Ban Ki-moon warnt vor Bedeutungsverlust des Sicherheitsrats ohne Reformen

Der frühere UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eindringlich vor einem Verlust an Relevanz gewarnt, sollte es nicht zu grundlegenden Reformen kommen. Bei einer offenen Debatte zum Thema „Leadership for Peace“ am 15. Dezember 2025 in New York kritisierte Ban insbesondere die Blockadefähigkeit der Vetomächte. Zugleich rückte die Debatte die bevorstehende Auswahl des nächsten UN-Generalsekretärs in den Fokus, die unter wachsendem politischem und finanziellen Druck stattfindet.

Zuspitzung globaler Krisen und schwindender Multilateralismus

Ban Ki-moon zeichnete vor dem Sicherheitsrat ein düsteres Bild der internationalen Lage. Seit seinem Ausscheiden aus dem Amt Ende 2016 hätten sich die globalen Rahmenbedingungen deutlich verschlechtert. Zunehmende Konfrontationen zwischen Großmächten, eine Erosion multilateraler Kooperation und bewaffnete Konflikte mit hohen zivilen Opferzahlen prägten die internationale Ordnung.

Ban verwies unter anderem auf den Krieg in der Ukraine, die Lage im Gazastreifen sowie die fortschreitende Klimakrise, die trotz ihrer globalen Tragweite immer weniger koordiniert angegangen werde. Die internationale Politik sei zunehmend von Konkurrenz statt Zusammenarbeit geprägt, während Zivilisten weiterhin die Hauptlast bewaffneter Konflikte trügen.

Der Sicherheitsrat als Teil des Problems

Nach Einschätzung des ehemaligen UN-Generalsekretärs ist die Krise der internationalen Ordnung eng mit der Funktionsweise des Sicherheitsrats verknüpft. Ban bezeichnete dessen wiederholtes Scheitern als einen der zentralen Gründe für die Handlungsunfähigkeit der Vereinten Nationen in zentralen Friedens- und Sicherheitsfragen.

Insbesondere das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder stehe einer wirksamen Konfliktlösung entgegen. Dieses werde regelmäßig genutzt, um eigene Interessen, die von Verbündeten oder verbundener Akteure zu schützen und Verantwortung zu vermeiden. Diese Praxis untergrabe die Glaubwürdigkeit des Rates und fördere Straflosigkeit bei schweren Völkerrechtsverstößen.

Ohne substanzielle Reformen drohe den Vereinten Nationen aus Sicht Bans entweder ein schleichender Bedeutungsverlust oder eine strukturelle Lähmung. Leidtragende seien vor allem Zivilisten in Konfliktregionen, deren Schutzauftrag der Sicherheitsrat nicht mehr zuverlässig erfüllen könne.

Reform der Amtszeit des UN-Generalsekretärs

Ein weiterer Schwerpunkt der Rede betraf die institutionelle Stellung des UN-Generalsekretärs. Ban sprach sich erneut für eine grundlegende Reform der Amtszeit aus. Statt der bisherigen Praxis von zwei fünfjährigen Amtszeiten plädierte er für eine einmalige, nicht verlängerbare Amtszeit von sieben Jahren.

Das derzeitige Modell führe dazu, dass amtierende Generalsekretäre in ihrer ersten Amtszeit stark auf die Zustimmung der ständigen Sicherheitsratsmitglieder für eine Wiederwahl angewiesen seien. Dies schwäche die politische Unabhängigkeit des Amtes, obwohl diese Abhängigkeit nicht im UN-Charta verankert sei, sondern auf Konventionen beruhe.

Ban erinnerte daran, dass die Generalversammlung rechtlich befugt sei, die Modalitäten der Amtszeit selbst festzulegen. Eine Reform könne die Position des künftigen Amtsinhabers stärken und politischen Druck seitens einzelner Vetomächte reduzieren.

Auswahl des nächsten UN-Generalsekretärs

Die Debatte fand vor dem Hintergrund des anstehenden Auswahlverfahrens für die Nachfolge von António Guterres statt, dessen zweite Amtszeit Ende 2026 ausläuft. Der formelle Prozess wurde im November 2025 von den Präsidenten der Generalversammlung und des Sicherheitsrats eröffnet und folgt den Vorgaben der Resolution 79/327.

Das Verfahren sieht vor, dass Kandidaten von Mitgliedstaaten oder Staatengruppen nominiert werden und öffentliche Anhörungen in der Generalversammlung absolvieren. Diese sogenannten informellen Dialoge sollen Transparenz und Inklusivität stärken. Bewerber müssen zudem eine Vision für das Amt, einen Lebenslauf sowie Angaben zur Kampagnenfinanzierung vorlegen.

Bis Mitte Dezember wurde nach UN-Angaben lediglich ein Kandidat offiziell nominiert: Rafael Mariano Grossi, Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, vorgeschlagen von Argentinien.

Finanzielle Engpässe und strukturelle Belastungen

Neben Ban Ki-moon sprach auch die Politikwissenschaftlerin Anjali Dayal vor dem Sicherheitsrat. Sie verwies auf eine beispiellose institutionelle Belastung der Vereinten Nationen, die sich aus der Kombination globaler Krisen und einer akuten Finanzierungslücke ergebe.

Die Kürzung von Budgets führe bereits dazu, dass zentrale Aufgaben der UN eingeschränkt würden. Dazu zählten Impfprogramme, humanitäre Hilfe sowie Minenräumung. Diese Reduktionen träfen eine Welt, in der der Bedarf an multilateralen Lösungen weiter steige.

Dayal erinnerte daran, dass der Sicherheitsrat auch in Phasen starker politischer Blockaden in der Vergangenheit handlungsfähige Generalsekretäre hervorgebracht habe. Historische Beispiele wie Javier Pérez de Cuéllar oder U Thant zeigten, dass das Amt trotz begrenzter formaler Macht erheblichen Einfluss entfalten könne.

Politische Führung jenseits militärischer Macht

Die Wirksamkeit des UN-Generalsekretärs liege, so Dayal, weniger in militärischen oder finanziellen Ressourcen als in der Fähigkeit, Narrative zu prägen und diplomatische Räume offen zu halten. Ziel müsse es sein, politische Lösungen attraktiver zu machen als militärische Eskalation.

Ban Ki-moon schloss mit einem Appell an die Mitglieder des Sicherheitsrats, ihre Verantwortung für Reformen ernst zu nehmen. Der Rückzug in nationale Eigeninteressen führe langfristig nicht zu Stabilität, sondern erhöhe das Risiko kollektiver Zerstörung.

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