MdEP Lukas Sieper über RSF-Einladung: “Situation, aus der ich gelernt habe”

Mit einem aufsehenerregenden Video sorgte der Europaabgeordnete Lukas Sieper (Partei des Fortschritts) jüngst für Schlagzeilen: In einem Instagram-Post erklärte er, Vertreter einer sudanesischen Miliz, der Rapid Support Forces (RSF), in das Europäische Parlament eingeladen zu haben – eine Gruppe, die von internationalen Beobachtern mit schweren Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht wird. Der Vorgang löste eine breite Debatte über Transparenz, Verantwortung und den Umgang mit nichtstaatlichen Akteuren in der europäischen Außenpolitik aus.

Im schriftlichen Interview mit FOKUS AFRIKA erläutert der fraktionslose Abgeordnete Lukas Sieper die Hintergründe des Treffens, spricht über seine persönlichen Lehren aus dem Vorfall und erklärt, wie er künftig den Kontakt zu Akteuren aus afrikanischen Staaten gestalten will.

Wie hat die RSF es fast in das Europäische Parlament geschafft?

FOKUS AFRIKA: “In einem spektakulären Instagram-Video erklären Sie, dass Sie Kriegsverbrecher in das EU-Parlament eingeladen haben. Wie kam es dazu, dass Sie der sudanesischen RSF fast eine institutionelle Bühne geboten haben?”

Lukas Sieper: “Das war eine Situation, aus der ich viel gelernt habe. Ich habe das besagte Event über einen externen Think Tank organisiert, der bereits mehrfach mit Abgeordneten zusammengearbeitet hatte. Dabei habe ich mich auf deren Angaben verlassen – ohne zu erkennen, dass sich hinter einigen eingeladenen Personen Vertreter der RSF verbargen, einer Organisation, die von der EU sanktioniert ist und schwerer Kriegsverbrechen beschuldigt wird. Als ich darüber informiert wurde, habe ich die Veranstaltung selbstverständlich sofort abgesagt.

Was dieser Vorfall aber zeigt, ist, wie subtil und komplex die Strukturen rund um das Europäische Parlament geworden sind. Gerade als unabhängiger Abgeordneter ohne den Rückhalt einer großen Fraktion ist man stärker darauf angewiesen, mit externen Partnern zu arbeiten, um Themen wie Friedensförderung oder Menschenrechte sichtbar zu machen. Diese Offenheit kann leider auch ausgenutzt werden – insbesondere von Gruppen, die gezielt versuchen, sich durch seriöse Formate einen Anschein von Legitimität zu verschaffen.

Ich sehe darin vor allem eine institutionelle Lehre: Wir müssen als Parlament noch genauer hinschauen, wer Zugang bekommt, wie Einladungen überprüft werden und wie sich Lobbystrukturen tarnen können.”

Die Details: Von der Kontaktanbahnung zum Vorfall

FOKUS AFRIKA: “Nach Ihren Angaben gab es bereits zuvor Kontakt und eine Zusammenarbeit. Aus Transparenzgründen interessiert uns: Wie kam der Erstkontakt zustande, und wie sah diese Zusammenarbeit konkret aus?”

Lukas Sieper: “Zunächst ist es wichtig zu betonen, dass der vorherige Kontakt ausschließlich mit dem Think Tank bestand – nicht mit den RSF-Personen – und sich unsere Zusammenarbeit bisher nicht auf den Sudan, sondern auf LGBTQ+-Themen konzentrierte. Der Erstkontakt kam ursprünglich während einer Delegationsreise nach Syrien zustande, bei der ich mit der Delegation für Afghanistan im Europäischen Parlament unterwegs war. Im Rahmen dieser Reise traf ich auf die britische Denkfabrik, die sich auf Friedens- und Entwicklungsfragen in Krisenregionen spezialisiert hat. Der Austausch drehte sich zunächst um Konfliktlösungsansätze und mögliche Veranstaltungen zu friedenspolitischen Themen.

Später wurde ich von dieser Organisation eingeladen, Anfang Mai 2025 als Speaker ins House of Commons im britischen Parlament zu kommen, um dort über Global Voices for LGBT+ Rights zu sprechen. Die Zusammenarbeit bestand hauptsächlich darin, Themenvorschläge zu diskutieren und meine Ideen als Abgeordneter aus Deutschland einzubringen. Da ich zudem Vize-Präsident der LGBTIQ+ Intergroup im Europäischen Parlament bin, war ich natürlich ein interessanter Speaker da ich viele interne Einblicke habe.”

Abgeordneter Sieper über seine Berührungspunkte mit dem Sudan

FOKUS AFRIKA: “Sie sind zwar Mitglied im Ausschuss für internationalen Handel. Außerdem sind Sie unter anderem Delegationsmitglied für die Beziehungen zwischen der EU und dem Irak, der EU und Lateinamerika, mit Afghanistan sowie in Euronest. Sie haben also nur wenige offensichtliche Berührungspunkte mit dem Sudan. Weshalb, glauben Sie, wurden Sie trotzdem kontaktiert?”

Lukas Sieper: “Meine Mandatsarbeit hat tatsächlich nur wenige direkte Berührungspunkte mit dem Sudan – und genau das macht mich für gezielte Kontaktaufnahmen anfällig. Ich wurde angesprochen, weil wir zuvor erfolgreich im LGBTQ+-Kontext zusammengearbeitet hatten, was normalerweise ein starkes Zeichen für die Integrität von Partnern ist.

Auf Basis dieses Vertrauens wurde mir später vorgeschlagen, auch zu Themen im Sudan Stellung zu nehmen. Ich habe mich mit dem Sudan befasst, weil es nach wissenschaftlicher Forschung eine der größten humanitären Krisen unserer Zeit ist – gleichzeitig aber kaum darüber berichtet wird.

Als unabhängiger Abgeordneter bin ich stärker auf externe Partner angewiesen, die Veranstaltungen organisieren, Speaker vorschlagen und Kontakte vermitteln. Diese Abhängigkeit schafft eine subtile strukturelle Verwundbarkeit: Gruppen, die versuchen, sich auf legitimen Plattformen zu positionieren, erkennen genau, wo sie leichter Zugang erhalten können. Selbst mit bestem Willen und voller Integrität kann man dadurch durch die institutionellen Strukturen des Parlaments und subtile externe Einflussversuche in kritische Situationen geraten.”

Wie sieht die künftige Zusammenarbeit mit Akteuren aus, Herr Sieper?

FOKUS AFRIKA: “Man könnte annehmen, dass eine solche Erfahrung von weiterer Zusammenarbeit mit unbekannten Akteuren abhalten könnte. Wie werden Sie künftig Ihre Kontakte zu afrikanischen Akteuren ausrichten?”

Lukas Sieper: “Diese Erfahrung war ein deutliches Signal dafür, wie wichtig sorgfältige Prüfung und Vorsicht im Umgang mit externen Partnern sind. Sie hält mich jedoch keineswegs davon ab, den Dialog mit afrikanischen Akteuren fortzuführen – im Gegenteil: Der Austausch über Frieden, Menschenrechte und Entwicklungsfragen bleibt zentral für meine Arbeit.

Künftig werde ich noch gezielter vorgehen: Jeder Kontakt und jede Zusammenarbeit wird sorgfältig auf Hintergründe und Verbindungen geprüft. Dabei werden wir die Dienste des European External Action Service (EEAS) sowie den Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments (EPRS) für umfassende Checks nutzen. Zusätzlich werde ich proaktiv prodemokratische Kolleginnen und Kollegen einbeziehen, die in den jeweiligen Themengebieten arbeiten, um eine fundierte Einschätzung und Expertise zu erhalten.

Mir geht es darum, Offenheit und Dialog zu bewahren, sie aber gleichzeitig mit klaren Prüfmechanismen, Verantwortung und kollegialer Expertise zu verbinden. Nur so lässt sich wirksame Friedens- und Menschenrechtsarbeit leisten, ohne die Integrität des Europäischen Parlaments zu gefährden.”

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