UN baut Nairobi-Standort massiv aus

Die Vereinten Nationen erweitern ihren Standort in Nairobi mit einem Investitionsvolumen von fast 340 Millionen US-Dollar und stärken damit Kenias Rolle als zentralen UN-Hub im globalen Süden. Gleichzeitig äußern mehrere unabhängige UN-Menschenrechtsexperten schwere Vorwürfe gegen die kenianischen Behörden. Sie sehen Anzeichen für eine systematische Einschränkung zivilgesellschaftlicher Arbeit, insbesondere im Zusammenhang mit Protesten im Jahr 2025.

Nairobi als strategischer UN-Standort im globalen Süden

Der UN-Standort Nairobi, offiziell United Nations Office at Nairobi (UNON), ist bereits heute der größte UN-Campus außerhalb von Friedensmissionen und der wichtigste Standort der Organisation im globalen Süden. Mehr als 6.000 UN-Mitarbeitende arbeiten derzeit in Kenia, rund 5.000 davon auf dem UNON-Gelände im Stadtteil Gigiri.

Mit neuen Bürogebäuden und einer umfassenden Modernisierung der Konferenzinfrastruktur soll Nairobi weiter als internationales Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum positioniert werden. Zu den UN-Einrichtungen, die bereits Teile ihrer Backoffice-Funktionen nach Nairobi verlagern, gehören unter anderem UNICEF, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) und UN Women. Diese Schritte sind Teil einer organisationsweiten Reformagenda, die Anfang 2025 angestoßen wurde.

Ziel der Reformen ist es, Verwaltungsstrukturen zu straffen, Kosten zu senken und Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten. Nairobi gilt dabei aufgrund niedrigerer Betriebskosten im Vergleich zu New York, einer günstigen Zeitzone mit Überschneidungen zu Asien, Europa, Afrika und Amerika sowie stabiler Infrastruktur als besonders attraktiv.

Investitionen in Höhe von fast 340 Millionen US-Dollar

Die Ausbaupläne umfassen zwei zentrale Projekte. Zum einen ist der Bau zusätzlicher Büroflächen bereits abgeschlossen. Zum anderen soll ab 2026 eine grundlegende Modernisierung der Konferenzzentren beginnen, deren Kosten mit rund 265,7 Millionen US-Dollar veranschlagt sind. Der Abschluss der Bauarbeiten ist für 2030 vorgesehen.

Nach Angaben der UN gehen die Projekte auf Planungen zurück, die bereits vor mehr als 15 Jahren begonnen wurden. Der stellvertretende Sprecher des UN-Generalsekretärs, Farhan Haq, erklärte gegenüber PassBlue, die Erweiterung spiegele „die wachsende Nachfrage nach modernen, effizienten und nachhaltigen Arbeitsplätzen für UN-Einrichtungen in Nairobi“ wider. Zugleich betonte er, dass viele der bestehenden Gebäude aus den 1970er-Jahren „nicht mehr sicher, nicht erdbebensicher und nicht barrierefrei“ seien.

Die Konferenzanlagen befänden sich laut Haq in einem „kritischen Zustand“, weshalb die Investitionen aus Sicht der UN eine strategische Notwendigkeit darstellten, insbesondere für den globalen Süden.

Historische Rolle Kenias als UN-Gastgeber

Kenia stellt den Vereinten Nationen seit Jahrzehnten Flächen zur Verfügung. Bereits 1972 stellte die Regierung 100 Acres Land für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) bereit, 1975 folgten weitere 40 Acres für UN-Habitat. Beide Organisationen sind bis heute die einzigen UN-Sonderorganisationen mit Hauptsitz im globalen Süden.

Der 140 Acres große UN-Campus liegt in einem diplomatischen Viertel nahe der Karura-Waldfläche sowie unweit der US-amerikanischen und kanadischen Botschaften. Er beherbergt nach UN-Angaben rund 40 Organisationen und mehr als 70 Büros.

Der kenianische Botschafter bei UNON, Ababu Namwamba, bezeichnete das Gelände jüngst als „den größten physischen UN-Campus der Welt“. In einem Beitrag in sozialen Netzwerken erklärte er, Kenia habe die Angebote anderer UN-Gastgeberstädte wie New York, Genf und Wien analysiert, um die diplomatischen Privilegien und Arbeitsbedingungen in Nairobi gezielt zu verbessern. „Kenia begrüßt eine stärkere Präsenz der Vereinten Nationen in Nairobi“, schrieb Namwamba Anfang November.

Vorwürfe von UN-Menschenrechtsexperten

Parallel zum Ausbau des UN-Standorts haben mehrere unabhängige UN-Menschenrechtsexperten deutliche Kritik an der innenpolitischen Entwicklung Kenias geäußert. In einer gemeinsamen Stellungnahme aus dem Sommer 2025 werfen sie den kenianischen Behörden ein „Muster der Kriminalisierung und Belästigung“ vor.

Die Vorwürfe beziehen sich unter anderem auf Festnahmen, Abschiebungen und Einschränkungen der Medienberichterstattung im Zusammenhang mit Protesten im Juni 2025, bei denen nach Angaben der Experten mindestens 16 Menschen ums Leben kamen.

Mary Lawlor, UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechtsverteidiger, sagte in einem Interview mit PassBlue, die Repressionen deuteten auf ein koordiniertes Vorgehen staatlicher Stellen hin. Sie erklärte: „Das zeigt, dass verschiedene staatliche Organe gezielt mobilisiert wurden, um das Umfeld für Menschenrechtsarbeit im Land abzukühlen.“

Weiter sagte Lawlor: „Eine einzelne Strategie, etwa allein die Kriminalisierung, wäre nicht wirksam genug gewesen.“ Angesichts der starken Zivilgesellschaft und der verfassungsrechtlichen Schutzmechanismen in Kenia sei „eine Vielzahl von Taktiken notwendig“, um Menschenrechtsverteidiger unter Druck zu setzen.

Langfristige Bedenken seit 2020

Nach Einschätzung Lawlors sind die jüngsten Vorfälle Teil eines längerfristigen Trends. Sie verwies unter anderem auf die Entführung eines ruandischen Aktivisten aus Nairobi im Jahr 2023 sowie auf den bis heute ungeklärten Mord an einer Umweltaktivistin im Jahr 2021.

Zudem kritisierte Lawlor, dass eine nationale Schutzstrategie für Menschenrechtsverteidiger, die seit 2017 diskutiert werde, weiterhin nicht umgesetzt sei. Dies deute auf „einen klaren Mangel an politischem Willen hin, den Schutz von Menschenrechtsverteidigern tatsächlich zu verwirklichen“.

Seit Beginn ihres Mandats im Jahr 2020 habe die kenianische Regierung nur auf zwei von insgesamt zehn formellen Mitteilungen reagiert, an denen sie beteiligt gewesen sei, so Lawlor.

Reaktion der Vereinten Nationen und der Regierung Kenias

Die UN betonen, dass sie trotz der Vorwürfe eine „starke und konstruktive Arbeitsbeziehung“ mit der kenianischen Regierung pflegen. Farhan Haq erklärte, die Zusammenarbeit basiere auf gegenseitigem Respekt. Der UN-Standort in Nairobi stehe zudem im regelmäßigen Austausch mit den Behörden, auch zu den von Sonderberichterstattern angesprochenen Themen.

Haq verwies darauf, dass Kenia die Einrichtung eines vollwertigen Büros des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte akzeptiert habe, das vom UNON-Standort aus für das gesamte Land zuständig sei.

Lawlor stellte jedoch klar, dass ihr Mandat unabhängig vom UN-Sekretariat arbeite und unbezahlt sei. Es unterscheide sich grundlegend von der Arbeit des Hochkommissariats, das institutionell stärker eingebunden und daher in seinen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkter sei. Zugleich räumte sie ein, dass die UN in Gastgeberländern stets „eine Gratwanderung zwischen klarer Benennung von Menschenrechtsverletzungen und dem Aufbau von Kapazitäten vor Ort“ vollziehen müssten.

Die kenianische Regierung nahm im Oktober 2025 zu einigen Vorwürfen Stellung. Sie rechtfertigte Festnahmen und Abschiebungen einzelner Aktivisten als rechtmäßige Maßnahmen und verwies auf laufende Ermittlungen zu Todesfällen im Zusammenhang mit den Protesten. Laut Lawlor seien diese Antworten jedoch begrenzt gewesen und hätten den Vorwurf systematischer Repression zurückgewiesen.

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