Marokko bereitet Wahlen vor: Regeln gegen Korruption, mehr Chancen für junge Kandidaten und Frauen

Der vom König Mohammed VI. am 19. Oktober in Rabat geleitete Ministerrat hat zentrale Wahlrechts- und Parteirechtsreformen beschlossen, die die Integrität der kommenden Parlamentswahlen stärken und die Repräsentation von Frauen und jungen Menschen ausbauen sollen. Kernpunkte sind der Ausschluss vorbestrafter Kandidierender, verschärfte Sanktionen gegen Wahlstraftaten, vereinfachte Kandidaturbedingungen für unter 35-Jährige mit substanziellem Kampagnenkostenzuschuss sowie neu zugeschnittene regionale Wahlkreise ausschließlich für Frauen. Wie aus dem Kommuniqué des Königlichen Kabinetts hervorgeht, zielen die Maßnahmen auf Transparenz, rechtliche Klarheit und eine breitere politische Teilhabe.

Neues Wahlrecht: Integrität sichern, Zugang verbreitern

Die Organische Gesetzesnovelle zur Abgeordnetenkammer verankert einen verbindlichen Integritätsfilter: Personen, gegen die ein rechtskräftiges Urteil mit Verlust der Wählbarkeit vorliegt, sind künftig von der Kandidatur ausgeschlossen. Parallel werden Tatbestände der Wahlfälschung – von der unzulässigen Beeinflussung bis zu Eingriffen in Auszählungs- und Ergebnisschritte – mit deutlich schärferen Strafandrohungen belegt. Der Regelungszweck ist doppelter Natur: präventiv durch Abschreckung und repressiv durch effektivere Ahndung, um die Rechtsstaatlichkeit des gesamten Wahlzyklus ab Kandidatennominierung bis Ergebnisfeststellung abzusichern.

Jugend im Parlament: vereinfachte Zugänge und bis zu 75 % Kampagnenförderung

Zur Senkung faktischer Eintrittsbarrieren werden die formalen Kandidaturvoraussetzungen für Personen unter 35 Jahren vereinfacht – sie können nun innerhalb parteigebundener Nominierungen als auch parteiunabhängig antreten. Wesentlich ist ein neuer finanzieller Fördermechanismus: Künftig können 75 % der wahlkampfrelevanten Ausgaben für diese Gruppe erstattet werden. Damit adressiert der Gesetzgeber zwei strukturelle Hürden – Ressourcenknappheit und Organisationsdefizite – und rückt die Verjüngung politischer Eliten in den Rang eines expliziten Steuerungsziels.

Regionale Frauenwahlkreise soll Parität stärken

Zur Stärkung der gleichberechtigten Repräsentation richtet die Novelle regionale Wahlkreise ein, die exklusiv Frauen vorbehalten sind. Die Maßnahme erweitert über bisherige Quotenmodelle hinaus die strukturellen Chancen weiblicher Kandidaturen, indem sie wettbewerbliche Räume schafft, in denen die Listenbildung nicht mehr gegen etablierte Männerlisten konkurrieren muss. Die Regelung ist als dauerhafte, wahlzyklusübergreifende Architekturkomponente angelegt und soll die Präsenz von Frauen in der Abgeordnetenkammer messbar erhöhen.

Moderner Parteirahmen: Governance, Finanzierung, Nachwuchs

Das Organische Parteiengesetz wird umfassend modernisiert. Im Mittelpunkt stehen klare Governance-Standards mit innerparteilichen Regeln, transparente Finanzierungs- und Rechnungslegungspflichten sowie förderrechtliche und satzungsorganisatorische Erleichterungen für Frauen und junge Menschen bei Parteigründungen und in Führungspositionen.

Die Systematik zielt darauf, Parteien als verlässliche Träger demokratischer Willensbildung zu stärken und den Nachwuchs strategisch zu verankern. Wie der Analyst Anouar Qoria zusammenfasst, rückt Marokko damit Transparenz, Jugend und Parität in den Mittelpunkt des Wahlrechtsrahmens.

Finanzrahmen 2026: vier Prioritäten und sektorale Schwerpunkte

Zuvor skizzierte die Finanzministerin die Leitlinien des Haushalts für das Jahr 2026. Für 2025 rechnet die Regierung mit einem Wachstum von 4,8 Prozent, einer Inflationsrate von 1,1 Prozent und einem Defizit von 3,5 Prozent des BIP. Vier Arbeitslinien prägen 2026:

  1. Wirtschaft konsolidieren: private Investitionen anreizen (nationale und ausländische), Investitionscharta umsetzen, öffentlich-private Partnerschaften ausbauen, Angebot für grünen Wasserstoff entwickeln. Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen erhalten technische Begleitung und Finanzierung.
  2. Territoriale Programme: regionale Stärken nutzen, fortgeschrittene Regionalisierung vertiefen, besonders benachteiligte Gebiete (u. a. Bergregionen, Oasen) priorisieren, Küstenraum nachhaltig entwickeln, ländliche Zentren modernisieren.
  3. Sozialstaat festigen: Sozialschutz ausweiten, Direktbeihilfen für rund vier Millionen Haushalte weiter umsetzen; monatliche Kinderbeihilfen (50–100 Dirham für die ersten drei Kinder) anheben; Unterstützung für Waisen und von Einrichtungen betreute Kinder; Eintritt in Rentenregime verbreitern und Arbeitslosenunterstützung generalisieren; Programm für den Erwerb von Erstwohnungen fortführen.
  4. Strukturreformen und solide Finanzen: Reform der Haushaltsordnung (Ziel- und Ergebnisorientierung), Portfoliosteuerung staatlicher Unternehmen verbessern, Justizsystem modernisieren.

Besonders hervorgehoben werden Gesundheit und Bildung mit einer gemeinsamen Budgetzuteilung von 140 Mrd. Dirham sowie über 27.000 neuen Stellen. Vorgesehen sind u. a. die Inbetriebnahme der Universitätskliniken Agadir und Laâyoune, der Baufortschritt am CHU Ibn Sina (Rabat) sowie Modernisierungsprogramme für 90 Krankenhäuser. Im Bildungsbereich stehen vorschulische Generalisierung und Qualitätsverbesserungen im Vordergrund.

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