Issa Tchiroma verlässt Wohnhaus und ruft zum zivilen Widerstand auf

Nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom 12. Oktober 2025 befindet sich Kamerun in einer angespannten politischen Lage. Der 92-jährige Amtsinhaber Paul Biya wurde mit 53,66 Prozent der Stimmen für eine achte Amtszeit bestätigt. Oppositionsführer Issa Tchiroma Bakary, Kandidat des Front pour le salut national du Cameroun (FSNC), erkennt das Ergebnis nicht an, spricht von „manipulierten Resultaten“ und ruft zu landesweiten Protestaktionen auf.

Tchiroma verlässt seinen Wohnsitz unter dem Schutz des Militärs

Am 31. Oktober teilte Issa Tchiroma in einer kurzen Erklärung mit, dass er sein Haus in Garoua verlassen habe und sich „an einem sicheren Ort“ befinde. Er dankte „der loyalen Armee“ für ihren Schutz und kündigte eine Ansprache an. Nur wenige Stunden später veröffentlichte er einen weiteren Aufruf an die Bevölkerung, in dem er die Ergebnisse der Wahl als „fälschlich proklamiert“ bezeichnete und die Regierung beschuldigte, den „Willen des Volkes konfisziert“ zu haben.

Tchiroma rief die Bevölkerung auf, vom 3. bis 5. November einen dreitägigen landesweiten Stillstand („villes mortes“) zu befolgen. Er forderte die Schließung von Geschäften und den Verzicht auf öffentliche Aktivitäten, um ein Zeichen des zivilen Widerstands zu setzen. „Ein Volk, das die Angst verloren hat, ist unbesiegbar“, schrieb Tchiroma und versprach, „niemals zu verraten“.

Gewalt und Repression nach der Wahlerklärung

Seit der Verkündung der Wahlergebnisse ist es in mehreren Städten, darunter Douala, Yaoundé und Bafoussam, zu schweren Zusammenstößen gekommen. Zeugenaussagen berichten von Schüssen, Massenverhaftungen und überfüllten Haftzentren. Die Regierung weist den Vorwurf des exzessiven Gewalteinsatzes zurück. Lokale Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen berichten dagegen von Dutzenden Toten und zahlreichen Verletzten.

Nach Angaben des Hohen Kommissariats der Vereinten Nationen für Menschenrechte fordern die Vereinten Nationen eine „schnelle, unabhängige und gründliche Untersuchung“ der Ereignisse. Hochkommissar Volker Türk betonte das Recht auf faire Verfahren und die Bedeutung rechtsstaatlicher Standards für alle Festgenommenen.

Auch UN-Generalsekretär António Guterres äußerte sich besorgt über die Lage im Land. Er rief alle politischen Akteure zur Zurückhaltung auf und forderte, Gewalt und Hassrede zu unterlassen. In einer Mitteilung erklärte er: „Die Vereinten Nationen stehen bereit, den Dialogprozess zu unterstützen, um die nationale Einheit zu wahren und Konflikte friedlich zu lösen.“

Biya bleibt im Amt – aber Legitimitätskrise wächst

Wie das britische Think Tank Chatham House analysiert, spiegelt die Wiederwahl Biyas zwar Kontinuität wider, verschärft jedoch die institutionelle Legitimitätskrise. Die geringe Stimmenmehrheit und die starke Unterstützung für Tchiroma zeigen, dass sich die gesellschaftliche Stimmung deutlich verschoben hat. Während Biya laut offiziellen Ergebnissen auch in den anglophonen Regionen des Nordwestens und Südwestens hohe Stimmenanteile erhielt, bezweifeln Beobachter die Glaubwürdigkeit dieser Zahlen. Dort dauern die separatistischen Konflikte seit Jahren an, begleitet von Blockaden und Angriffen.

Die internationale Analyse verweist zudem auf das strukturelle Problem der Nachfolge. Seit über vier Jahrzehnten an der Macht, hat Biya keinen klaren Übergangsmechanismus geschaffen. Die fehlende Planung für eine geordnete Machtübergabe wird zunehmend als Risiko für die Stabilität des Landes gesehen.

Militarisierung und drohende Ausweitung der Krise

Berichten zufolge wurden Truppen aus dem Norden zur Unterstützung der Polizei in die Städte verlegt, um die Demonstrationen einzudämmen. Mindestens vier Zivilpersonen sollen am 26. Oktober bei Protesten getötet worden sein, zwei weitere zwei Tage später vor Tchiromas Haus. Sicherheitsminister Atanga Nji erklärte, der Oppositionskandidat werde „mit aller Härte behandelt werden“.

Analysten warnen, dass die fortschreitende Militarisierung den innerstädtischen Protest mit den langjährigen bewaffneten Konflikten in den Randregionen verknüpfen könnte. Diese Dynamik gefährde nicht nur die öffentliche Ordnung, sondern auch den ohnehin belasteten Sicherheitsapparat, der bereits mit islamistischen Gruppen im Norden und Separatisten im Westen konfrontiert ist.

Aufruf zu Dialog und Rechtsstaatlichkeit

Internationale Partner fordern die kamerunische Regierung auf, die Kommunikation mit der Opposition wieder aufzunehmen und einen inklusiven politischen Dialog zu ermöglichen. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen und mehrere afrikanische Diplomaten betonen die Notwendigkeit, alle Vorwürfe der Wahlmanipulation transparent zu prüfen. Nur ein rechtsstaatliches Vorgehen könne das Vertrauen der Bevölkerung wiederherstellen und eine weitere Eskalation verhindern.

Kamerun steht damit an einem Wendepunkt. Während Paul Biya seinen achten Amtsantritt vorbereitet, ruft sein Herausforderer Issa Tchiroma zu zivilem Widerstand auf. Zwischen einem erstarrten Machtapparat und wachsender öffentlicher Wut droht das Land, in eine neue Phase politischer Instabilität einzutreten.

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