Im Sudan-Krieg rückt die humanitäre Lage in der norddarfurischen Regionalhauptstadt El Fasher erneut in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit. Nach Angaben der Vereinten Nationen haben Hilfsorganisationen eine grundsätzliche Einigung erzielt, um Zugang zu der seit Oktober von den Rapid Support Forces kontrollierten Stadt zu erhalten. Die Stadt war zuvor mehr als 500 Tage belagert worden, große Teile der verbliebenen Bevölkerung gelten als eingeschlossen. Laut UN-Angaben sind die Lebensgrundlagen vor Ort nahezu vollständig zerstört.
El Fasher nach monatelanger Belagerung weitgehend zerstört
El Fasher, Hauptstadt des Bundesstaates Nord-Darfur, wurde im Oktober 2025 von Kämpfern der paramilitärischen Rapid Support Forces überrannt. Zuvor hatte die Stadt mehr als 500 Tage unter Belagerung gestanden. Seit April 2023 liefern sich die Rapid Support Forces und die sudanesischen Streitkräfte einen landesweiten Krieg um die politische und militärische Kontrolle des Landes.
Nach Einschätzung der Vereinten Nationen hat die Belagerung die Versorgung der Bevölkerung systematisch zum Erliegen gebracht. Ross Smith, Direktor für Notfallvorsorge und Krisenreaktion beim Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, beschrieb die Situation mit deutlichen Worten. „Das Wenige, was derzeit über die aktuellen Bedingungen in El Fasher bekannt ist, ist tatsächlich jenseits des Horrors“, erklärte Smith. Nach UN-Schätzungen seien noch zwischen 70.000 und 100.000 Menschen in der Stadt eingeschlossen.

Bereits während der Belagerung hatten UN-Menschenrechtsexperten davor gewarnt, dass Bewohner gezwungen seien, Erdnussschalen und Tierfutter zu essen. Satellitenbilder deuteten laut UN zudem auf Blutspuren hin, die auf Massenhinrichtungen und ethnisch motivierte Tötungen von Zivilisten schließen lassen.
Zeugenaussagen sprechen von massiven Gräueltaten
Der Informationsfluss aus El Fasher ist weiterhin stark eingeschränkt. Netzabschaltungen haben die Kommunikation mit der verbliebenen Bevölkerung weitgehend unterbrochen. Hilfsorganisationen sind daher auf Berichte von Überlebenden angewiesen, die aus der Stadt fliehen konnten.
„Aussagen von Überlebenden beschreiben die Stadt als einen Tatort mit Massenmorden, mit verbrannten Leichen, mit verlassenen Märkten“, sagte Smith. Diese Berichte decken sich mit früheren Warnungen des UN-Menschenrechtsbüros über systematische Gewalt gegen die Zivilbevölkerung.
Vor diesem Hintergrund fordern humanitäre Organisationen seit Monaten einen ungehinderten Zugang zur Stadt. „Wir fordern und haben weiterhin gefordert, ungehinderten Zugang nach El Fasher zu erhalten, um dringend auf die Bedürfnisse der Menschen zu reagieren, die in der Stadt eingeschlossen sind“, betonte der Vertreter des Welternährungsprogramms.
Grundsatzvereinbarung mit den Rapid Support Forces
Nach jüngsten Gesprächen gibt es nun erstmals Anzeichen für Fortschritte. Nach Angaben von Ross Smith liegt eine grundsätzliche Einigung mit den Rapid Support Forces vor. „Nach meinen Informationen aus Gesprächen von gestern haben wir eine grundsätzliche Einigung mit den Rapid Support Forces über eine Reihe von Mindestbedingungen für den Zugang zur Stadt erzielt“, erklärte er. Hilfsorganisationen rechneten damit, „sehr bald“ erste Erkundungen und Bedarfsanalysen durchführen zu können.

Smith wies darauf hin, dass nach mehr als eineinhalb Jahren Belagerung „die lebensnotwendigen Grundlagen vollständig ausgelöscht“ seien. Eine rasche Bewertung der Lage sei notwendig, um überhaupt planen zu können, welche Hilfe in welchem Umfang möglich ist.
Flucht über verminte Straßen und neue Massenlager
Viele Bewohner El Fashers haben versucht, der Gewalt zu entkommen. Nach Angaben des Welternährungsprogramms riskierten sie dabei ihr Leben. Die Fluchtrouten seien „übersät mit Minen und nicht explodierter Munition“, erklärte Smith.
Ein großer Teil der Geflüchteten erreichte die Stadt Tawila. Diese war früher eine kleine Wüstensiedlung, hat sich inzwischen jedoch zu einem der größten Vertriebenenlager des Landes entwickelt. „Tawila ist heute eine ausgedehnte, massive Siedlung für Binnenvertriebene mit mehr als 650.000 Menschen, was in etwa der Größe von Luxemburg entspricht“, so Smith. Weitere Geflüchtete suchten Schutz in Ad Dabbah im Bundesstaat Nördlicher Sudan.
Sudan: Despite immense challenges, humanitarian workers are delivering life-saving assistance to people who fled violence in El Fasher, North Darfur.@UNOCHA is calling for safe, sustained and unhindered access so aid can reach those who need it most.
— United Nations (@UN) December 10, 2025
pic.twitter.com/Kyr1n34Ojv
Das Welternährungsprogramm teilte mit, dass unterstützte Hilfskonvois bereits auf dem Weg nach Tawila seien. Sie führten Nahrungsmittel mit, die ausreichen sollen, um rund 700.000 Menschen einen Monat lang zu versorgen. „Das sind Familien, die über viele Monate hinweg Hunger und schwere Gräueltaten erlitten haben und nun unter extrem beengten Bedingungen mit minimaler Unterstützung leben“, sagte Smith.
Die Lage in den Lagern ist angespannt. Es fehlt an festen Unterkünften, viele Menschen leben in provisorischen Hütten aus Gras und Stroh. Krankheiten breiten sich aus. „Cholera und Krankheitsausbrüche sind weit verbreitet“, warnte der WFP-Vertreter.
Sudan als größte Vertreibungskrise weltweit
Der Krieg im Sudan hat nach UN-Angaben die größte Vertreibungskrise der Welt ausgelöst. Mehr als zwölf Millionen Menschen sind innerhalb des Landes oder über die Grenzen hinaus geflohen.
Zusätzliche Sorgen bereitet die Sicherheitslage in der benachbarten Region Kordofan. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR berichtete, dass sich die Situation dort seit dem 1. Dezember weiter verschärft habe. Nach schweren Kämpfen über mehrere Tage hätten die Rapid Support Forces einen Stützpunkt der sudanesischen Streitkräfte in Babanusa in West-Kordofan eingenommen.
In Süd-Kordofan seien weiterhin Zivilisten in belagerten Städten wie Kadugli und Dilling eingeschlossen. „Während Frauen, Kinder und ältere Menschen Wege zur Flucht finden, bleiben Männer und Jugendliche häufig zurück, da sie entlang der Fluchtrouten besonderen Risiken ausgesetzt sind, etwa Festnahmen durch bewaffnete Gruppen wegen vermeintlicher Nähe zu Konfliktparteien“, erklärte UNHCR.
Nach aktuellen Daten sind seit dem 18. November mehr als 40.000 Menschen aus Nord-Kordofan vertrieben worden. UNHCR betonte, dass Hilfsmaßnahmen zwar liefen, der Zugang jedoch schwierig bleibe und die verfügbaren Ressourcen „kritisch niedrig“ seien.