Der französisch-algerische Schriftsteller Boualem Sansal hat am 23. November 2025 erstmals öffentlich über seine einjährige Haft in Algerien gesprochen. Das Interview wurde auf France 2 ausgestrahlt, wenige Tage nach seiner Freilassung am 12. November. Sansal beschrieb seinen Gesundheitszustand, die Bedingungen seiner Inhaftierung und die politischen Umstände, die nach seiner Darstellung zu seiner Festnahme geführt hatten.
Gesundheitszustand und diplomatische Hintergründe
Sansal erklärte, dass bei ihm ein Prostatakarzinom diagnostiziert worden sei und er eine medizinische Behandlung erhalten habe. Die gesundheitliche Situation und sein fortgeschrittenes Alter seien maßgeblich für die präsidentielle Begnadigung gewesen. Nach Angaben aus seinem Umfeld hätten Deutschland und Frankreich diplomatisch vermittelt und Unterstützung für eine sichere medizinische Betreuung zugesichert.
Verhaftung und erste Tage in Gewahrsam

In seinem Interview schilderte Sansal die ersten Stunden nach seiner Festnahme am Flughafen Algier. Er sagte: „Ich wusste nicht, wer mich festnahm und warum. Während sechs Tagen hatte ich keinen Kontakt zur Außenwelt.“ Anschließend berichtete er von den Haftbedingungen: regelmäßige Durchsuchungen, willkürliche Anweisungen, Isolation und psychischer Druck.
Sansal erklärte, der schwerste Aspekt sei der Zwang gewesen, das eigene Leid für sich zu behalten: „Man weint allein, nachts, im Kopf.“
Aussagen Sansals zu politischen Hintergründen
Der Schriftsteller äußerte sich zu möglichen Gründen für seine Inhaftierung. Nach seiner Einschätzung steht sie in einem größeren politischen Kontext zwischen Algerien und Frankreich. In einem Interview sagte er, sein Arrest sei Teil einer „Kreuzzugshaltung“ der algerischen Behörden gegen Frankreich. Er führte aus: „Ich sah keinen Grund, der die Behörden veranlasst hätte, mich zu verhaften, aber es gibt einen. Vor einigen Monaten ist ein Konflikt ausgebrochen, nachdem Präsident Macron formell die Marokkanität der Sahara anerkannt hatte. Alles begann dort.“
🔴⚡️ Boualem Sansal sur les raisons probables de son arrestation en Algérie : "L'ultranationalisme, la question du Sahara occidental et le crime de lèse-majesté que personne n'oubliera jamais : le fait que je sois allé en Israël." #JT20h pic.twitter.com/kI8fqgKp5m
— Le20h-France Télévisions (@le20hfrancetele) November 23, 2025
Sansal erklärte außerdem, sein Fall sei ein „Sündenbock“-Mechanismus gewesen, ausgelöst durch politische Spannungen. Weitere Gründe sieht er in seinem persönlichen Umfeld, darunter seine Freundschaft mit Xavier Driencourt, dem früheren französischen Botschafter, und der Veröffentlichung des Werkes „L’Énigme algérienne“.
Haftbedingungen und persönlicher Umgang mit der Situation
Sansal beschrieb seinen Gefängnisaufenthalt als körperlich und psychisch belastend. Er erzählte: „Das Leben ist hart in einem Gefängnis, […] die Zeit ist lang, man ermüdet, erschöpft sich, und sehr schnell fühlt man sich sterben.“ Er berichtete, dass er während seiner Festnahme eine Kapuze über den Kopf bekommen habe und sechs Tage lang nicht gewusst habe, wo er sich befinde.
Trotz seines hohen Alters und seiner Erkrankung blieb er ein Jahr in Haft. Laut Sansal führten diese Umstände zu großer Sorge in seinem Umfeld.
Reaktionen europäischer Politiker und Freilassung
Sansal erwähnte sein Telefonat mit dem französischen Politiker Bruno Retailleau, den er als Freund bezeichnete. Er erklärte jedoch: „Mit oder ohne sein Eingreifen hätten die algerischen Behörden auf die gleiche Weise gehandelt.“ Nach Angaben des Schriftstellers erfolgte seine Freilassung nach einer Bitte des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier an seinen algerischen Amtskollegen.
Bedeutung seiner persönlichen Unterlagen

Sansal äußerte den Wunsch, nach Algerien zurückzukehren, um persönliche Gegenstände wie seinen Computer und sein Telefon zurückzuerhalten. Diese enthielten zwanzig Jahre seiner schriftstellerischen Arbeit. Für ihn sei dies ein zentraler Bestandteil seiner intellektuellen Biografie.
In seinem Interview sagte Sansal: „Gefangener zu sein, ist eine Demütigung.“ Er betonte die psychischen Belastungen und die Einsamkeit, die eine Inhaftierung mit sich bringe. Sein Auftritt markiert die Rückkehr einer prägenden Stimme in den politischen und kulturellen Austausch zwischen Frankreich und Algerien.