Die jüngsten Äußerungen von US-Präsident Donald Trump über somalischstämmige Menschen in den Vereinigten Staaten sowie geplante Maßnahmen der US-Einwanderungsbehörden markieren eine deutliche Verschärfung der politischen Linie gegenüber Somalia. Parallel dazu zeigt sich ein strategischer Wandel in der US-Politik am Horn von Afrika. Während Washington sicherheitspolitische Kooperation mit funktionierenden Regionen wie Somaliland und Puntland intensiviert, kritisiert die Regierung in Mogadischu zunehmend den Kurs der US-Administration.
Die Entwicklungen spiegeln eine Mischung aus innenpolitischer Rhetorik, sicherheitspolitischen Prioritäten und geopolitischen Interessen wider.
Zuspitzung der innenpolitischen Debatte in den USA

In einer im Fernsehen übertragenen Kabinettssitzung sagte US-Präsident Trump, er wolle „keine Somalis in unserem Land“. Er sprach von Menschen, die „zurückgehen sollten, wo sie herkommen“, und bezeichnete Somalia als „kaum ein Land“.
Seine Aussagen richteten sich auch gegen die Abgeordnete Ilhan Omar, die aus Somalia stammt und eine der bekanntesten politischen Stimmen der somalischstämmigen Diaspora ist. Omar schrieb anschließend, Trumps “Obsession” mit ihr sei „creepy“.
Die Aussagen des Präsidenten fielen unmittelbar vor Berichten über eine geplante Operation der US-Einwanderungsbehörde ICE in Minnesota, wo eine der größten somalischen Gemeinschaften der Welt lebt. Lokale Behörden und Politiker warnten, dass eine solche Maßnahme rechtmäßige amerikanische Staatsbürger treffen könne. Senatorin Zaynab Mohamed sagte, bei Kontrollen werde schnell klar werden, dass „fast alle von uns US-Bürger sind“.
Auch der Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, äußerte Kritik und sprach von einem „PR-Manöver“ statt einer tatsächlichen sicherheitspolitischen Strategie.
Strategischer Kurswechsel gegenüber Somalia

Hinter Trumps innenpolitischer Rhetorik steht zugleich eine umfassendere Neuausrichtung der US-Politik am Horn von Afrika. Die zweite Trump-Administration verfolgt einen pragmatischeren, stärker sicherheitsorientierten Ansatz, der Somaliland und Puntland gegenüber dem föderalen Somalia bevorzugt.
Wandel im Verhältnis zu Somaliland

Somaliland, das sich 1991 einseitig für unabhängig erklärte und seitdem stabile staatliche Strukturen etabliert hat, rückt stärker in das Blickfeld der US-Regierung. Politiker der Republikanischen Partei drängen seit Monaten öffentlich auf eine Anerkennung.
In programmatischen Referenzen des konservativen Policy-Blueprint Project 2025 wird Somaliland als strategischer Partner bezeichnet. Forderungen nach einer formellen Anerkennung haben an Gewicht gewonnen.
Mehrere republikanische Senatoren unterstützen diese Linie. In Medienberichten wird von hochrangigen Gesprächen zwischen Vertretern Somalilands und US-Regierungsstellen gesprochen. Präsident Trump bezeichnete Somaliland nach einem Treffen im August als einen „stabilen und verlässlichen Partner“. Zwar liegt keine offizielle Anerkennung vor, doch beobachten Analysten eine deutliche Annäherung. Washington verfolgt dabei mehrere Interessen. Die geostrategische Lage am Golf von Aden, der Zugang zu Häfen wie Berbera und eine im regionalen Vergleich stabile Sicherheitslage spielen eine zentrale Rolle.
Somaliland profitiert von einer offenere Haltung der US-Regierung, ohne dass dieser Kurs bereits zu einem diplomatischen Durchbruch geführt hätte. Die amerikanische Außenpolitik bleibt vorsichtig, um das Verhältnis zur Afrikanischen Union und zur Regierung in Mogadischu nicht weiter zu belasten.
Puntland als sicherheitspolitischer Partner

Puntland bleibt ein zentraler Kooperationspartner der USA im Kampf gegen Extremismus. Seit Jahren arbeiten amerikanische Dienste und die Sicherheitskräfte Puntlands im Bereich der Terrorismusbekämpfung eng zusammen. Seit 2023 hat Puntland die Zusammenarbeit mit Mogadischu weitgehend reduziert, was die US-Regierung dazu veranlasst hat, die Beziehungen zur Region stärker bilateral auszulegen.
Die Intensität der militärischen Unterstützung hat deutlich zugenommen. Mehrere Luftschläge im Jahr 2025 zielten auf Stellungen von ISIS-Somalia in schwer zugänglichen Gebieten Puntlands. Washington betrachtet die Region als stabiler und besser organisierte Partnerin im Norden des Landes. Die US-Regierung prüft zunehmend, ob durch direkte regionale Kooperationen zuverlässigere Ergebnisse im Kampf gegen extremistische Gruppen erzielt werden können.
Belastete Beziehungen zu Mogadischu

Im Gegensatz dazu verschlechtert sich das Verhältnis zwischen Washington und der föderalen Regierung Somalias. Trump hatte Somalia bereits mehrfach kritisiert und bezeichnete es nun abermals als „ohne Struktur“. Die politische Unterstützung der USA für Präsident Hassan Sheikh Mohamud ist sichtbar zurückgegangen.
Washington fokussiert sich stärker auf sicherheitspolitische Zusammenarbeit, während entwicklungspolitische und humanitäre Programme, die unter der vorherigen US-Regierung ausgebaut worden waren, restriktiver gehandhabt werden. Gleichzeitig wächst die Skepsis gegenüber Governance-Problemen und Korruptionsvorwürfen in Somalia.
Dieser Kurs widerspricht der früheren US-Politik, die auf die Stabilisierung des zentralen Staates setzte. Analysen wie jene der International Crisis Group sprechen von einem „Retooling“ der US-Somalia-Strategie: weg von der Förderung eines einheitlichen föderalen Staates, hin zur direkten Zusammenarbeit mit Regionen, die als handlungsfähiger gelten.
Eskalierender Konflikt im Innern Somalias
Parallel zu den geopolitischen Entwicklungen erlebt Somalia eine Zunahme der militärischen Aktivitäten. Die jüngsten AFRICOM-Luftschläge folgen einem Jahr mit mehr als 100 Operationen im somalischen Luftraum. Die Angriffe richten sich vorrangig gegen Al-Shabaab, das weiterhin die größte Bedrohung für die Sicherheit des Landes darstellt.
Gen. Anderson reaffirmed U.S. support for African-led efforts to counter ISIS and al-Shabaab, meeting leaders in Ethiopia, Somaliland, and Puntland. He highlighted AFRICOM’s unique capabilities that strengthen regional security and help defend the U.S. homeland. pic.twitter.com/xXbTYrl9vI
— U.S. Africa Command (AFRICOM) (@USAfricaCommand) December 2, 2025
Während die US-Regierung die Angriffe als notwendig zur „Degradierung“ der Organisation bezeichnet, sorgt die Intensivierung in Somalia für politischen Druck auf Mogadischu und erschwert eine einheitliche nationale Sicherheitsstrategie.
Auswirkungen auf die somalische Diaspora in den USA
Die innenpolitischen Spannungen in den Vereinigten Staaten haben konkrete Folgen für die somalische Gemeinschaft, insbesondere in Minnesota. Die Region Minneapolis–St. Paul beherbergt nach Schätzungen rund 80.000 Menschen somalischer Herkunft. Die geplanten ICE-Maßnahmen und die öffentliche Rhetorik des Präsidenten verstärken Ängste vor Diskriminierung.
Gleichzeitig plant die US-Regierung die Beendigung des „Temporary Protected Status“ (TPS) für somalische Staatsangehörige, wodurch einige hundert Menschen unmittelbar betroffen wären. Vertreter der lokalen Politik warnten vor den Folgen einer solchen Maßnahme und sprachen von einer unnötigen Eskalation.
Wechselwirkung zwischen US-Innenpolitik und US-Horn-Strategie
Die Entwicklungen verdeutlichen, wie eng die innenpolitische Debatte über Migration mit strategischen Interessen am Horn von Afrika verknüpft ist. Während Trump Somalia scharf kritisiert, stärken die USA gleichzeitig ihre Präsenz in Somaliland und Puntland.
Für Somalia bedeutet dieser Kurs eine Verringerung des politischen Rückhalts im Westen, während die USA bestimmte sicherheitsrelevante Kooperationen weiterhin fortsetzen. In Somaliland und Puntland hingegen wird die neue Linie in Washington als diplomatische Aufwertung wahrgenommen.