Jan Egeland spricht bei Konferenz “Sudan – Frieden und humanitären Schutz zivil denken”

Die Heinrich-Böll-Stiftung und ein Netzwerk von mehr als zwanzig zivilgesellschaftlichen Organisationen und politischen Stiftungen haben am 18. September 2025 in Berlin eine internationale Fachkonferenz unter dem Titel „Sudan – Thinking Peace and Humanitarian Protection from a Civilian Perspective“ ausgerichtet. Ziel der Veranstaltung war es, den Fokus auf die Zivilgesellschaft des Sudans zu lenken – auf ihre Widerstandskraft, ihre humanitäre Arbeit und ihre Forderungen an die internationale Politik.

Im Mittelpunkt stand die Rede von Jan Egeland, Generalsekretär des Norwegian Refugee Council (NRC) und ehemaliger UN-Nothilfekoordinator. Egeland sprach von einer „katastrophalen humanitären Situation“ und kritisierte die weitgehende Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft.

25 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen

Nach Angaben Egelands sind über zehn Millionen Sudanesen auf der Flucht, während 25 Millionen Menschen auf humanitäre Unterstützung angewiesen seien. Rund 100.000 Menschen hätten sich mit Cholera infiziert – eine direkte Folge des Zusammenbruchs der Wasser- und Sanitärversorgung. „In einer anderen Welt würde es eine massive globale Hilfsoperation geben“, sagte Egeland.

Er nannte drei zentrale Ursachen für die Verschärfung der Krise:

  1. Unterfinanzierung und Überlastung der Hilfsorganisationen – Nur 23 Prozent der benötigten 4,2 Milliarden US-Dollar seien bislang bereitgestellt.
  2. Blockierte Hilfszugänge – Sowohl die sudanesische Armee als auch die Rapid Support Forces (RSF) verhinderten systematisch den Zugang zu Zivilisten, insbesondere in Al-Fasher und Kadugli.
  3. Fehlende diplomatische Initiative – Es gebe keinen effektiven Druck auf die Konfliktparteien oder ihre internationalen Unterstützer, den Waffenfluss zu stoppen oder eine Feuerpause durchzusetzen.

Appell an Deutschland und die internationale Gemeinschaft

Egeland forderte konkrete Schritte der sogenannten Quad-Staaten – Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Ägypten und die USA – zur Durchsetzung eines Waffenstillstands. Zugleich mahnte er, dass auch Deutschland eine größere Verantwortung übernehmen müsse:

„Der Bundestag sollte die geplanten Kürzungen im humanitären Haushalt beenden, damit mehr Hilfe die Menschen im Sudan erreicht.“

Deutschland solle seine humanitäre Diplomatie ausbauen, den Zugang für Helfer verbessern und sich im Rahmen seiner Kandidatur für den UN-Sicherheitsrat 2027–2028 für die Umsetzung der Resolution 2417 („Hunger als Waffe des Krieges“) einsetzen.

Zivilgesellschaft im Fokus der Konferenz “Sudan – Frieden und humanitären Schutz zivil denken”

Vertreterinnen und Vertreter der sudanesischen Zivilgesellschaft berichteten über ihre Arbeit unter extremen Bedingungen. Besonders hervorgehoben wurden die sogenannten Emergency Response Rooms, lokale Notfallnetzwerke, die in zahlreichen Regionen des Landes lebensrettende Hilfe leisten.

Diskutiert wurden Strategien für Schutz und humanitären Zugang, die Rolle von Frauen und Jugendlichen in Friedensprozessen sowie die Perspektiven für eine zivile Übergangsordnung. Unter den Teilnehmerinnen waren:

  • Tahani Abbas, Menschenrechtsaktivistin und Gründerin der Organisation No to Women Oppression Initiative,
  • Eatizaz Yousif, Landesdirektorin des International Rescue Committee (IRC) Sudan,
  • Kamilia Kura, Gründerin der Nuba Women for Education and Development Association,
  • sowie Annette Weber, EU-Sonderbeauftragte für das Horn von Afrika, und Serap Güler, Staatsministerin im Auswärtigen Amt.

Sie betonten, dass die sudanesische Zivilgesellschaft trotz zweieinhalb Jahren Krieg handlungsfähig bleibe und weiter auf internationalen Dialog und Unterstützung setze.

Hintergrund: Zwei Jahre Krieg und kaum Aufmerksamkeit

Seit dem Ausbruch der Kämpfe zwischen der sudanesischen Armee und den Rapid Support Forces (RSF) im April 2023 befindet sich das Land in einer der größten humanitären Krisen weltweit. Über 12 Millionen Menschen sind auf der Flucht, zwei Drittel der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Der Krieg hat die Errungenschaften der Revolution von 2019 weitgehend zunichtegemacht.

Teilnehmer der Berliner Konferenz beklagten die geringe mediale und politische Aufmerksamkeit in Europa. Internationale Berichterstattung konzentriere sich häufig auf militärische Entwicklungen, während zivile Stimmen aus dem Sudan kaum Gehör fänden.

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