Expertinnen fordern stärkere Strafverfolgung sexueller Kriegsgewalt

Im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe haben internationale Rechtsexpertinnen eine konsequentere strafrechtliche Verfolgung sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten gefordert. Anlass war ein Austausch mit der israelischen Juristin Ruth Halperin-Kaddari und der Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR), Beate Rudolf. Beide wiesen darauf hin, dass sexualisierte Gewalt zunehmend gezielt als Kriegswaffe eingesetzt werde – auch auf dem afrikanischen Kontinent.

Parallelen zu Gewalt in afrikanischen Konfliktregionen

Halperin-Kaddari verwies auf die schleppende Reaktion der internationalen Gemeinschaft nach den sexualisierten Übergriffen der Hamas beim Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem über 1.200 Menschen getötet wurden. Sie kritisierte, dass die Taten zunächst verharmlost oder geleugnet worden seien – selbst durch internationale Organisationen wie UN Women. Erst der Bericht der UN-Sonderberichterstatterin Pramila Patten im März 2024 habe die sexuelle Gewalt als Kriegsverbrechen anerkannt.

Die Juristin zog zugleich Vergleiche zu früheren Fällen in Afrika, wo systematische sexuelle Gewalt seit Jahren dokumentiert wird, etwa:

  • im Kongo, wo Rebellengruppen und Milizen im Osten des Landes gezielt Vergewaltigung als Einschüchterungsinstrument einsetzen,
  • in Nigeria, wo Kämpfer der islamistischen Miliz Boko Haram Frauen und Mädchen entführen und vergewaltigen,
  • und in Regionen des Sudan, wo Janjaweed-Milizen – zuletzt in Darfur – ähnliche Taten verübten, die inzwischen vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verhandelt werden.

Diese Beispiele belegten, so Halperin-Kaddari, dass der Einsatz sexueller Gewalt als strategisches Kriegsinstrument global verbreitet und „in Afrika besonders brutal institutionalisiert“ sei.

Forderung nach internationaler Strafverfolgung

Beate Rudolf betonte, dass Vergewaltigung in bewaffneten Konflikten seit 2001 vom Internationalen Strafgerichtshof als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt ist. Dennoch bleibe die Straflosigkeit in den meisten Fällen bestehen.

Rudolf verwies auf die Verfahren des IStGH zu Darfur und zur Demokratischen Republik Kongo, die gezeigt hätten, dass internationale Justiz grundsätzlich handlungsfähig sei – aber politischer Wille und Beweissicherung entscheidend seien.

„Die Taten in Butscha, im Kongo oder in Darfur unterscheiden sich in Form und Motivation, aber sie eint eines: Sie dienen der Zerstörung ganzer Gemeinschaften“, sagte Rudolf.

Halperin-Kaddari plädierte für einen Paradigmenwechsel: Tätergruppen sollten kollektiv haftbar gemacht werden, wenn sie sexuelle Gewalt systematisch als Kriegsstrategie einsetzen. Das klassische Prinzip der individuellen Tatnachweise erschwere die Ahndung solcher Verbrechen.

Bezug auf deutsche Verantwortung

Auf die Frage, was Deutschland konkret tun könne, forderten die Expertinnen stärkere Unterstützung für internationale Ermittlungsbehörden und eine aktive Rolle bei der Sanktionierung von Tätergruppen. Dazu gehöre auch die konsequente Einstufung von Milizen und Terrororganisationen als Täter sexueller Kriegsgewalt – unabhängig davon, ob sie in Nahost, der Sahelzone oder Zentralafrika agieren.

Rudolf verwies auf das historische Demjanjuk-Urteil von 2011, das erstmals eine strafrechtliche Verurteilung ohne individuellen Tatnachweis ermöglicht hatte. Dieses Prinzip könne auch auf kollektive Kriegsverbrechen in Afrika übertragen werden, etwa bei den Verfahren gegen Milizen im Sudan oder in der Zentralafrikanischen Republik.

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