Die Staats- und Regierungschefs der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) sind am 14. Dezember 2025 in Abuja zu ihrer 68. ordentlichen Sitzung zusammengekommen. Im Mittelpunkt des Gipfels standen die sich verschärfende Sicherheitslage in der Region, der Zustand von Demokratie und Verfassungsordnung sowie zentrale Fragen der wirtschaftlichen und institutionellen Integration. Gastgeber war Nigeria, den Vorsitz führte der Präsident von Sierra Leone, Julius Maada Bio. Wie aus dem offiziellen Abschlusskommuniqué hervorgeht, befasste sich der Gipfel sowohl mit kurzfristigen Krisen als auch mit strategischen Weichenstellungen für die Zukunft der Gemeinschaft.
Regionale Lage zwischen Stabilität und wachsendem Druck
Die ECOWAS-Staaten stellten fest, dass sich Westafrika trotz zunehmender geopolitischer Spannungen und interner Bruchlinien insgesamt widerstandsfähig gezeigt habe. Zugleich verwiesen sie auf eine deutliche Verschlechterung der Sicherheitslage, insbesondere im Sahel und im Tschadsee-Becken. Terroristische Angriffe, Entführungen und Sabotageakte hätten in mehreren Ländern zu massiven Vertreibungen und einer schweren humanitären Krise geführt. Nach Angaben der ECOWAS sind rund sechs Millionen Menschen direkt betroffen.
Vor diesem Hintergrund bekräftigten die Staats- und Regierungschefs ihre Verpflichtung, den Terrorismus innerhalb des ECOWAS-Raums zu bekämpfen. Sie forderten die Afrikanische Union und den UN-Sicherheitsrat auf, die betroffenen Länder stärker und koordinierter zu unterstützen. Zudem beschlossen sie konkrete finanzielle Soforthilfen aus dem Regionalen Sicherheitsfonds für besonders betroffene Küstenstaaten wie Benin, Ghana, Togo, Côte d’Ivoire und Nigeria.
Militärputsche und politische Übergänge im Fokus

Breiten Raum nahmen die jüngsten politischen Entwicklungen in mehreren Mitgliedstaaten ein. Die ECOWAS verurteilte den Militärputsch in Guinea-Bissau, der den Wahlprozess unterbrochen habe, sowie den vereitelten Umsturzversuch in Benin kurz vor den dortigen Wahlen. In beiden Fällen betonte die Gemeinschaft ihre Null-Toleranz-Haltung gegenüber verfassungswidrigen Machtübernahmen.
Besonders deutlich positionierte sich die ECOWAS zu Guinea-Bissau. Die Staats- und Regierungschefs lehnten das von den dortigen Behörden angekündigte Übergangsprogramm ausdrücklich ab. Sie forderten die sofortige Freilassung politischer Gefangener und die Einsetzung einer kurzen, inklusiven Übergangsphase mit dem Ziel, transparente und glaubwürdige Wahlen zu organisieren. Sollte diesen Forderungen nicht nachgekommen werden, kündigte die ECOWAS gezielte Sanktionen gegen verantwortliche Akteure an.
Auch andere politische Prozesse wurden thematisiert. Die Gemeinschaft nahm die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Côte d’Ivoire und Guinea-Bissau zur Kenntnis und begrüßte die geplanten Wahlen in Benin und Guinea. Für Guinea wurde die Präsidentschaftswahl am 28. Dezember 2025 als entscheidender Schritt zur Beendigung der Transition hervorgehoben.
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Umgang mit Ex-Präsidenten
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf Fragen der demokratischen Governance. Die ECOWAS rief ihre Mitgliedstaaten dazu auf, Institutionen zu stärken, die Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung fördern. Ziel sei es, einem weiteren Rückgang demokratischer Standards in der Region entgegenzuwirken.
In diesem Zusammenhang befasste sich der Gipfel auch mit dem ehemaligen gambischen Präsidenten Yahya Jammeh. Seine öffentlichen Äußerungen aus dem Exil in Äquatorialguinea wurden als Bedrohung für Frieden und soziale Kohäsion in Gambia bewertet. Die ECOWAS stellte klar, dass frühere Vereinbarungen über sein Exil ihn nicht von einer möglichen strafrechtlichen Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen zwischen 1994 und 2017 entbinden.
Wirtschaftliche Entwicklung und Integration
Neben Sicherheits- und Demokratiefragen widmete sich der Gipfel intensiv der wirtschaftlichen Lage. Die ECOWAS stellte für 2025 eine robuste Entwicklung fest, gekennzeichnet durch höheres Wachstum, sinkenden Inflationsdruck und Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung. Gleichzeitig mahnten die Staats- und Regierungschefs weitere Reformen an, insbesondere zur Mobilisierung eigener Einnahmen und zur Verbesserung der Effizienz öffentlicher Ausgaben.
SIXTY-EIGHTH ORDINARY SESSION OF THE ECOWAS AUTHORITY OF
— Ecowas – Cedeao (@ecowas_cedeao) December 15, 2025
HEADS OF STATE AND GOVERNMENT
14 December 2025, Abuja, Federal Republic of Nigeria
FINAL COMMUNIQUE…. https://t.co/Jgth4L5mvM pic.twitter.com/LGK0FGGaNs
Besorgt äußerte sich die Gemeinschaft über Verzögerungen bei der geplanten Einführung der gemeinsamen Währung ECO. Weniger als zwei Jahre vor dem anvisierten Start erfüllten viele Mitgliedstaaten weiterhin nicht die makroökonomischen Konvergenzkriterien. Die ECOWAS kündigte an, die Präsidiale Taskforce zur Einheitswährung zu reaktivieren, um politische Blockaden zu überwinden.
Fortschritte wurden dagegen bei der regionalen Energieintegration hervorgehoben. Die erfolgreiche Synchronisierung der Stromnetze von 15 westafrikanischen Staaten im November 2025 wurde als Meilenstein gewertet. Zugleich warnte die Gemeinschaft vor finanziellen Risiken durch ausbleibende Zahlungen einzelner Mitgliedsunternehmen des West African Power Pool.
Institutionelle Entscheidungen und strategische Ausrichtung
Der Gipfel traf zudem weitreichende institutionelle Entscheidungen. Die Verteilung zentraler Führungspositionen für den Zeitraum 2026 bis 2030 wurde bestätigt, ebenso die geplante Verlegung des Hauptsitzes der Westafrikanischen Gesundheitsorganisation nach Côte d’Ivoire. Darüber hinaus beschlossen die Staats- und Regierungschefs, Burkina Faso, Mali und Niger als Nicht-ECOWAS-Mitglieder in die Anti-Geldwäsche-Organisation GIABA aufzunehmen, unter der Bedingung klarer politischer Verpflichtungen.
Abschließend betonte die ECOWAS ihre Absicht, sich stärker auf die Zukunft der regionalen Integration zu konzentrieren. Ein Sondergipfel zur strategischen Neuausrichtung der Gemeinschaft ist angekündigt. Dabei sollen unter anderem Jugend- und Frauenförderung, digitale Transformation, Konnektivität sowie gleichberechtigte internationale Partnerschaften eine zentrale Rolle spielen.