Die nachhaltige Entwicklung und die Stärkung internationaler Partnerschaften stehen im Zentrum der politischen Arbeit von Dr. Wolfgang Stefinger. Der Bundestagsabgeordnete der CSU vertritt seit 2013 den Wahlkreis München-Ost und setzt sich insbesondere für eine vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und afrikanischen Staaten ein.
Als Obmann im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ) sowie stellvertretender Vorsitzender der Parlamentariergruppe Südliches Afrika gestaltet Stefinger aktiv die deutsche Entwicklungspolitik mit. Zudem engagiert er sich als Vorstandsmitglied der Deutschen Afrika Stiftung und als Vorsitzender des Parlamentarischen Beirates der Deutsch-Mosambikanischen Gesellschaft für eine enge Partnerschaft mit dem afrikanischen Kontinent.
Im Gespräch mit FOKUS AFRIKA spricht Dr. Wolfgang Stefinger über die Herausforderungen und Perspektiven der deutsch-afrikanischen Zusammenarbeit, die Bedeutung nachhaltiger Entwicklung und die Rolle Deutschlands in einer sich wandelnden globalen Ordnung.
Schwerpunkt: Soziale Marktwirtschaft
FOKUS AFRIKA: Fast vier Jahre Opposition liegen hinter Ihnen zurück. Waren es trotzdem erfolgreiche Jahre für die deutsch-afrikanische Zusammenarbeit und konnten Sie als CDU/CSU-Fraktion Akzente setzen?
Wolfgang Stefinger: Die letzten drei Jahre waren bei diesen Bemühungen ein Rückschritt. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit wurde im BMZ zur Nebensache. Der Haushaltstitel für die wirtschaftliche Zusammenarbeit wurde reduziert und der Empfängerkreis um Gewerkschaften vergrößert. Die Ministerin reiste zwölfmal nach Afrika, doch Vertreter der deutschen Wirtschaft waren nie mit dabei. Im Rahmen der finanziellen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern gehen nur etwas mehr als 10 % der Aufträge an deutsche Unternehmen. Stattdessen werden Aufträge mittelbar oder unmittelbar an chinesische Staatsunternehmen vergeben. Das schadet unserer Wirtschaft und die Kontrolle von Arbeiter- und Menschenrechten ist deutlich erschwert. Noch entscheidender ist dies im Bereich der digitalen Infrastruktur: Rund 60 bis 70 % der Afrikaner haben keinen Zugang zum Internet. Hier hat die afrikanische Zivilgesellschaft ebenso wie wir ein vitales Sicherheitsinteresse. Der Ausbau dieser Infrastruktur muss nach europäischen Standards erfolgen – nicht nach chinesischen.
Genau auf diesen Weg einer modernen Entwicklungspolitik hat sich das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) auch in den 2010er Jahren gemacht. Der von Bundesminister Müller (CSU) ins Leben gerufene Marshallplan mit Afrika war der richtige erste Schritt für eine neue Afrikapolitik. Statt klassischer Entwicklungshilfe standen wirtschaftliche Zusammenarbeit, also Investitionsförderung, Unterstützung von Start-ups und mittelständischen Unternehmen sowie die Förderung von Bildung und Qualifikation im Mittelpunkt. Der Plan steht damit für eine tief verankerte Überzeugung der Union. Wir glauben an die soziale Marktwirtschaft. Denn „Wirtschaft ist nicht alles, aber alles ist ohne Wirtschaft nichts“.
Wolfgang Stefinger: “Deutschland muss die Agenda 2063 ernst nehmen”
FOKUS AFRIKA: Was bleibt die zentrale Herausforderung in der Weiterentwicklung der deutsch-afrikanischen Beziehungen? Und wie wollen Sie diese in der nächsten Legislatur lösen?
Wolfgang Stefinger: Die künftige Bundesregierung muss einen Fokus auf Afrika legen. Unser Nachbarkontinent steht, genau wie wir, vor gewaltigen Herausforderungen – und nur gemeinsam werden wir sie meistern. Der äthiopisch-deutsche Autor und Unternehmer Prinz Asfa-Wossen Asserate bringt es mit seinem Buchtitel auf den Punkt: Wer Europa bewahren will, muss Afrika retten. Unsere Schicksale sind zu sehr verbunden, als dass wir uns gegenseitige Vorurteile und Abneigung leisten könnten. Wer allerdings mehr als den Titel des Buches liest, wird schnell merken, dass Asserate gerade nicht will, dass Afrika mit Almosen „gerettet“ wird. Es geht ihm um eine echte, partnerschaftliche Zusammenarbeit, die den afrikanischen Kontinent stärkt, anstatt ihn in dauerhafter Abhängigkeit zu halten. Eben das hat die Afrikanische Union mit ihrer Agenda 2063 klar formuliert: Selbstbestimmte Entwicklung, wirtschaftliche Eigenständigkeit und politische Stabilität. Deutschland und Europa müssen diese Ziele ernst nehmen und aktiv unterstützen.

Geht die Entwicklung so weiter, löst bis 2030 China die EU als größten Handelspartner Afrikas ab. Eine Entwicklung, die weder im Sinne Europas noch der afrikanischen Zivilgesellschaft ist. China und Russland bieten autoritären Regimen Sicherheit und wirtschaftlichen Wohlstand für wenige Eliten. Europa muss diesem Modell mit einem Gegenkonzept begegnen: Demokratische Reformen belohnen, nachhaltige Infrastruktur aufbauen und wirtschaftliche Netzwerke in Afrika und mit Afrika stärken. Ein starker, vernetzter Binnenmarkt in Afrika ist nicht nur im Interesse des Kontinents, sondern auch im Interesse Europas, das neue Handelspartner braucht. Warum sich die neuen Leitlinien der Bundesregierung für Afrika zu diesem Systemkonflikt ausschweigen, bleibt ein Rätsel und zeigt, dass das BMZ die Zeitenwende nicht vollzogen hat.
Diaspora als ein deutsches Alleinstellungsmerkmal annehmen
FOKUS AFRIKA: Wie können afrikanische Diaspora-Gemeinschaften in Zukunft stärker als Brückenbauer in die Arbeit des BMZs eingebunden werden?
Wolfgang Stefinger: Diese Zeitenwende in der Entwicklungspolitik muss im BMZ selbst beginnen und von einer deutlich europäischen Koordination flankiert werden. Doch um eine neue Ära der afrikanisch-deutschen und europäischen Zusammenarbeit einzuleiten, sollten wir eine weitere Stärke nutzen, die unsere globalen Wettbewerber nicht haben: das Wissen und die Perspektiven der afrikanischen Diaspora. Menschen wie Asserate verkörpern dieses Potenzial und es gibt sehr viele davon. Wir brauchen dies symbolisch für ein neues Afrikabild und partnerschaftlich, um Brücken zu bauen.

Viele wirtschaftlich erfolgreiche Menschen aus Afrika investieren gezielt in ihre Herkunftsländer – meist ohne staatliche Unterstützung. Das BMZ fördert dieses Engagement, um nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu stärken. Programme wie „Geschäftsideen für Entwicklung“ laufen bereits seit 2010, haben über 700 Geschäftsideen unterstützt und mehr als 770 Arbeitsplätze geschaffen. Andere Vorhaben mobilisieren private Diaspora-Investitionen zur Förderung afrikanischer Kleinunternehmen – mit bisher über 5.390 geförderten Betrieben und mehr als 10.450 geschaffenen oder erhaltenen Arbeitsplätzen, fast die Hälfte davon für Frauen.
Es gibt also zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass dieser Ansatz funktioniert. Jetzt gilt es, diese Säule der Entwicklungspolitik dringend zu stärken – neben der Unterstützung der ärmsten Länder in den Bereichen Armutsbekämpfung, Hunger, Gesundheit und Bildung.
Reformpartnerschaften wiederbeleben
FOKUS AFRIKA: Nennen Sie die aus Ihrer Sicht drei wichtigsten afrikanischen Staaten, zu der Deutschland privilegierte Partnerschaften aufnehmen sollte.
Wolfgang Stefinger: Ein Blick auf den innerafrikanischen Handel zeigt das Problem: Er macht nur rund 15 % aus – und selbst das gilt bereits als Erfolg. Das muss sich ändern. Ziel muss es sein, ein dichtes Infrastrukturnetz zu schaffen, das wirtschaftliche Räume verknüpft und echten Freihandel ermöglicht – im Interesse der afrikanischen Bevölkerung und der EU, die angesichts eines problematischen asiatischen Marktes dringend neue Handelspartner braucht. Europa und Afrika haben hier gemeinsame Interessen, die auf einer regelbasierten Ordnung und Freihandel basieren.
Deswegen war das Konzept der Reformpartnerschaften von Bundesminister Müller so klug. Er setzte neben gemeinschaftliche wirtschaftliche Entwicklung auf demokratische und rechtsstaatliche Reformen in den Partnerländern. Afrikanische Staaten, die bereit waren, Reformen zur Verbesserung von Regierungsführung umzusetzen, sollten bevorzugt werden. Diese Reformpartnerschaften umfassten unter anderem Ghana, Tunesien und Äthiopien.
Letztes Jahr durfte ich Najla Bouden als beeindruckende Persönlichkeit und Kämpferin für die Interessen ihres Landes – vor allem der Jugend! – kennenlernen. Ihre Entlassung als tunesische 🇹🇳 Regierungschefin durch Präsident Saied betrübt und besorgt mich sehr. Kein gutes Zeichen! pic.twitter.com/XYdG5raIME
— Wolfgang Stefinger (@StefingerMdB) August 3, 2023
Reformen auf der einen Seite und wirtschaftliche Entwicklung auf der anderen Seite sind der Schlüssel zu nachhaltiger Entwicklung – ganz im Sinne der sozialen Marktwirtschaft Erhards. Diesen Weg gilt es künftig wieder weiterzugehen.
Wolfgang Stefinger: “Wirtschaft muss dem Wohl des Volks dienen”
FOKUS AFRIKA: Wie schauen Sie rückblickend auf Ihre letzte Legislaturperiode und was wünschen Sie sich für die nächsten vier Jahre?
Wolfgang Stefinger: Die Union und ich ganz persönlich sind aber auch davon überzeugt, dass ein Markt funktionieren und die Wirtschaft dem Wohl des Volkes dienen muss. Mit anderen Worten: es braucht klare Rahmenbedingungen. Hier muss Afrika selbst die Verantwortung übernehmen. Doch der Kurs mancher Autokraten führt bislang vor allem zu Wohlstandsinseln: Wenige Eliten bereichern sich an Rohstoffen und ausländischen Investitionen, während die breite Bevölkerung leer ausgeht. Zwar entstehen Infrastrukturprojekte, doch nicht mit dem Ziel einer flächendeckenden und nachhaltigen Entwicklung, sondern entlang der Rohstoffströme – mit dem Fokus, Ressourcen möglichst schnell außer Landes zu schaffen. Das führt nur zu punktuellem Wohlstand an Knotenpunkten und Küstenregionen.