M23-Offensive in Süd-Kivu: Uvira fällt, Region zwischen DR Kongo, Burundi und Ruanda unter Druck

Uvira, 10. Dezember 2025. Der bewaffnete Zusammenschluss AFC/M23 hat in wenigen Tagen zentrale Orte im Osten der Demokratischen Republik Kongo eingenommen, darunter die Stadt Uvira im Süd-Kivu. Gleichzeitig fliehen Tausende Menschen über die Grenze nach Burundi, während sich burundische Truppen aus dem Gebiet zurückziehen. Die Entwicklungen belasten die ohnehin angespannte Lage zwischen Kinshasa, Kigali und Gitega zusätzlich und stellen die Umsetzung der jüngst in Washington unterzeichneten Friedensabkommen auf eine harte Probe.

Uvira ohne Gegenwehr eingenommen

In der Nacht vom 9. auf den 10. Dezember 2025 ist Uvira ohne nennenswerte Gegenwehr unter die Kontrolle des M23 geraten. Kämpfer des M23 seien gleichzeitig in mehrere strategische Viertel eingerückt, darunter das Handelszentrum von Mulongwe, den Stadtteil Kasenga, die Zone Kavimvira sowie den Grenzposten zum Burundi. Mit dem Fall von Uvira kontrolliert die M23 die gesamte Landgrenze zwischen Burundi und der DR Kongo.

Kurz vor dem Einmarsch hätten die meisten loyalen Kräfte, die Streitkräfte der DR Kongo (FARDC) und die mit ihnen verbündeten Wazalendo, ihre Stellungen aufgegeben. Beobachtet worden seien Rückzugsbewegungen in Richtung Kalemie über den Hafen von Kalundu, in den Raum Fizi sowie über die Grenze nach Burundi.

Für zusätzliche Irritation sorgt, dass sich nach Angaben von Einwohnern zum Zeitpunkt des Rückzugs mehr als 80 Wazalendo-Generäle, zwei höhere FARDC-Offiziere sowie zwei burundische Obersten in der Stadt aufgehalten haben sollen. In der lokalen Bevölkerung wächst die Frage, wie eine stark militarisierte Stadt ohne Kampfhandlungen fallen konnte. Erinnerungen an frühere Fälle, etwa in Goma und Bukavu, werden wach, ohne dass die Verantwortlichkeiten bisher geklärt sind.

Fall von Sange und Verschiebung der Frontlinien

Bereits am 9. Dezember hatten Medien gemeldet, dass die Ortschaft Sange im Territorium Uvira nach schweren Gefechten mit den FARDC an den AFC/M23 gefallen ist. Gleichzeitig sei das strategische Militärlager Kabunambo eingenommen worden. Der M23 kontrolliert demnach inzwischen Katogota, Luvungi, Lubarika, Mitimbili, Bwegera, Mutarule und Sange und rückte von dort etwa 25 Kilometer an Uvira heran.

Parallel dazu werden auch aus dem Territorium Masisi im Nord-Kivu neue Gefechte gemeldet. In Bitongi, nahe Kalembe, lieferten sich nach lokalen Berichten Wazalendo-Milizen und Kämpfer des AFC/M23 am 10. Dezember heftige Gefechte. Explosionen und Schüsse hätten in der Umgebung zu Fluchtbewegungen in Richtung Kalembe und in die umliegende Buschlandschaft geführt.

Burundische Truppen ziehen sich zurück und sichern Grenze

Mit der M23-Offensive verändert sich auch die Präsenz burundischer Truppen im Süd-Kivu. Die Force de défense nationale du Burundi (FDNB), seit 2023 mit mehr als 10.000 Soldaten zur Unterstützung der FARDC und der Wazalendo im Einsatz, hat nach Angaben aus Militärkreisen den Rückzug aus Höhenlagen über der Region eingeleitet.

Soldaten seien in Muramvya, Kamidoki, Point Zéro und Murambi gesichtet worden, wo sie den Rückweg nach Burundi angetreten hätten. Grundlage sei eine Entscheidung, die in einer Sitzung unter Leitung des Generalstabschefs Prime Niyongabo getroffen worden sei. Ziel sei es, die Truppen entlang der Grenze neu zu positionieren, um eine mögliche Ausweitung der Kampfhandlungen auf burundisches Territorium zu verhindern.

An der Grenze, insbesondere am Rusizi-Fluss und der Brücke von Kaburantwa, mischen sich Rückzüge militärischer Akteure mit Bewegungen ziviler Flüchtlinge. Burundische Kräfte entwaffnen nach diesen Berichten systematisch FARDC-Soldaten und Wazalendo-Milizionäre, die auf burundischen Boden gelangen. Auch Vertreter der lokalen Verwaltung aus Uvira sollen Richtung Gatumba ausgewichen sein.

Flucht nach Burundi und humanitäre Notlage

Die Gewalt in Süd-Kivu treibt nach Angaben verschiedener Quellen Tausende Menschen über die Grenze. In der Nacht zu Montag hätten nach burundischen Berichten zahlreiche kongolesische Familien die Grenze bei Kaburantwa in der Zone Buganda, Provinz Bujumbura, überschritten. Sie berichten von schweren Bombardierungen und Zerstörungen in Ortschaften wie Luvungi, Bwegera, Luberizi, Mutarule und Sange.

Viele der Geflüchteten seien zunächst in lokalen Haushalten, Kirchen und Schulen untergebracht worden. Gleichzeitig sei ein neuer Transitsite in Kansega in der Zone Ndava eingerichtet worden, wo die Bedingungen jedoch als äußerst prekär beschrieben werden. Unterkünfte fehlten weitgehend, medizinische Versorgung sei kaum vorhanden, und es mangele an sauberem Trinkwasser. Hilfsorganisationen warnen vor einem erhöhten Risiko von Cholera und anderen Epidemien.

Der burundische Innenminister Léonidas Ndaruzaniye hat den Angaben zufolge den betroffenen Grenzraum besucht. Er erklärte, die Regierung arbeite gemeinsam mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und weiteren Organisationen an kurzfristigen Lösungen für Unterbringung, Nahrungsmittelversorgung und gesundheitliche Unterstützung, wies aber zugleich auf die begrenzten Aufnahmekapazitäten hin.

Der UN-Koordinationsstab für humanitäre Angelegenheiten OCHA meldet für den Zeitraum vom 2. bis 7. Dezember mindestens 74 Tote, überwiegend Zivilpersonen, sowie 83 Verletzte in den Krankenhäusern von Sange und Walungu. Bruno Lemarquis, humanitärer Koordinator der Vereinten Nationen in der DR Kongo, berichtet von »Angriffen auf zivile Infrastruktur, einschließlich Schulen« und spricht von einer »schweren Verletzung des humanitären Völkerrechts«.

Burundi und Ruanda im gegenseitigen Verdacht

Die territorialen Verschiebungen im Süd-Kivu verschärfen die Spannungen zwischen den Nachbarstaaten. Der burundische Außenminister Edouard Bizimana warf Ruanda in einer Ansprache vor Diplomaten vor, seine militärische Präsenz im Süd-Kivu verstärkt und zusätzliche Truppen an der Grenze zu Burundi stationiert zu haben. Zudem sprach er von Angriffen auf burundische Positionen in der Rusizi-Ebene und sogar von Angriffen auf burundischem Territorium. Bizimana nannte die Zahl von mehr als 8.000 ruandischen Soldaten, die in den Süd-Kivu verlegt worden sein sollen, und verwies auf den mutmaßlichen Einsatz von Kamikaze-Drohnen gegen Zivilisten. Belege dafür legte er nicht vor.

Internationale Kritik an M23-Offensive und ruandischer Rolle

Der Internationale Kontaktgruppe für die Großen Seen (International Contact Group for the Great Lakes, ICG), die Deutschland vorsitzt, äußert sich in einer Stellungnahme »zutiefst besorgt« über die erneute Gewalt im Osten der DR Kongo und die »neue Offensive des M23, unterstützt von Ruanda, rund um Uvira«. Besonders kritisch bewertet der ICG den verstärkten Einsatz von Angriffs- und Selbstmorddrohnen, der ein »akutes Risiko« für die Zivilbevölkerung darstelle.

Der ICG fordert das M23 und die ruandischen Streitkräfte (RDF) auf, ihre Operationen im Osten der DR Kongo sofort einzustellen. Zugleich ruft die Gruppe Ruanda auf, seine Truppen aus dem Osten des Landes abzuziehen, im Einklang mit der Resolution 2773 des UN-Sicherheitsrats, und verweist auf Verpflichtungen aus der in Doha am 19. Juli 2025 unterzeichneten Erklärung von Prinzipien und den Washingtoner Abkommen vom 4. Dezember 2025. Alle Konfliktparteien werden aufgefordert, die territoriale Integrität zu respektieren und den vereinbarten Waffenstillstand zu bekräftigen.

In den Vereinigten Staaten drängt die republikanische Mehrheit im Auswärtigen Ausschuss des Repräsentantenhauses auf die vollständige Einhaltung der Washingtoner Abkommen durch Kigali.

Die Kommissionsmehrheit fordert, Ruanda für seine Verpflichtungen »voll verantwortlich« zu machen. Die eingegangenen Zusagen seien »nicht optional« und müssten umgesetzt werden, heißt es in der Erklärung. Zugleich appelliert sie an internationale Akteure, das Vorgehen Ruandas »ohne Vorbehalte« zu verurteilen.

Ruanda weist Verantwortung für Eskalation zurück

Das ruandische Außenministerium weist in einer Stellungnahme die Verantwortung für Waffenstillstandsverletzungen und anhaltende Kämpfe in Süd-Kivu zurück. Die Angriffe seien nicht Ruanda anzulasten, sondern der kongolesischen Armee FARDC und der burundischen Armee FDNB, die gemeinsam mit FDLR-Kämpfern, Wazalendo-Milizen und ausländischen Söldnern Zivilgebiete nahe der ruandischen Grenze mit Kampfjets und Drohnen bombardiert hätten. Der AFC/M23 sei gezwungen gewesen, diese Angriffe zu beantworten.

Infolge der Bombardierung von Kamanyola aus Burundi habe Ruanda mehr als 1.000 kongolesische Flüchtlinge in Bugarama in der Westprovinz aufgenommen, die im Transitlager Nyarushishi untergebracht seien. Das Ministerium spricht von rund 20.000 burundischen Soldaten in Süd-Kivu im Dienst der kongolesischen Regierung und wirft der FDNB vor, Banyamulenge-Dörfer in Minembwe zu belagern.

Die Stellungnahme verweist zudem auf die verzögerte Entwaffnung der FDLR, wie im Friedensabkommen vom Juni 2025 vorgesehen. Dies behindere die Umsetzung der Washingtoner Abkommen und deren Ziel, den Konflikt im Osten der DR Kongo zu lösen. Ruanda kritisiert, die DR Kongo sei nicht bereit gewesen, sich an den Waffenstillstand zu halten, obwohl Präsident Félix Tshisekedi an der Zeremonie in Washington teilgenommen habe.

Das Außenministerium in Kigali fordert eine Rückkehr zur vollständigen Umsetzung der Washingtoner Abkommen und zum Abschluss der noch ausstehenden Anhänge des in Doha unterzeichneten Abkommens zwischen der DR Kongo und dem AFC/M23. Dies wird als »gangbarster Weg« zu Frieden, Stabilität und Wohlstand in der Region beschrieben.

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