Nach dem Staatsstreich in Guinea-Bissau: Militär will Lage schnellstmöglich normalisieren

In Guinea-Bissau hat ein Putsch am 26. November den bisherigen Präsidenten Umaro Sissoco Embaló aus dem Amt gedrängt. Die Aktion der Streitkräfte erfolgte, bevor die Ergebnisse der allgemeinen Wahlen vom 23. November veröffentlicht wurden. Der Hohe Militärrat für die Wiederherstellung der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung (ACM) setzte den Präsidenten ab, suspendierte den Wahlprozess, schaltete Medien aus und verhängte eine Ausgangssperre.

Putsch vor Wahlergebnis und Machtübernahme des Militärs

Nach Darstellung der Putschisten zielte das Vorgehen darauf, eine „wachsende Bedrohung“ zu stoppen, die Demokratie, politische Stabilität und das Funktionieren der Institutionen des Rechtsstaats gefährdet habe. Die Militärführung begründete ihr Handeln mit dem Anspruch, „Unordnung“ und eine mögliche „Desintegration“ staatlicher Institutionen zu verhindern. Es handelt sich um den zehnten Staatsstreich auf dem afrikanischen Kontinent seit 2020, nach Umstürzen in Guinea, Sudan, Niger, Gabun und Madagaskar sowie jeweils zwei Putschen in Mali und Burkina Faso.

An die Spitze der Übergangsordnung rückte General Horta N’Tam, der als Präsident der Transition eingesetzt wurde. Er ernannte den früheren Finanzminister Ilídio Vieira Té am 28. November zum Premierminister.

In portugiesischsprachigen Berichten wird der Übergangsführer auch als General Horta Inta-A bezeichnet. Der Machtwechsel wurde in Teilen der regionalen und internationalen Öffentlichkeit als „coup de palais“ charakterisiert, weil er unmittelbar vor der Bekanntgabe der Wahlergebnisse erfolgte.

Embaló erhebt schwere Vorwürfe gegen Portugal

Der abgesetzte Präsident Embaló machte in einem Interview mit dem afrikanischen Sender 1Africa TV Portugal mitverantwortlich für den Staatsstreich. Wie die Nachrichtenagentur ANG berichtet, sprach er von einem „feindseligen Verhalten“, das sich insbesondere dann zeige, wenn ein muslimischer Präsident in Bissau regiere.

„Immer wenn es einen muslimischen Präsidenten in Guinea-Bissau gibt, ist Portugal sehr feindselig“, sagte Embaló. Er verwies darauf, dass etwa 60 Prozent der Bevölkerung muslimisch seien und nannte exemplarisch Präsidenten mit Vornamen wie „Mamadou, Omar oder Ibrahim“, bei denen sich aus seiner Sicht die Beziehungen zu Lissabon verschlechterten. Die Aussagen stehen im Kontrast zu den öffentlichen Äußerungen des portugiesischen Präsidenten Marcelo Rebelo de Sousa, der zuvor von einem freundlichen Austausch mit Embaló nach dem Putsch berichtet hatte.

Die Kritik des abgesetzten Staatschefs fällt in eine Phase, in der in der Region und darüber hinaus Debatten über Reaktionen internationaler Organisationen geführt werden. In den Stunden und Tagen nach dem Umsturz in Bissau wurden mangelnde sichtbare Reaktionen der CPLP, Portugals, der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, der Afrikanischen Union und anderer Akteure beanstandet. Sowohl CPLP als auch ECOWAS beriefen Notfallsitzungen ein, um die Lage zu bewerten und gemeinsame Positionen zu formulieren. Die Europäische Union erklärte, sie verfolge die Entwicklungen „mit Sorge“ und forderte eine rasche Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung sowie Zurückhaltung, um weitere Gewalt zu vermeiden.

Flucht über Dakar und Zuflucht in Brazzaville

Unmittelbar nach dem Putsch verließ Embaló das Land. Er gelangte mit einem vom senegalesischen Staat gecharterten Flugzeug nach Dakar. Dort geriet seine Anwesenheit jedoch schnell in den innenpolitischen Fokus. Nach Berichten von Confidentiel Afrique sprach der senegalesische Premierminister Ousmane Sonko im Parlament in scharfen Worten von „Untergrundpläne“ im Zusammenhang mit der Krise in Guinea-Bissau.

Diese Stellungnahme und die wachsenden politischen Spannungen um die Präsenz des abgesetzten Präsidenten in Senegal sollen Embaló dazu veranlasst haben, um eine rasche Ausreise zu bitten. In der Folge verließ er Dakar und suchte Zuflucht in der Republik Kongo. Nach Angaben von Peter Kum markiert die Ankunft Embalós in Brazzaville eine neue Etappe der Krise, die Guinea-Bissau seit dem Putsch vom 26. November erschüttert.

Nach dem Staatsstreich: Übergangsregierung setzt auf bekannte politische Akteure

Parallel zur Konsolidierung ihrer Machtstrukturen begann die Übergangsführung, zentrale Regierungspositionen zu besetzen. Neben Premierminister Ilídio Vieira Té rückte der Jurist und Politiker João Bernardo Vieira (JBV) als Außenminister in den Mittelpunkt. Vieira, 48 Jahre alt, ist Neffe und Namensvetter des früheren Präsidenten „Nino“ Vieira. Er studierte in Lissabon, verfügt über internationale akademische Erfahrung und war zuvor unter anderem Sprecher der PAIGC sowie Staatssekretär für Transport und Kommunikation. 2019 kandidierte er für das Präsidentschaftsamt. Bei der Wahl vom 23. November 2025 trat er mit Unterstützung des PALDG an, nachdem die PAIGC seine Kandidatur nicht offiziell unterstützt hatte.

In einem Interview mit dem Portal e-Global erläuterte João Bernardo Vieira seine Beweggründe, in einem Übergangskabinett mitzuwirken, das inmitten einer institutionellen Krise entstanden ist. Die Entscheidung begründet er mit einem „tiefen Verantwortungsgefühl gegenüber Staat und Volk“. In einer Phase großer Unsicherheit dürfe das Land nicht in Isolation, Unordnung oder einen Bruch mit der internationalen Gemeinschaft abgleiten. Seine Teilnahme an der Regierung sei „kein Bekenntnis zu einem Bruch“, sondern ein Engagement für Stabilität, Dialog und die dauerhaften Interessen der Republik.

Außenpolitische Leitlinien: „Isolation ist keine Unvermeidlichkeit“

Zentraler Ansatz Vieiras ist die Abwendung einer politischen und diplomatischen Isolation. Er betont, dass keine internationale Organisation ein Interesse daran habe, Guinea-Bissau in einen Zyklus endloser Instabilität abrutschen zu sehen. Er kündigt eine Argumentation in vier Kernpunkten an, um Positionen von CEDEAO, CPLP, Afrikanischer Union und Vereinten Nationen zu beeinflussen.

Erstens verweist er auf die Verantwortung des Staates und die Notwendigkeit, eine Eskalation der Krise zu vermeiden. Zweitens fordert er einen klaren, öffentlichen und überprüfbaren Fahrplan für den Übergang und die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung. Drittens stellt er Garantien für die Achtung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und des funktionsfähigen Betriebs der Institutionen in Aussicht. Viertens setzt er auf vollständige Dialogbereitschaft mit internationalen Partnern, inklusive Evaluierungs-, Vermittlungs- und Begleitmissionen sowie auf eine verbindliche Einbettung in regionale Friedens- und Sicherheitsarchitekturen.

Vieira betont, dass das Ziel nicht in der Konfrontation mit Organisationen wie CEDEAO, CPLP oder Afrikanischer Union liege. Stattdessen wolle man zeigen, dass politischer Wille zur Stabilisierung vorhanden sei. Guinea-Bissau könne nicht und solle nicht isoliert handeln. Die derzeitige Phase beschreibe er als „momentan und überwindbar“, nicht als dauerhaften Zustand.

Netzwerke von Partnerschaften und Schwerpunkt Portugal

Der neue Außenminister beschreibt die bestehenden Partnerschaften des Landes auf mehreren Ebenen. An erster Stelle nennt er die CEDEAO als zentralen politischen, wirtschaftlichen und sicherheitsbezogenen Rahmen. Hinzu kommen die Gemeinschaft der Portugiesischsprachigen Länder (CPLP) sowie die Afrikanische Union, die den Prozess aus kontinentaler Perspektive begleitet. Die Vereinten Nationen bezeichnet er als „essenziellen Pfeiler“ der institutionellen Stabilisierung.

Bilaterale Beziehungen hebt Vieira unter anderem zu Senegal, Nigeria, Kap Verde, Portugal, Spanien, Marokko, Brasilien und China hervor. In diesem Netzwerk sieht er Ansatzpunkte, um den Übergang zu flankieren und Vertrauen zurückzugewinnen.

Ein besonderes Augenmerk legt er auf das gespannte Verhältnis zu Portugal. Er bezeichnet die Beziehungen zwischen Guinea-Bissau und Portugal als historisch und strategisch, die über aktuelle politische Konjunkturen hinausreichten. Das Außenministerium setze eine Priorität auf die Wiederaufnahme eines „offenen, ruhigen und konstruktiven Dialogs“ mit Lissabon. Geplant seien Schritte zur kurzfristigen Spannungsreduktion über formelle und informelle Kanäle, zur Wiederbelebung der Zusammenarbeit in Verteidigung, Bildung, Gesundheit und Justiz sowie zur technischen und rechtlichen Überprüfung der Lage portugiesischer Medien in Guinea-Bissau.

Dabei geht es laut Vieira nicht um Sonderbehandlungen oder Ausnahmen für portugiesische Unternehmen oder Medien. Ziel sei es, einen Rahmen zu schaffen, in dem alle ausländischen Akteure – aus Portugal wie aus anderen Ländern – unter klaren Regeln, mit Rechtssicherheit und gegenseitigem Respekt arbeiten könnten. Die Wiederherstellung von Vertrauen und der Ausbau einer Partnerschaft, die beiden Bevölkerungen nutzt, bezeichnet er als vorrangig.

Guinea-Bissau zwischen Putschdynamik und diplomatischer Neujustierung

Die Ereignisse seit dem 26. November haben Guinea-Bissau erneut in den Fokus regionaler und internationaler Debatten über Staatsstreiche, institutionelle Stabilität und außenpolitische Ausrichtung gerückt. Während der abgesetzte Präsident Embaló Portugal öffentliche Vorwürfe macht und internationale Organisationen um ihre Reaktionsfähigkeit ringen, bemüht sich die Übergangsregierung um eine Balance aus innenpolitischer Konsolidierung und externer Anschlussfähigkeit.

Mit der Ernennung von Akteuren wie João Bernardo Vieira signalisiert das neue Machtgefüge, dass es auf erfahrene politische Profile setzt, um zwischen den Erwartungen der Bevölkerung, den Forderungen der Militärführung und den Bedingungen der internationalen Partner zu vermitteln. In diesem Spannungsfeld wird sich entscheiden, wie weit Guinea-Bissau in den kommenden Monaten seinen erklärten Anspruch einlösen kann, Isolation zu vermeiden und einen strukturierten Weg zurück zur verfassungsmäßigen Ordnung zu gestalten.

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