Auf Antrag der Linken und Grünen: Deutscher Bundestag ringt um Kurs im Sudan-Krieg

Der Krieg im Sudan, der im April 2023 offen zwischen der sudanesischen Armee (SAF) unter Abdel Fattah al-Burhan und den Rapid Support Forces (RSF) unter Mohammed Hamdan Daglo eskalierte, beschäftigt nun auch den Deutschen Bundestag in neuer Schärfe. Zwei aktuelle Anträge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen umreißen, wie Deutschland seiner Verantwortung in einer der derzeit größten humanitären Krisen der Welt nachkommen soll.

Ein Krieg mit globalen Verflechtungen

Beide Initiativen setzen an demselben Ausgangspunkt an: Der Machtkampf zweier Militärblöcke hat einen bereits zuvor fragilen Übergangsprozess nach der Revolution von 2019 zerstört, die sudanesische Zivilgesellschaft massiv zurückgedrängt und eine Notlage geschaffen, in der Millionen Menschen auf externe Unterstützung angewiesen sind.

Humanitäre Katastrophe: Hunger, Vertreibung, Gewalt

Die Anträge zeichnen ein weitgehend deckungsgleiches Bild der Lage im Land. Rund 30 Millionen Menschen sind demnach auf humanitäre Hilfe angewiesen, ein großer Teil der Bevölkerung leidet unter akuter Ernährungsunsicherheit.

In einzelnen Regionen wird bereits von Hungersnot gesprochen. Frauen und Mädchen sind in besonderem Maße von sexualisierter Gewalt, Vergewaltigung, sexueller Sklaverei, Menschenhandel und Zwangsheirat betroffen.

Die Kampfhandlungen haben Millionen Menschen zur Flucht gezwungen. Mehr als zwölf Millionen gelten als Binnenvertriebene, weitere Hunderttausende sind in Nachbarstaaten wie Tschad, Südsudan oder Ägypten geflohen. Gleichzeitig breiten sich Krankheiten wie Cholera, Malaria und Masern aus, während der UN-Hilfsappell für den Sudan und für sudanesische Geflüchtete in den Nachbarländern nur zu einem Bruchteil finanziert ist.

Besonders hervorgehoben wird die Einnahme von El Fasher (Al-Faschir) durch die RSF Ende Oktober 2025. Satellitenanalysen und Berichte internationaler Organisationen deuten auf Massentötungen, ethnisch motivierte Hinrichtungen, Blockaden von Fluchtwegen, Massenvergewaltigungen, Plünderungen sowie Angriffe auf humanitäre Helferinnen und Helfer hin. Sudanese Ärztenetzwerke sprechen in diesem Zusammenhang von Völkermord.

Externe Akteure, Waffenströme und Konfliktgold

Beide Anträge rücken die Rolle externer Akteure ins Zentrum. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) werden als zentraler Unterstützer der RSF benannt. Über sie laufen laut unterschiedlichen Recherchen umfangreiche Lieferketten für Waffen, Treibstoff, Drohnen, Munition und Söldner. Zugleich werden Ägypten, Saudi-Arabien, Iran, Russland und die Türkei als Staaten genannt, die die SAF militärisch unterstützen oder in anderer Form Einfluss nehmen.

Der Konflikt wird zudem über Rohstoffe finanziert. Der Handel mit sudanesischem Gold, das in großen Mengen über die VAE und Nachbarländer exportiert wird, ist nach Angaben der Anträge ein maßgeblicher Finanzierungsstrang insbesondere für die RSF. Damit sind internationale Finanzplätze, Raffinerien und Handelshäuser direkt oder indirekt in die Kriegsökonomie eingebunden.

Antrag der Linksfraktion: Fokus auf Waffenembargo und Fluchtwege

Der Antrag der Fraktion Die Linke stellt die deutsche und europäische Verantwortung im Bereich Rüstungsexporte und Wirtschaftsbeziehungen in den Mittelpunkt. Verwiesen wird auf die strategische Partnerschaft Deutschlands mit den VAE und ein bilaterales Handelsvolumen von über 14 Milliarden Euro im Jahr 2023. Zusätzlich werden Rüstungsexporte im Wert von 150 Millionen Euro im Jahr 2024 an die Emirate genannt.

Vor diesem Hintergrund fordert die Linke, genehmigte Rüstungsexporte an die VAE, Saudi-Arabien und Ägypten zu beenden und den Weiterexport deutscher Waffen in den Sudan zu unterbinden. Dazu sollen systematische Vor-Ort- und Endverbleibskontrollen etabliert und genutzt werden. Parallel dazu soll Deutschland sich innerhalb der EU für eine wirksame Überwachung und Umsetzung des bestehenden Waffenembargos gegen den Sudan einsetzen und eine Ausweitung des VN-Embargos von Darfur auf das gesamte Land unterstützen.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Kampf gegen den illegalen Handel mit sudanesischem Gold. Gefordert werden schärfere EU-Goldstandards, insbesondere eine Novellierung der EU-Konfliktmineralien-Verordnung, mehr Transparenzpflichten für Raffinerien und unabhängige Audits entlang der Lieferketten. Ziel ist, die Finanzierungsbasis der Konfliktparteien einzuschränken.

Zudem dringt die Linke auf eine Ausweitung sicherer Fluchtwege. Die Aussetzung der Aufnahme besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge über das UNHCR-Resettlementprogramm soll aufgehoben und durch zusätzliche humanitäre Aufnahmeprogramme ergänzt werden, um Verletzte und besonders gefährdete Personen aus dem Sudan herauszubringen.

Antrag der Grünen: Humanitäre Hilfe und Sanktionsregime

Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen betont die langfristige Transformation des Landes und die Rolle der sudanesischen Zivilgesellschaft. Ausgangspunkt ist die Revolution von 2019, die das Regime von Omar al-Bashir stürzte, jedoch in einem von Militärinterventionen unterbrochenen Übergangsprozess mündete. Die jetzige Gewalt wird als Ergebnis dieses gescheiterten Übergangs beschrieben

Die Grünen fordern eine signifikante Aufstockung der deutschen humanitären Hilfe für Sudan und die Region sowie sicheren, dauerhaften Zugang für internationale Organisationen und lokale Akteure. Lokale Netzwerke wie die „Emergency Response Rooms“ und von Frauen geführte Organisationen sollen gezielt und auch direkt über internationale Nichtregierungsorganisationen finanziell unterstützt werden, da sie vielerorts die einzigen Strukturen mit Zugang zur Bevölkerung darstellen.

Parallel dazu wird ein umfassender Sanktionsansatz auf EU-Ebene vorgeschlagen, der beide Kriegsparteien und ihre Unterstützernetzwerke in Drittstaaten adressiert. Dazu zählen verschärfte Endverbleibskontrollen für Rüstungsgüter, eine strengere Überwachung von Gold- und Ressourcenimporten sowie die Anwendung internationaler Geldwäsche-Standards der Financial Action Task Force.

Wesentlich ist außerdem der Schutz vor sexualisierter Gewalt: Der Antrag fordert Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Mädchen, medizinische und psychologische Betreuung für Überlebende, Zugang zu Verhütungsmitteln, sicheren Schwangerschaftsabbrüchen und zur Behandlung sexuell übertragbarer Infektionen.

Politischer Prozess, Strafverfolgung und internationale Rolle Deutschlands

Beide Anträge legen Wert auf die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure in einen möglichen politischen Prozess. Zivilgesellschaft und Diaspora werden als „Rückgrat“ eines nachhaltigen Friedens beschrieben. Frauen und junge Menschen sollen demnach gleichberechtigt in allen Phasen humanitärer Hilfe und eines späteren Friedensprozesses beteiligt werden.

Im Bereich der internationalen Strafverfolgung plädieren die Initiativen für eine stärkere Unterstützung des Internationalen Strafgerichtshofs und der UN-Untersuchungsmechanismen. Genannt werden die Bereitstellung forensischer Kapazitäten, nachrichtendienstlicher Hinweise, Zeug*innenschutz und finanzielle Mittel. Zusätzlich wird auf nationaler Ebene die Nutzung des Weltrechtsprinzips angeregt, um mutmaßliche Täter mit Bezug zu Deutschland zu verfolgen.

Schließlich schlagen die Grünen vor, dass Deutschland eine größere koordinierende Rolle übernimmt – etwa durch die Ausrichtung einer hochrangigen internationalen Geberkonferenz zum Sudan in Berlin im April 2026 und den Aufbau einer Koalition von Staaten, die zivile Kräfte im Sudan langfristig unterstützen. Vermittlungsinitiativen anderer Akteure wie der von USA, Saudi-Arabien, Ägypten und den VAE getragenen Quad-Initiative sollen dabei konstruktiv begleitet werden.

Verwandte Beiträge
Total
0
Share