Wird Spanien den algerischen Senator Abdelkader Djedei ausliefern?

Die Menschenrechtsorganisation SHOAA for Human Rights, mit Sitz in London, hat in einer Erklärung vor einer „besorgniserregenden Eskalation“ im Fall des algerischen Senators Abdelkader Djedei gewarnt. Der Parlamentarier aus der Wilaya Ouargla, Mitglied des algerischen Nationalrats (Conseil de la Nation), sieht sich in Spanien mit einem Auslieferungsantrag der algerischen Behörden konfrontiert. SHOAA spricht von einem „politisch motivierten Verfahren“ und fordert die spanischen Behörden auf, die Auslieferung abzulehnen.

Ein Parlamentarier im Exil

Djedei, der 2019 in den algerischen Senat gewählt wurde, verließ das Land Berichten zufolge auf einem Boot von „Harragas“ – irregulären Migranten, um einer drohenden Verhaftung zu entkommen. Hintergrund sind Ermittlungen und eine Verurteilung wegen angeblicher „Störung der öffentlichen Ordnung“ und „Beleidigung staatlicher Institutionen“, die SHOAA als „willkürlich und repressiv“ bezeichnet. Dieser Fall erinnert an den kürzlich geflohenen Geheimdienstchef Abdelkader Haddad.

Der Konflikt mit der Justiz begann nach einer Parlamentsdebatte im Dezember 2019, bei der Djedei öffentlich die ungleiche Entwicklung zwischen Nord- und Südalgerienmangelnde Transparenz in der Energiepolitik sowie die fehlende Beteiligung der lokalen Bevölkerung an Entscheidungen über Schiefergasförderung und Umweltschutz kritisiert hatte. Diese Aussagen, so die NGO, fielen unter die verfassungsrechtlich garantierte Meinungsfreiheit und seine parlamentarische Immunität.

Eine umstrittene Aufhebung der Immunität

Im November 2023 entschied die algerische Verfassungsgerichtsbarkeit, Djedeis Immunität aufzuheben – ohne Anhörung des Betroffenen und ohne öffentliche Abstimmung im Senat, wie es die Geschäftsordnung vorsieht. SHOAA bezeichnete diese Entscheidung als „verfassungswidrig“ und als „schwere Verletzung der Unabhängigkeit des Gesetzgebers“.

Nur wenige Tage nach der Entscheidung erließ das Gericht von Touggourt ein Ausreiseverbot gegen den Senator. Im Februar 2024 wurde er zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe von 500.000 Dinar verurteilt. Die Anklage lautete auf „Beleidigung einer Behörde“, „Schädigung des nationalen Interesses“ und „Störung der öffentlichen Ordnung“.

Nach Angaben von SHOAA stehen diese Vorwürfe exemplarisch für die Kriminalisierung politischer Meinungsäußerungen in Algerien.

Der internationale Aspekt: Spaniens Entscheidung am 3. November

Im Oktober 2025 erhielt Djedei eine Vorladung der spanischen Audiencia Nacional, die über den von Algerien eingereichten Auslieferungsantrag entscheiden wird. Die Anhörung ist für den 3. November 2025 im Gericht von El Campello (Provinz Alicante) angesetzt.

Die NGO warnt, dass eine Auslieferung Djedeis an Algerien „sein Leben und seine Freiheit gefährden“ würde und gegen das Völkerrechtliche Prinzip der Nichtauslieferung aus politischen Gründen (Art. 3 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und Art. 13 des ICCPR) verstoße. SHOAA appelliert an die spanische Justiz, „dem Druck Algeriens nicht nachzugeben“ und die Rechte des Senators auf Asyl und Schutz vor Verfolgung zu gewährleisten.

Ein Prüfstein für Algeriens internationale Verpflichtungen

Am 23. Oktober 2025 reagierte auch die Interparlamentarische Union (IPU) in Genf: Der Governing Council nahm einstimmig eine von SHOAA eingereichte Beschwerde an und setzte Algerien auf die sogenannte „Yellow List“ – eine Beobachtungsliste für Staaten, in denen Parlamentsmitglieder wegen politischer Äußerungen verfolgt werden.

In ihrer Entscheidung äußerte die IPU-Kommission für die Rechte von Parlamentariern „tiefe Besorgnis über die unverhältnismäßige Strafe“ und betonte, dass Djedeis Äußerungen „keine Beleidigungen, sondern legitime politische Kritik“ darstellten. Die Kommission forderte die algerische Regierung auf, sämtliche Verfahren einzustellen und die Meinungsfreiheit aller Abgeordneten des Staatsrats zu gewährleisten.

IPU: Anhörungen in Genf und Madrid

Vor der IPU-Sitzung am 19. Oktober 2025 legten Senator Djedei und Rachid Aouine, Direktor von SHOAA, einen Bericht über die Verfassungs- und Verfahrensverstöße im Fall Djedei vor. Am 21. Oktober nahm auch eine offizielle algerische Delegation an einer Anhörung teil und verteidigte das Vorgehen der Justizbehörden – ohne jedoch die politischen Hintergründe des Falls überzeugend zu entkräften, so Beobachter in Genf.

Parallel dazu bereitet sich die spanische Justiz auf die Anhörung zur algerischen Auslieferungsanfrage vor. SHOAA sieht darin eine gefährliche Ausweitung der Repression jenseits der Landesgrenzen:

„Diese Auslieferung wäre ein alarmierendes Signal – sie würde zeigen, dass Dissens selbst im Exil nicht sicher ist“, erklärte die Organisation.

In ihrem Bericht fordert SHOAA die algerische Regierung auf, die Verurteilung aufzuheben, die Ermittlungen einzustellen und Djedeis Sicherheit sowie die seiner Familie zu gewährleisten. Das Verfahren zeige, so die Organisation, wie die Justiz zunehmend als politisches Instrument eingesetzt wird, um kritische Stimmen im Parlament und in der Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen.

Die NGO sieht in diesem Fall einen Test für die internationale Glaubwürdigkeit Algeriens in Fragen der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und parlamentarischen Unabhängigkeit.

Verwandte Beiträge
Total
0
Share