EU–Marokko: Gemeinsamer Parlamentarischer Ausschuss diskutiert über Sahel, Mittelmeer und Migration

Am 29. Oktober 2025 tagte in Rabat der 12. Gemeinsame Parlamentarische Ausschuss (JPC) zwischen dem Europäischen Parlament und dem Parlament des Königreichs Marokko. Die Sitzung fand unter dem gemeinsamen Vorsitz von Lahcen Haddad (Marokko) und Ruggero Razza (EU) statt. Nach über zweijähriger Unterbrechung stand das Treffen im Zeichen wachsender sicherheitspolitischer, wirtschaftlicher und klimatischer Herausforderungen in der Euro-Mediterranen Region. Beide Seiten bekräftigten ihren Willen, die strategische Partnerschaft auf Basis von Vertrauen, gegenseitigem Respekt und gemeinsamen Werten zu vertiefen.

Sicherheit und Entwicklung im Sahel und im Mittelmeerraum

Der Ausschuss hob die angespannte Sicherheitslage im Sahel hervor. Der Vormarsch bewaffneter Gruppen und krimineller Netzwerke gefährde nicht nur regionale, sondern auch europäische Stabilität. Beide Seiten betonten die Notwendigkeit eines umfassenden Ansatzes, der Sicherheitsmaßnahmen, politische Dialoge, Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Unterstützung miteinander verbindet.

Im Mittelpunkt der Diskussion stand die von König Mohammed VI. initiierte Atlantik-Initiative Marokkos, die darauf abzielt, die atlantische Integration der afrikanischen Staaten zu fördern. Marokko bezeichnete die Öffnung des Atlantiks für die Sahelstaaten als strategischen Schritt, um deren wirtschaftliche Entwicklung, Handelsdiversifizierung und Stabilisierung angesichts sicherheits- und klimapolitischer Belastungen zu unterstützen. Die EU-Delegation lud Marokko ein, die Initiative in Brüssel vorzustellen.

Regionale Integration und Süd-Süd-Kooperation

Beide Seiten äußerten Besorgnis über die fortdauernden Grenzschließungen zwischen einzelnen Maghreb-Staaten, die Handel, Investitionen und Mobilität behindern. Mitglieder des Europäischen Parlaments erinnerten daran, dass die EU bilaterale Partnerschaften mit allen Ländern der Region pflege und regionale Zusammenarbeit als Schlüssel für wirtschaftliche Resilienz und Stabilität betrachte.

Der Ausschuss würdigte Marokkos Bemühungen, wirtschaftliche und politische Dialoge im südlichen Mittelmeerraum zu fördern und Süd-Süd-Kooperationen zu stärken.

Migration und menschliche Sicherheit

Die Sitzung hob Marokkos Fortschritte bei der Eindämmung irregulärer Migration hervor. Beide Seiten bekannten sich zu einem ganzheitlichen Ansatz im Rahmen des EU-Migrationspakts, der Grenzmanagement, Schutz vulnerabler Gruppen und legale Migrationswege umfasst.

Das gemeinsame Ziel sei es, Schleusernetzwerke zu bekämpfen und dabei Menschenrechte sowie das Prinzip der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement) zu wahren. Mitglieder der Delegationen betonten die Bedeutung von Prävention und der Bekämpfung der Ursachen irregulärer Migration durch wirtschaftliche Entwicklung, Beschäftigung und Bildung.

Neuer „Pakt für das Mittelmeer“

Der Ausschuss begrüßte die Einführung des neuen Pakts für das Mittelmeer, der als historischer Rahmen für eine moderne, partnerschaftliche Zusammenarbeit im Euro-Mediterranen Raum dienen soll. Der Pakt soll auf Jugend, nachhaltige Entwicklung, grüne Investitionen und digitale Vernetzung setzen. Beide Seiten bezeichneten ihn als Chance, eine Zone des Mitwachstums und der geteilten Verantwortung zu schaffen, die lokale Akteure, Kommunen, Frauen, Jugendliche und die Zivilgesellschaft einbindet.

Wirtschaftliche, landwirtschaftliche und handelspolitische Kooperation

Die Delegationen betonten die strategische Bedeutung Marokkos als verlässlicher industrieller Partner und Nearshoring-Standort für Europa. Marokko trage durch seine Industrie zur wirtschaftlichen Stabilität der Region bei. Fortschritte bei der Wiederaufnahme und Stärkung des landwirtschaftlichen Abkommens wurden anerkannt.

Beide Seiten erklärten, dass sie weiterhin an konstruktiven Lösungen arbeiten, um wirtschaftliche und rechtliche Planungssicherheit für alle Akteure zu gewährleisten. Zudem vereinbarten sie einen regelmäßigen Dialog vor Änderungen von Zöllen oder Handelsregeln. Ein Forum für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) soll künftig im Europäischen oder im marokkanischen Parlament stattfinden.

Nahost und humanitäre Lage in Gaza

Die Mitglieder äußerten tiefe Besorgnis über die humanitäre Situation im Gazastreifen. Sie forderten die Einhaltung und Verstetigung des Waffenstillstands, den Schutz der Zivilbevölkerung sowie ungehinderten humanitären Zugang. Bezugnehmend auf das Sharm-el-Sheikh-Friedensabkommen würdigten sie internationale Vermittlungsbemühungen.

Beide Seiten hoben die Rolle von König Mohammed VI. als Vorsitzendem des Al-Quds-Komitees hervor, der sich für die Bewahrung des rechtlichen und spirituellen Status Jerusalems und eine Zwei-Staaten-Lösung auf Grundlage der Grenzen von 1967 einsetzt. Die EU-Delegation bekräftigte ihre Unterstützung für Jerusalem als Hauptstadt beider Staaten. Die Union für das Mittelmeer (UfM) wurde als wichtiges Forum für Dialog und Vertrauensbildung gewürdigt.

Stärkung der parlamentarischen Zusammenarbeit

Zum Abschluss der Tagung wurde vereinbart, den Gemeinsamen Parlamentarischen Ausschuss künftig als ständiges Forum für Austausch und Abstimmung zwischen Abgeordneten beider Parlamente zu etablieren. Der Ausschuss soll Besuche, Debatten und Kooperationsprojekte koordinieren und den parlamentarischen Dialog zwischen Marokko und der EU vertiefen.

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