Südsudan droht Rückfall in Krieg

New York / Juba – Die UN-Kommission für Menschenrechte in Südsudan hat in einem Bericht vor den Vereinten Nationen eindringlich gewarnt, dass das Land am Rande eines neuen Krieges steht. In ihrer Erklärung vor der UN-Generalversammlung am 29. Oktober bezeichneten die Ermittler die aktuelle Lage als „eine gefährliche Wiederholung der Vergangenheit“.

Südsudans politischer Übergang zerfällt“, sagte Kommissionsmitglied Barney Afako. „Der Waffenstillstand hält nicht, politische Inhaftierungen werden als Mittel der Unterdrückung eingesetzt, die zentralen Bestimmungen des Friedensabkommens werden systematisch verletzt, und Regierungstruppen bombardieren erneut zivile Gebiete.“

Kämpfe und Vertreibungen nehmen zu

Seit März haben die bewaffneten Auseinandersetzungen nach UN-Angaben über 370.000 Menschen innerhalb des Landes vertrieben, während Tausende in Nachbarländer geflohen sind. Insgesamt sind derzeit 2,6 Millionen Menschen Binnenvertriebene, hinzu kommen rund 600.000 Geflüchtete, vor allem aus dem benachbarten Sudan.

„Das Leid der Bevölkerung ist kein Kollateralschaden, sondern die direkte Folge politischer Versäumnisse“, erklärte Kommissionsvorsitzende Yasmin Sooka. Sie beschrieb die Situation als „menschenverursachte, vermeidbare Katastrophe“ und fügte hinzu: „Erneut werden Zivilisten bombardiert, Frauen vergewaltigt, Kinder verschleppt und in den Krieg gezwungen. Ganze Gemeinschaften leben in Angst – das ist eine tragische Wiederholung der Geschichte Südsudans.“

Machtkämpfe und ethnische Spannungen

Laut Bericht hat sich der Konflikt weiter verkompliziert, da sich Machtkämpfe zwischen politischen Lagern mit ethnischen Spannungen und lokalen Konflikten überschneiden. Regierungsumbildungen und parteipolitisch motivierte Ernennungen hätten das Vertrauen zwischen den Unterzeichnern des Friedensabkommens von 2018 weiter geschwächt.

Lokale Milizen würden zunehmend für politische und militärische Zwecke instrumentalisiert, während regionale Waffenlieferungen und Einflussnahmen die Eskalation weiter befeuern.

Korruption als Triebkraft des Konflikts

Kommissionsmitglied Carlos Castresana Fernández machte deutlich, dass Korruption zu den zentralen Ursachen der Instabilität zählt. „Milliarden an Öleinnahmen sind verschwunden, während die Bevölkerung hungert. Krankenhäuser haben keine Medikamente, Schulen keine Lehrer, Soldaten werden nicht bezahlt – und die Eliten bereichern sich durch intransparente Verträge und Schattenhaushalte“, sagte er.

Die Kommission stellt fest, dass Korruption nicht nur ein Nebeneffekt, sondern ein Motor des Konflikts sei. Gleichzeitig blieben rechtsstaatliche Institutionen unterfinanziert und politisch untergraben, während Reformversprechen zur Einschränkung willkürlicher Inhaftierungen bislang weitgehend unerfüllt blieben.

Systematische Menschenrechtsverletzungen

Der Bericht dokumentiert anhaltende sexualisierte Gewalt, Zwangsrekrutierungen von Kindern, außergerichtliche Hinrichtungen und gezielte ethnische Übergriffe. In mehreren Fällen seien staatliche Akteure direkt beteiligt oder duldeten die Verbrechen.

„Frieden wird nicht durch Worte oder Händeschütteln erreicht“, sagte Sooka. „Er entsteht durch konkrete Maßnahmen – durch den Schutz von Zivilisten, den Aufbau rechtsstaatlicher Institutionen und ein Ende der Straflosigkeit.“

UN fordert Taten statt Erklärungen

Die Kommission appellierte an die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union und regionale Partner, endlich wirksame Schritte einzuleiten. Dazu gehöre die Einrichtung des Hybridgerichts für Südsudan, das bereits seit Jahren geplant, aber nie umgesetzt wurde. Dieses Gericht soll Kriegsverbrechen und schwere Menschenrechtsverletzungen untersuchen und strafrechtlich verfolgen.

„Die internationale Gemeinschaft muss über Erklärungen hinausgehen“, sagte Sooka. „Ohne konkrete, koordinierte Maßnahmen wird das Leid der Bevölkerung nur zunehmen.“

Gefahr eines erneuten Bürgerkriegs

Der Südsudan, der 2011 seine Unabhängigkeit erlangte, befindet sich seit Jahren in einer fragilen Übergangsphase. Das Friedensabkommen von 2018 sollte den Bürgerkrieg zwischen den Lagern von Präsident Salva Kiir und Vizepräsident Riek Machar beenden, wurde jedoch nur teilweise umgesetzt.

Beobachter sehen die aktuellen Entwicklungen als Rückkehr in die Kriegslogik der Jahre 2013 bis 2018, als hunderttausende Menschen ums Leben kamen. Angesichts der sich verschärfenden Gewalt warnen UN-Vertreter, dass ein erneuter großflächiger Konflikt nicht nur Südsudan, sondern die gesamte Region des Horns von Afrika destabilisieren könnte.

Verwandte Beiträge
Total
0
Share