UN-Sicherheitsrat debattiert über neue Weltordnung

In einer ganztägigen Debatte im UN-Sicherheitsrat äußerten sich Vertreter zahlreicher Mitgliedstaaten zur Notwendigkeit einer Reform der Vereinten Nationen und der globalen Governance-Strukturen. Dabei wurden insbesondere Forderungen nach einer Erweiterung des Sicherheitsrats und einer gerechteren wirtschaftlichen Ordnung laut. Während einige Staaten eine stärkere Berücksichtigung des Globalen Südens fordern, warnen andere vor einer zunehmenden Fragmentierung der internationalen Ordnung.

UN-Generalsekretär Guterres fordert Modernisierung der Vereinten Nationen

UN-Generalsekretär António Guterres eröffnete die Debatte mit einem eindringlichen Appell: “Die Vereinten Nationen wurden aus der Asche des Zweiten Weltkriegs geboren, um einen dritten zu verhindern. Doch die Welt hat sich verändert – und wir müssen mit ihr Schritt halten. Wir brauchen dringend ein Update unserer Institutionen, denn ohne Reformen werden wir die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht bewältigen können.”

Guterres verwies auf den “Pakt für die Zukunft”, der in diesem Jahr verabschiedet wurde, und als Blaupause für eine modernisierte multilaterale Zusammenarbeit dient. “Wir haben eine historische Chance, regionale Organisationen zu stärken, den Sicherheitsrat repräsentativer zu machen und neue Vereinbarungen für Abrüstung und Konfliktprävention zu treffen. Doch all das wird nur gelingen, wenn alle Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen.”

Guterres betonte, dass die internationale Zusammenarbeit zwar über die notwendige “Hardware” verfüge, aber das “Software-Update” fehle. Er verwies auf die tiefgreifenden geopolitischen Verschiebungen der letzten Jahrzehnte und betonte, dass die bestehenden internationalen Strukturen oft ineffektiv seien, um gegenwärtige globale Herausforderungen wie den Klimawandel, wachsende Ungleichheiten und neue Konflikte zu bewältigen. Besonders in Krisenregionen fehle es der UNO an Reaktionsfähigkeit und Handlungsbefugnissen, was die Notwendigkeit umfassender Reformen unterstreiche.

Er rief die Mitgliedstaaten auf, sich aktiv für eine Reform der globalen Problembehebung einzusetzen. Dazu gehöre nicht nur eine strukturelle Anpassung des Sicherheitsrats, sondern auch eine Modernisierung der globalen Finanzinstitutionen, um Entwicklungsländern bessere wirtschaftliche Perspektiven zu ermöglichen.

Die Reform solle zudem sicherstellen, dass multilaterale Mechanismen effektiver und inklusiver werden, indem sie auf die Bedürfnisse aller Staaten, insbesondere des Globalen Südens, eingehen. Nur durch eine solche Erneuerung könne das multilaterale System weiterhin Frieden und Stabilität gewährleisten.

Afrikanische Staaten verlangen permanente Sitze im Sicherheitsrat

Mehrere afrikanische Staaten, darunter Sierra Leone, Algerien und Somalia, forderten eine tiefgreifende Reform des UN-Sicherheitsrats. Afrika stellt mehr als ein Viertel der UN-Mitgliedsstaaten, doch bleibt der Kontinent bislang ohne permanente Vertretung in dem einflussreichsten Gremium der Vereinten Nationen. Die afrikanischen Staaten argumentierten, dass die aktuelle Zusammensetzung des Sicherheitsrats eine koloniale Ungleichheit fortschreibe und der politischen sowie wirtschaftlichen Bedeutung Afrikas in der Welt nicht gerecht werde.

Insbesondere wurde die Forderung nach zwei ständigen Sitzen mit Vetorecht erhoben. Diese Maßnahme sei notwendig, um die strukturellen Defizite der globalen Governance zu korrigieren und Afrika eine gleichberechtigte Stimme in sicherheits- und friedenspolitischen Fragen zu geben. Befürworter dieser Reform verweisen darauf, dass afrikanische Staaten bei fast allen UN-Friedensmissionen eine Schlüsselrolle spielen, jedoch bei den Entscheidungsprozessen des Sicherheitsrats weitgehend außen vor bleiben.

Frankreich unterstützte diese Forderung ausdrücklich und bezeichnete sie als “legitim”. Der französische Vertreter betonte, dass eine Reform des Sicherheitsrats ohne eine angemessene Vertretung Afrikas unvollständig sei. Auch Dänemark und weitere europäische Staaten sprachen sich für eine stärkere Repräsentation Afrikas aus. Dänemarks Vertreterin verwies darauf, dass der Sicherheitsrat ohne strukturelle Reform zunehmend an Legitimität verliere und die wachsende Unzufriedenheit über die ungleiche Machtverteilung die Effizienz der Vereinten Nationen beeinträchtige.

Die afrikanischen Staaten forderten darüber hinaus eine allgemeine Demokratisierung der UN-Entscheidungsstrukturen und eine gerechtere Verteilung der finanziellen Mittel innerhalb der Organisation.

Sie argumentierten, dass Afrika nicht nur in sicherheitspolitischen Fragen gestärkt werden müsse, sondern auch in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit eine größere Rolle spielen sollte. Viele afrikanische Delegationen machten deutlich, dass sie nicht länger bereit seien, eine marginalisierte Position in den internationalen Institutionen zu akzeptieren.

China fordert mehr Einfluss für den Globalen Süden in der UN

Chinas Außenminister Wang Yi, der die Debatte als amtierender Präsident des Sicherheitsrats leitete, unterstrich die Notwendigkeit einer gerechteren globalen Ordnung. Die Zeit, in der eine kleine Gruppe von Staaten die internationalen Angelegenheiten dominierte, sei vorbei. Die aufstrebenden Märkte und Entwicklungsländer des Globalen Südens müssten eine stärkere Stimme erhalten. Er verwies auf die wirtschaftlichen Erfolge der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), die mittlerweile einen höheren Anteil am globalen BIP ausmachen als die G7-Staaten.

USA kritisieren Russland und China als destabilisierende Akteure

Die Vertreterin der Vereinigten Staaten argumentierte, dass zwei der größten Verursacher globaler Instabilität Vetomächte seien: Russland durch seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine und China durch seine strategische Nutzung des Status als Entwicklungsland. Sie kündigte eine umfassende Überprüfung der US-Unterstützung für die Vereinten Nationen an und stellte infrage, ob die Organisation weiterhin den amerikanischen Interessen diene.

Der britische Vertreter befürwortete Reformen, wies aber darauf hin, dass die Vereinten Nationen bereits wirksame Instrumente zur Friedenssicherung besäßen. Der Sicherheitsrat sei oft ein “geopolitisches Theater”, aber mit der richtigen Anpassung könne er effizienter arbeiten.

Russland fordert eine multipolare Weltordnung

Russlands Vertreter kritisierte den westlichen Einfluss auf die globalen Institutionen und forderte eine gerechtere wirtschaftliche Ordnung. Er wies darauf hin, dass westliche Länder seit den 1960er-Jahren 62 Billionen Dollar an Ressourcen aus dem Globalen Süden abgeschöpft hätten. Russland setze sich dafür ein, dass das UN-System die Interessen aller Länder gleichberechtigt berücksichtige und nicht von westlichen Mächten dominiert werde.

Die Ukraine forderte eine Begrenzung des Vetorechts für ständige Mitglieder, insbesondere wenn diese in einen Konflikt involviert sind. Die ukrainische Vertreterin warnte, dass die UN zu einer “Kampfarena” verkommen könne, in der Staaten ihre Interessen rücksichtslos durchsetzten.

Die Debatte zeigte, dass es große Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft der globalen Governance gibt. Während Entwicklungsländer und aufstrebende Märkte eine gerechtere Weltordnung fordern, warnen westliche Staaten vor einer Fragmentierung des internationalen Systems. 

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