Die Abgeordneten des togolesischen Parlaments sind am 2. Dezember in Lomé zu einem Kongress zusammengekommen, um die Ansprache des Präsidenten des Rates, Faure Gnassingbé, zur Lage der Nation zu hören. Der Redner nutzte den verfassungsrechtlich vorgesehenen Termin, um die politischen, institutionellen und strategischen Leitlinien des neuen Regimes der Fünften Republik zu skizzieren. Laut Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur ATOP stellte er die Reform ausdrücklich als „historischen Wendepunkt“ hin zu einem modernisierten parlamentarischen System dar.
Parallel dazu meldete sich die Opposition zu Wort. Die Oppositionspolitikerin Brigitte Adjamagbo-Johnson kritisierte den Ablauf der Sitzung und sprach von einem demokratischen Defizit, da auf die institutionelle Rede kein parlamentarischer Schlagabtausch folgte.
Neuer institutioneller Rahmen der Fünften Republik

Im Zentrum der Ansprache stand die neue Verfassungsordnung der Fünften Republik, die nun auf einem „modernisierten parlamentarischen Regime“ beruht. Faure Gnassingbé präsentierte die Reform nicht als rein technische Anpassung, sondern als grundlegende Neuausrichtung des politischen Systems. Ziel sei es, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu vertiefen und die öffentliche Hand näher an die Bürgerinnen und Bürger heranzuführen.
Der Präsident des Rates betonte die zentrale Rolle des Parlaments in der politischen Architektur: Die Nationalversammlung sei der Ort, „an dem die Politik der Nation bestimmt wird“. Er forderte Mehrheit und Opposition auf, ihre institutionelle Verantwortung im Rahmen dieses Systems wahrzunehmen. Die parlamentarische Mehrheit trage gemeinsam mit ihm die Verantwortung für das Regierungshandeln, die Opposition habe die Aufgabe der Kontrolle und der inhaltlichen Vorschläge. Beide Seiten, so seine Formulierung, seien „Artisanen des demokratischen Pakts“, der den Wandel tragen solle.
Drei Leitachsen: schützen, bündeln, transformieren
Die Regierungslinie fasste Faure Gnassingbé in drei Handlungsachsen zusammen: schützen, rassembler, transformer – schützen, raffen, transformieren.
Unter dem Aspekt „schützen“ verortete er die Sicherheit der Bevölkerung, die Souveränität des Staates und die außenpolitische Handlungsfähigkeit Togos. Angesichts der regionalen Bedrohungslage, insbesondere im Norden des Landes, kündigte er die Fortsetzung einer umfassenden Sicherheitsstrategie an. Diese verbinde Prävention, Stärkung der Resilienz lokaler Gemeinschaften und den Ausbau der Verteidigungsfähigkeiten.
Der zweite Schwerpunkt „bündeln“ umfasst aus seiner Sicht die republikanische Konsolidierung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Dezentralisierung. Hier verwies er auf die Notwendigkeit, nationale Kohäsion zu stärken und regionale wie kommunale Ebenen stärker einzubinden.
Mit „transfomieren“ schließlich knüpfte der Präsident des Rates an wirtschaftliche und soziale Prioritäten an. Die Transformation solle sich auf Entwicklung, Modernisierung und die Anpassung des Landes an internationale Rahmenbedingungen richten.
Sicherheit, Diplomatie und panafrikanische Orientierung

Im sicherheitspolitischen Teil der Rede verwies Faure Gnassingbé auf die anhaltenden Bedrohungen im Sahel und in den Grenzregionen. Die Sicherheitsstrategie Togos sei so angelegt, dass sie nicht nur militärische Antworten gebe, sondern auch soziale und institutionelle Faktoren berücksichtige. Prävention und die Einbindung der Bevölkerung in betroffenen Regionen wurden als Bestandteile dieser „globalen“ Sicherheitsarchitektur hervorgehoben.
In der Außenpolitik stellte der Präsident des Rates eine „Diplomatie der Stabilität, des Einflusses und der Kooperation“ in Aussicht. Er verwies auf eine Ausrichtung, die panafrikanische Positionierungen, regionale Integration und die Einbindung der Diaspora verbindet. Die Regierung wolle Partnerschaften ausbauen, die auf wechselseitigem Nutzen beruhen und zugleich den Anspruch eines „modernen Panafrikanismus“ widerspiegeln.
Dezentralisierung, Gerechtigkeit und institutionelle Reformen
Politisch und territorial stellte Faure Gnassingbé die Dezentralisierung in den Mittelpunkt. Regionale und kommunale Gebietskörperschaften sollen nach seinen Worten zu „echten Entscheidungs- und Entwicklungszentren“ werden. Die zentrale Verwaltung soll dabei schrittweise entlastet und die Nähe zu lokalen Realitäten gestärkt werden.
Im Bereich der Justiz kündigte er Modernisierungsschritte sowie Maßnahmen gegen Korruption an. Die Regierung setze auf einen verbesserten Zugang zu Rechten und eine funktionsfähige, rechtsstaatlich verankerte Gerichtsbarkeit. Im Zusammenhang damit erwähnte er Überlegungen zu gezielten Gnadenmaßnahmen. Diese könnten sich auf Gefangene am Ende ihrer Haftzeit, schwer erkrankte Personen oder Verurteilungen wegen minderschwerer Delikte beziehen. Schwere Verbrechen schloss er aus diesem Rahmen ausdrücklich aus.
Die künftige Regierungsführung soll nach seinen Ausführungen stärker ergebnisorientiert ausgerichtet sein. Jedes Ressort werde auf der Grundlage präziser Zielvorgaben bewertet. Ein Regierungs-Dashboard soll die Umsetzung der Verpflichtungen gegenüber dem Parlament abbilden und regelmäßige Berichte ermöglichen.
Ökonomische und soziale Prioritäten in einem schwierigen Kontext
Trotz eines aus seiner Sicht schwierigen internationalen Umfelds hob Faure Gnassingbé die „Resilienz der togolesischen Wirtschaft“ hervor. Er nannte eine Reihe von Sektoren, in denen die Regierung die Anstrengungen verstärken will: Verkehrsinfrastruktur, Landwirtschaft, Logistik, Energiewende, digitale Wirtschaft und Stärkung des Humankapitals.
Fidèle à la tradition républicaine, le Président du Conseil, @FEGnassingbe, a solennellement présenté, ce mardi 2 décembre 2025, l’état de la Nation devant le Parlement réuni en Congrès.
— Présidence du Conseil du Togo (@presidencecstg) December 3, 2025
Dans un hémicycle attentif et chargé d’attentes, il a tracé les orientations fondamentales… pic.twitter.com/sRmXWNAwhR
Im Agrarsektor sollen Produktivität und Wertschöpfung erhöht werden. Die Logistik – insbesondere angesichts der Lage Togos als Transitland – versteht die Regierung als Hebel für regionalen Handel und Investitionen. Im Energiebereich verwies der Präsident des Rates auf die Notwendigkeit eines schrittweisen Ausbaus der Versorgung und der Nutzung erneuerbarer Ressourcen. Der digitale Sektor und die Ausbildung seien aus seiner Sicht zentrale Faktoren, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und die Erwerbschancen zu verbessern.
Kritik an Form und Inhalt des Parlamentskongresses

Unmittelbar nach der Rede meldete sich die Opposition zu Wort. Brigitte Adjamagbo-Johnson, eine profilierte Kritikerin des Regimes, stellte in einer schriftlichen Erklärung die demokratische Qualität des Verfahrens infrage. Aus ihrer Sicht entspricht das aktuelle institutionelle Gefüge nicht den Standards einer parlamentarischen Demokratie.
„In einer Demokratie, die diesen Namen verdient, eröffnet eine Rede zur Lage der Nation eine Debatte“, hielt sie fest. Das Parlament müsse nach ihrer Auffassung hinterfragen, prüfen und konfrontieren. Stattdessen habe es weder Fragen noch Widerspruch, sondern ausschließlich eine „von oben nach unten“ gerichtete Ansprache gegeben, vor einer „tetanisierten“ Volksvertretung.
Adjamagbo-Johnson erklärte, sie habe der Sitzung bewusst ferngeblieben – aus Kenntnis des Regimes und aus Solidarität mit jenen Togolesinnen und Togolesen, die die Fünfte Republik ablehnen. Sie sprach von einem „stummen Plenarsaal“ als Warnsignal und formulierte die Sorge, dass Demokratie dort zurückweiche, wo Parlamente schweigen.
Streit um demokratische Kontrolle und Verfassungsreform
Die Oppositionspolitikerin betonte, eine Rede zur Lage der Nation dürfe nicht zu einem rein zeremoniellen Akt werden, der vor einem „gehorsamen“ Publikum stattfinde. Für sie markiert ein solcher Auftritt den Ausgangspunkt republikansicher Kontrolle. Diese Aufgabe, so kündigte sie an, werde man weiterhin einfordern – mit Beständigkeit, mit strenger Haltung und „im Namen des togolesischen Volkes“.
Die unterschiedlichen Reaktionen spiegeln einen politischen Kontext, der von Auseinandersetzungen um die Verfassungsreform und die Einführung der Fünften Republik geprägt ist. Während der Präsident des Rates diese als modernisierte parlamentarische Ordnung beschreibt, sehen oppositionelle Akteure darin einen Rückschritt. In der Erklärung wird auf eine öffentliche Stimmung verwiesen, die diese Reform überwiegend ablehne und als Einschränkung demokratischer Spielräume interpretiere.