Überweisungen der Diaspora übertreffen Entwicklungsgelder

Afrikanische Länder richten ihren Blick zunehmend auf die eigene Diaspora, um soziale Entwicklung zu fördern und Krisenresilienz zu stärken. Bei einer hochrangigen Sitzung in Doha unter dem Titel „Erschließung des Potenzials von Überweisungen der Diaspora für die soziale Entwicklung in Afrika“ stellten Regierungsvertreter und internationale Experten Strategien vor, um Rücküberweisungen in produktive Entwicklungsinvestitionen zu verwandeln.

Die Veranstaltung wurde von den Regierungen Ghanas und Tunesiens in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Afrika (UNECA) organisiert.

Rücküberweisungen als unterschätzte Entwicklungsquelle

In ihrer Eröffnungsrede betonte Hanan Morsy, stellvertretende Exekutivsekretärin der UNECA, die wirtschaftliche Bedeutung der weltweiten Diaspora. Bei 324 Millionen Migrantinnen und Migranten, die fast 10 Prozent des globalen BIP erwirtschaften, liege das Potenzial auf der Hand. Trotz multipler Krisen – von der Pandemie über Klimawandel bis hin zu globaler Instabilität – hätten sich die Rücküberweisungen als bemerkenswert stabil erwiesen.

„Es ist an der Zeit, diese Finanzströme über den Konsum hinaus in nationale Entwicklungsstrategien zu integrieren“, so Morsy. Rücküberweisungen sollten gezielt für Armutsbekämpfung, Beschäftigung und soziale Entwicklung genutzt werden.

Ghana und Tunesien: konkrete Ansätze zur Integration von Diaspora-Kapital

Ghanas Ministerin für Geschlechter, Kinder und Sozialschutz, Agnes Naa Momo Lartey, erklärte, dass die im Jahr 2023 verzeichneten 4,7 Milliarden US-Dollar an Rücküberweisungen inzwischen die offizielle Entwicklungshilfe übersteigen und vollständig in den nationalen Entwicklungsplan integriert seien.

Diese Mittel würden gezielt in Bildung, Jugendförderung, Unternehmertum und lokale Infrastruktur gelenkt. Unter anderem finanzieren Diaspora-Beiträge den Aufbau von Laboren für Naturwissenschaften und digitalen Kompetenzen.

Die ghanaische Planungsbehörde, vertreten durch Audrey Smock Amoah, betonte, dass Migration inzwischen in der Planung aller 261 lokalen Regierungen berücksichtigt werde, um Rücküberweisungen mit nationalen Beschäftigungszielen zu verbinden.

In Tunesien, wo Rücküberweisungen 6,5 Prozent des BIP ausmachen, arbeitet das Ministerium für Wirtschaft und Planung mit UNECA an einer nationalen Diaspora-Strategie. Geplant sind ein Diaspora-Investmentfonds und neue Finanzprodukte, um Kapital in nachhaltige Projekte zu lenken.

In den Komoren, wo Rücküberweisungen 20 Prozent des BIP ausmachen, soll ein Diaspora Stability Fund eingerichtet werden, um Gelder systematisch in lokale Entwicklungsinitiativen zu investieren.

Die Diaspora als „32. Region“ Afrikas

Die Diskussionen machten deutlich, dass der Beitrag der Diaspora weit über finanzielle Mittel hinausgeht. Der Vertreter der Elfenbeinküste, Kouame Goli, bezeichnete die Auslandsgemeinschaft seines Landes als „32. Region“, die allein 2024 über 1 Milliarde US-Dollar überwiesen habe. Die Regierung kartiere derzeit Fachkräfte im Ausland, um sie in Schlüsselbranchen wie Luftfahrt und Technologie für Innovationsprojekte zu gewinnen.

Laut Pär Liljert von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sei das Wachstum der Rücküberweisungen während der Pandemie um 16,4 Prozent gestiegen. Er forderte eine Formaliserung der Geldflüsse, die Einbindung der Diaspora in nationale Entwicklungsplanung und den Ausbau von Partnerschaften mit dem Privatsektor, um Überweisungskosten zu senken.

Handlungsempfehlungen und Zukunftsperspektiven

Zum Abschluss formulierten die Teilnehmenden zentrale Empfehlungen:

  1. Integration von Rücküberweisungen in nationale Finanz- und Entwicklungsstrategien.
  2. Senkung der Transferkosten durch verbesserte Regulierungen.
  3. Entwicklung innovativer Finanzprodukte wie Diaspora-Anleihen und grüne Investitionsfonds.
  4. Investitionen in Bildung, digitale Kompetenzen und Unternehmertum, insbesondere für Frauen und Jugendliche.
  5. Stärkung der Kooperation zwischen Regierungen, Diaspora-Organisationen und Privatwirtschaft.
  6. Verbesserung der Datenerhebung, um Beiträge der Diaspora besser zu erfassen und zu steuern.

Nach UNECA-Schätzungen belaufen sich die jährlichen Ersparnisse der afrikanischen Diaspora auf rund 53 Milliarden US-Dollar. Diese Mittel gezielt in Entwicklungsprozesse zu lenken, könne den Kontinent auf den Weg zu größerer wirtschaftlicher Eigenständigkeit und sozialer Stabilität führen.

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