale Versöhnung. Sie fordern eine stärkere internationale Kontrolle über den Umgang mit libyschen Ölressourcen und eine bessere Verteilung der Einnahmen.
- Russland: Betont die Notwendigkeit einer neutralen UN-Mediation und kritisiert den westlichen Einfluss in Libyen. Es fordert einen pragmatischen Ansatz und eine stärkere Rolle der Afrikanischen Union in der Konfliktlösung.
- China: Plädiert für eine nicht-interventionistische Lösung und betont, dass Libyen selbst die Kontrolle über seinen politischen Prozess behalten muss. Es warnt vor ausländischer Einmischung.
- Frankreich: Drängt auf eine Sicherheitssektorreform und unterstützt die GNU, um Stabilität zu gewährleisten. Paris fordert gleichzeitig eine stärkere europäische Einbindung in Libyen.
- Vereinigtes Königreich: Konzentriert sich auf die Einhaltung von Sanktionen gegen Gruppen, die libysche Ölressourcen illegal nutzen. Es unterstützt eine geeinte politische Lösung.
- Afrikanische Union: Unterstützt einen afrikanisch geführten Friedensprozess und fordert verstärkte diplomatische Bemühungen zur Vermittlung zwischen den Konfliktparteien.
Globale Reaktionen und Sanktionen
Die internationale Gemeinschaft begrüßt die Ernennung von Hanna Tetteh zur neuen UN-Sondergesandten für Libyen. Während westliche Länder die Bemühungen um politische Einigung und Sicherheitsintegration priorisieren, fordern Russland und China eine Neubewertung der UN-Mediation und warnen vor ausländischer Einflussnahme. Die Vereinten Nationen drängen darauf, dass Libyen Fortschritte bei wirtschaftlichen Reformen macht, insbesondere im Finanz- und Energiesektor, um eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen.
Upon her arrival in Tripoli, the Special Representative of the Secretary-General (SRSG) and Head of UNSMIL, @HannaTetteh, held an introductory meeting with the Acting Minister of Foreign Affairs, Mr. Taher Al Baour. Accompanied by DSRSG Koury and DSRSG Chuma, Ms. Tetteh… pic.twitter.com/j2n9drf65S
— UNSMIL (@UNSMILibya) February 20, 2025
Libyen bleibt ein geopolitischer Brennpunkt mit tiefen internen Spaltungen und externer Einflussnahme. Die UN fordert entschlossene Maßnahmen zur Stabilisierung des Landes durch eine einheitliche politische Struktur, wirtschaftliche Reformen und verstärkte Friedenssicherung.