Die Entscheidung der US-Regierung, die US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) zu schließen, hat weitreichende Konsequenzen für zahlreiche Entwicklungsländer, insbesondere in Afrika. USAID war jahrzehntelang einer der größten bilateralen Geber weltweit und hat in Bereichen wie Gesundheitsversorgung, Landwirtschaft, Bildung und demokratische Strukturen entscheidende Beiträge geleistet. Die abrupt beendete Finanzierung stellt nicht nur afrikanische Staaten vor enorme Herausforderungen, sondern zwingt auch Europa – insbesondere Deutschland – zu einer Neuausrichtung der Entwicklungspolitik.
Das Aus von USAID: Erwartete Folgen für afrikanische Länder
Gesundheitsversorgung und humanitäre Hilfe
USAID hat eine zentrale Rolle in der Gesundheitsförderung Afrikas gespielt, insbesondere durch Programme wie PEPFAR, das Millionen von HIV-Infizierten mit lebensnotwendigen Medikamenten versorgt hat. Die Schließung der Behörde gefährdet die Versorgung mit antiretroviralen Therapien (ARVs) und könnte steigende HIV-Infektionsraten sowie Todesfälle zur Folge haben. Berichte deuten darauf hin, dass HIV-Kliniken in mehreren Ländern bereits mit Versorgungsengpässen kämpfen. Zudem stehen Impfkampagnen, Tuberkulose- und Malariabekämpfungsprogramme vor der Einstellung, was langfristige Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben könnte. Der kommissarische Leiter der USAID Außenminister Marco Rubio erklärte, dass bereits gekaufte Medikamente noch ausgeliefert werden würden.
Wirtschaftliche und landwirtschaftliche Auswirkungen
Die Unterstützung von USAID für landwirtschaftliche Entwicklungsprogramme hat die Lebensgrundlage von Millionen Menschen gesichert. Durch innovative Anbaumethoden, Marktzugang und finanzielle Unterstützung hat USAID erheblich zur Ernährungssicherheit beigetragen. Mit dem Wegfall dieser Mittel drohen Ernteausfälle, steigende Lebensmittelpreise und wachsende Ernährungsunsicherheit. Dies könnte insbesondere in ländlichen Gebieten zu verstärkter Armut und Migration führen.
Demokratie und Zivilgesellschaft
USAID war ein wichtiger Förderer demokratischer Strukturen und zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und freie Wahlen einsetzen. Ohne diese Unterstützung könnten autoritäre Regierungen gestärkt und demokratische Reformprozesse behindert werden. Viele Beobachter befürchten eine zunehmende Einschränkung der Meinungsfreiheit und eine Verschärfung politischer Repressionen in einigen afrikanischen Ländern.
Bildung und Infrastruktur
Bildungsprogramme, darunter Initiativen zur Förderung von Mädchenbildung und Schulverpflegung, könnten durch die fehlende Finanzierung zum Erliegen kommen. Dies hätte nicht nur direkte Auswirkungen auf Millionen von Schülern, sondern würde langfristig die wirtschaftliche Entwicklung behindern, da ein schlechterer Zugang zu Bildung die Chancen auf bessere Arbeitsmöglichkeiten verringert. Auch Infrastrukturprojekte, die durch USAID gefördert wurden, beispielsweise der Bau von Schulen oder Gesundheitszentren, stehen vor dem Stillstand.
Steigende Abhängigkeit von anderen Gebern
Da USAID als Finanzierungsquelle wegfällt, könnten sich afrikanische Staaten verstärkt alternativen Gebern wie China zuwenden. Dies würde nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Abhängigkeiten neu definieren. Kritiker befürchten, dass dies zu einer stärkeren Einflussnahme autoritärer Staaten führen könnte und langfristig die außenpolitische Dynamik in Afrika verändern wird.
Auswirkungen auf die europäische Entwicklungspolitik, insbesondere Deutschlands Rolle
Wachsende Verantwortung für europäische Geberländer
Die Schließung von USAID setzt europäische Geberländer unter enormen Druck. Deutschland, das bereits einer der größten Geber für Entwicklungshilfe ist, könnte gezwungen sein, seine Hilfsleistungen weiter auszubauen. Allerdings sind die finanziellen Kapazitäten begrenzt, insbesondere angesichts interner wirtschaftlicher Herausforderungen. Auch andere europäische Länder könnten stärker gefordert sein, die entstandenen Finanzierungslücken zu schließen.
„Sollte USAID tatsächlich wegfallen, wäre das eine Zäsur. Die Lücke können wir nicht füllen, aber wir müssen besonnen reagieren: mehr internationale Zusammenarbeit, um erreichte Fortschritte zu bewahren – z.B. bei Impfungen & Kindersterblichkeit.“ 👉 https://t.co/wsRYVD7f11 pic.twitter.com/FrUy59ultc
— Bundesentwicklungsministerium (@BMZ_Bund) February 8, 2025
Strategische Neuausrichtung der Entwicklungspolitik
Der Rückzug der USA aus der Entwicklungszusammenarbeit könnte Deutschland und die EU dazu veranlassen, ihre entwicklungspolitischen Prioritäten neu zu überdenken. Eine stärkere Fokussierung auf nachhaltige Projekte, regionale Partnerschaften und eine engere Zusammenarbeit mit afrikanischen Institutionen könnte erforderlich sein. Dabei müssen jedoch auch geopolitische Interessen berücksichtigt werden, da die Lücke, die die USA hinterlassen, von anderen Mächten gefüllt werden könnte.
Herausforderungen für NGOs und Hilfsorganisationen
Viele deutsche und europäische NGOs haben in der Vergangenheit erhebliche Fördermittel von USAID erhalten. Mit dem Wegfall dieser Unterstützung stehen viele Organisationen vor existenziellen Herausforderungen. Es könnte notwendig werden, neue Finanzierungsquellen zu erschließen, sei es durch verstärkte EU-Förderungen, nationale Entwicklungsbanken oder private Geldgeber.
Geopolitische Verschiebungen und neue Allianzen
Die USA haben durch USAID nicht nur Entwicklungshilfe geleistet, sondern auch ihre geopolitischen Interessen in Afrika verfolgt. Der Rückzug könnte das Kräfteverhältnis auf dem Kontinent verändern. Deutschland und die EU könnten stärker in diplomatische Prozesse eingebunden werden und neue Allianzen schmieden müssen, um ihre entwicklungspolitischen Ziele zu sichern.
Politische Reaktionen in Deutschland
Der deutsche Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth hat sich deutlich zur Schließung von USAID geäußert und deren Auswirkungen als gravierend bezeichnet:

„Die neue US-Regierung macht mit der Demontage von USAID nicht nur den Rest der Welt ärmer, sondern auch sich selbst. Der Rückzug des weltweit größten bilateralen Gebers reißt riesige Lücken, die Deutschland und die EU nicht füllen können. Das ist ein Schock, mit dem wir umgehen müssen – und zwar nicht in Schockstarre, sondern mit Teamwork, gerade innerhalb der Europäischen Union.“
Deutschland wird daher verstärkt auf multilaterale Zusammenarbeit setzen müssen, um die Herausforderungen im Bereich Ernährungssicherheit, globale Gesundheit und humanitäre Hilfe zu bewältigen. Ob die EU und Deutschland die entstandene Lücke vollständig schließen können, bleibt jedoch fraglich.