Die Bundesregierung hat vier Vertragsgesetze zur Ratifizierung von Interims-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Côte d’Ivoire, Ghana, Zentralafrika (Kamerun) sowie den SADC-WPA-Staaten vorgelegt. Der Bundestag befasst sich in der kommenden Woche erstmals damit. Ziel ist ein rechtssicherer, WTO-konformer Marktzugang und die Vertiefung der Handels- und Entwicklungszusammenarbeit. Wie der Bundestag berichtet, sichern die Abkommen zoll- und quotenfreien Zugang zum EU-Markt; die Partnerländer bauen Zölle schrittweise ab.
Verfahrensstand und Rechtsgrundlage
Die Vorlagen sind gemischte Abkommen. Daher ist ein Vertragsgesetz nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz erforderlich. Der Bundesrat hat keine Einwände erhoben. Die EU-Teile werden bereits vorläufig angewandt. Mit der deutschen Ratifizierung würden die nationalen Zustimmungen ergänzt. Die Begründungen verweisen auf das ausgelaufene Cotonou-Abkommen und den seit 2024 vorläufig angewandten Samoa-Rahmen.
Côte d’Ivoire: Dauerhafter EU-Marktzugang, Zollabbau bis 2029
Das CIV-WPA wurde 2008 unterzeichnet und seit 2016 in EU-Teilen vorläufig angewandt. Côte d’Ivoire exportiert dauerhaft zoll- und quotenfrei in die EU. Im Gegenzug liberalisiert das Land bis 2029 rund 85 Prozent der Zolllinien gegenüber EU-Waren. Der Abbau erfolgt in fünf Stufen seit 2019. Sensible Produkte bleiben geschützt. Zuständig für die Umsetzung ist ein Gemeinsamer WPA-Ausschuss mit Unterausschüssen, unter anderem für Zoll und Handelserleichterungen. Bundestag Dserver+1
Ghana: 78 Prozent Liberalisierung, institutionelle Kooperation im Zollbereich
Das Ghana-WPA sichert den zoll- und quotenfreien EU-Marktzugang seit 2016. Ghana senkt bis 2029 etwa 78 Prozent der Zolllinien für EU-Importe. Das Abkommen enthält Regeln zu Zöllen, nichttarifären Maßnahmen und Transparenz. Es richtet einen Sonderausschuss für Zoll und Handelserleichterungen ein. Vorgesehen sind Informationsaustausch, Verfahrensvereinfachungen und Zusammenarbeit zur Zollwertermittlung.
Zentralafrika/Kamerun: 80 Prozent der Zolllinien, Schutzlisten und SPS/TBT-Kapitel
Das Zentralafrika-Interimsabkommen deckt derzeit Kamerun ab. Kamerun exportiert seit 2014 zoll- und quotenfrei in die EU. Im Gegenzug liberalisiert das Land innerhalb von 15 Jahren rund 80 Prozent der Zolllinien für EU-Waren. Für sensible Güter wie Fleisch, Milchprodukte, Getränke, Mehl, Gemüse, Obst, Holzprodukte sowie Textilien gelten Ausnahmen. Das Abkommen regelt zudem Zoll- und Verwaltungszusammenarbeit, sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen sowie technische Handelshemmnisse.
SADC-WPA-Staaten: Asymmetrische Öffnung und lange Übergangsfristen
Das SADC-WPA umfasst Botsuana, Eswatini, Lesotho, Mosambik, Namibia und Südafrika. Seit 2016 gilt die vorläufige Anwendung, für Mosambik seit 2018. Botsuana, Lesotho, Mosambik, Namibia und Eswatini exportieren zoll- und quotenfrei in die EU. Für Südafrika hat die EU Zölle auf 98,7 Prozent der Einfuhren gesenkt oder abgeschafft. Die SADC-WPA-Staaten öffnen ihre Märkte asymmetrisch: rund 85 Prozent der EU-Produkte bei SACU-Staaten, rund 74 Prozent bei Mosambik. Für weitere etwa 12,9 Prozent gelten reduzierte Zölle oder Kontingente. Die Übergangsfristen laufen bis 2025, für Mosambik bis 2028.
Handelsregularien: Zollabbau, Präferenzen und Sicherungsmechanismen
Alle vier Abkommen stellen den präferenziellen Marktzugang auf eine WTO-konforme Basis. Sie enthalten Kapitel zu Zöllen, nichttarifären Maßnahmen, Ursprungsregeln und Transparenz. Gemeinsame Ausschüsse überwachen die Durchführung. Bei Marktstörungen sehen die Texte Schutzinstrumente vor. Sie reichen von bilateralen Schutzmaßnahmen über Anti-Dumping- und Ausgleichsmaßnahmen bis zu vorübergehenden Aussetzungen von Präferenzen nach Konsultation im WPA-Ausschuss.
Zoll- und Handelserleichterungen: Verfahren, Kooperation, Digitalisierung
Die Abkommen zielen auf effiziente, transparente Zollverfahren. Sie fördern Informationsaustausch, die Automatisierung von Prozessen und die Anwendung internationaler Standards. Bezugspunkte sind das Kyoto-Übereinkommen, der WZO-Normenrahmen sowie WTO-Regeln zur Zollwertermittlung. Vorgesehen sind Konsultationen mit der Wirtschaft, Rechtsbehelfe und Durchfuhrerleichterungen. Eigene Unterausschüsse begleiten die Umsetzung.
SPS und TBT: Gesundheits- und Technikkapitel nach WTO-Standards
Die Texte enthalten Kapitel zu sanitären und phytosanitären Maßnahmen sowie technischen Handelshemmnissen. Sie bekräftigen die WTO-Rechte und -Pflichten und schaffen Kooperationsformate. Ziele sind der Abbau unnötiger Handelshemmnisse, Frühwarnmechanismen und Kapazitätsaufbau bei den Partnerländern.
Streitbeilegung und Governance
Die Abkommen setzen strukturierte Streitbeilegungsverfahren mit Schiedspanels ein. Der WPA-Ausschuss führt Listen qualifizierter Schiedsrichter und überwacht die Umsetzung von Entscheidungen. Fristen für Notifizierungen, Durchführung und Überprüfung sind festgelegt. Die Gremien können ausgewählte Titel und Anhänge nach gemeinsamen Regeln ändern. Entwicklungszusammenarbeit und regionale Integration
Die Begründungen heben die Entwicklungsdimension hervor. Dazu zählen Unterstützung bei der Umsetzung, Förderung regionaler Integration und Stärkung der Verwaltungskapazitäten. Die Kapitel zu Zoll und Handelserleichterungen verankern bedarfsbezogene Übergangsfristen und technische Hilfe.