Im Osten der Demokratischen Republik Kongo hat eine neue Welle der Gewalt durch die bewaffnete Gruppe Allied Democratic Forces (ADF) zu massiven Angriffen auf die Zivilbevölkerung geführt. Zwischen dem 13. und 19. November 2025 verübten die ADF im Territorium Lubero in der Provinz Nord-Kivu eine Reihe koordinierter Angriffe auf mehrere Ortschaften. Nach Angaben von Menschenrechtsmitarbeitenden der UN-Mission MONUSCO wurden dabei insgesamt 89 Zivilisten getötet, darunter mindestens 20 Frauen und eine noch unbestimmte Zahl von Kindern.
Koordinierte Gewaltwelle im Territorium Lubero
Besonders schwer traf es die Ortschaft Byambwe, rund 60 Kilometer westlich von Lubero. Dort stürmten bewaffnete Kämpfer ein Gesundheitszentrum der katholischen Kirche. Mindestens 17 Zivilisten, darunter Frauen in der Entbindungsstation, wurden getötet. Vier Stationen, in denen Patientinnen und Patienten untergebracht waren, wurden in Brand gesetzt. Auch die Orte Mabiango, Tunarudi, Sambalysa, Thucha und Butsili waren Ziel der Angriffe. Dort kam es zu Entführungen, Plünderungen von Medikamenten, dem Niederbrennen von Häusern und der Zerstörung von Eigentum in ohnehin äußerst prekären humanitären Verhältnissen.
Laut Angaben der UN sprechen Beobachterinnen und Beobachter von einer der schwersten Angriffsserien der letzten Zeit durch die ADF in Nord-Kivu.
Reaktion der Vereinten Nationen
Die Vereinten Nationen verurteilten die Ereignisse mit ungewöhnlicher Deutlichkeit. UN-Sprecher Stéphane Dujarric sprach bei einem Briefing in New York von einem der „grauenvollsten Angriffe“ in einer neuen Welle der Gewalt in der Region. Er erklärte, „die Informationen, die wir erhalten, sind wirklich entsetzlich“, und verwies auf die gezielte Zerstörung ziviler Infrastruktur und medizinischer Einrichtungen.

Die Vereinten Nationen sprachen den betroffenen Familien und Gemeinden ihr Beileid aus und betonten, dass Angriffe auf Zivilisten, insbesondere auf medizinische Einrichtungen, schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht darstellen und als Kriegsverbrechen gewertet werden können. „Gewalt gegen Zivilisten, einschließlich der gezielten Angriffe auf medizinische Einrichtungen, kann Kriegsverbrechen darstellen“, so Dujarric.
Gleichzeitig rief er regionale Akteure zur Zusammenarbeit und die bewaffneten Gruppen zur Entwaffnung auf. Solche Massaker fänden „allzu oft“ außerhalb der Aufmerksamkeit von Medien und internationaler Öffentlichkeit statt und blieben damit weitgehend unsichtbar.
Stellungnahme der MONUSCO
In einer Erklärung aus Kinshasa verurteilte die UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo, MONUSCO, die Angriffe der ADF im Territorium Lubero „aufs Schärfste“. Der stellvertretende Sonderbeauftragte des Generalsekretärs und interimistische Leiter der Mission, Bruno Lemarquis, sprach den Familien sein Beileid aus und betonte die Solidarität der Vereinten Nationen mit den betroffenen Bevölkerungsgruppen. Er erklärte, die Mission erinnere daran, „dass die gegen Zivilisten verübten Gewalttaten, einschließlich in medizinischen Strukturen, Kriegsverbrechen und schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht darstellen können“.
#MONUSCO condemns ADF attacks in Lubero Territory that killed 89 civilians and reaffirms protection of civilians as an absolute priority.👇https://t.co/jVEXJuB0pF pic.twitter.com/OW4eTRJ4ui
— MONUSCO (@MONUSCO) November 21, 2025
MONUSCO bekräftigte, die Mission bleibe „voll und ganz“ an der Seite der lokalen Gemeinschaften und werde die kongolesischen Behörden weiterhin bei der Sicherung der Zivilbevölkerung, der Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen und der Bekämpfung der Straflosigkeit unterstützen. Sie arbeitet mit den Streitkräften der Demokratischen Republik Kongo (FARDC), regionalen Partnern in gemeinsamen Operationen sowie lokalen Akteuren zusammen.
ADF in Nord-Kivu: Profil einer extrem gewalttätigen Gruppe
Die Allied Democratic Forces sind eine bewaffnete Gruppe ugandischen Ursprungs, die seit Jahrzehnten in den Grenzregionen und im Osten der Demokratischen Republik Kongo operiert. Die ADF ist für besonders brutale Angriffe auf Zivilisten bekannt. In den vergangenen Jahren hat die Gruppe ihre operative Präsenz im Osten des Landes ausgeweitet und immer wieder Dörfer, Gesundheitszentren, Verkehrswege und landwirtschaftliche Gebiete ins Visier genommen.

Die Gruppe hat der sogenannten Islamischen Staat Organisation die Treue geschworen und gilt als eine der tödlichsten nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen in der Region. Ihre Angriffe zielen regelmäßig darauf, Angst zu verbreiten, Bevölkerung zu vertreiben und staatliche Präsenz sowie lokale Strukturen gezielt zu schwächen.
Anhaltende Unsicherheit in Nord-Kivu
Die Provinz Nord-Kivu ist seit Jahren von einer Vielzahl bewaffneter Gruppen und Spannungen zwischen Milizen, Sicherheitskräften und lokalen Gemeinschaften geprägt. Lubero, Beni und angrenzende Gebiete gelten als Hotspots wiederkehrender Angriffe, bei denen die Zivilbevölkerung immer wieder zur Hauptleidtragenden wird. Die jüngsten ADF-Massaker in Lubero fügen sich in eine längere Serie von Gewalttaten ein, die Vertreibung, Traumatisierung und die Zerstörung ohnehin fragiler sozialer und wirtschaftlicher Strukturen nach sich ziehen.
Schutz der Zivilbevölkerung im Fokus
MONUSCO verweist in ihrer Erklärung auf laufende militärische und sicherheitspolitische Maßnahmen, mit denen die Mission gemeinsam mit den FARDC und regionalen Partnern versucht, die Bewegungsfreiheit der ADF zu beschränken und Gemeinden besser zu schützen. Im Rahmen der Interventionstruppe der Mission wurde die Operation „Nyondo“ durchgeführt, die dazu beigetragen habe, Angriffe der ADF in der Zone von Komanda einzudämmen.
Parallel verfolgen die FARDC und die Truppen der Interventionseinheit die „Operation Safisha“, die darauf ausgerichtet ist, ADF-Kämpfer in den Gebieten zwischen Beni und Eringeti sowie entlang der Achse Beni–Kasindi aufzuspüren und zu bekämpfen. Hinzu kommt die Operation „Mid-Night Guard“, die darauf zielt, zentrale Ortschaften zwischen Beni und Eringeti während der Nachtstunden zu sichern und dadurch nächtliche Angriffe zu verhindern oder zu erschweren.
Diese Operationen verdeutlichen, dass militärische Maßnahmen und der Schutz von Zivilisten in den Einsatzgebieten der Mission eng miteinander verknüpft sind. Dennoch zeigt die jüngste Gewaltwelle im Territorium Lubero, wie schwer es bleibt, die Bevölkerung in weitläufigen, schwer zugänglichen Gebieten zuverlässig zu schützen.
Forderung nach Aufklärung und strafrechtlicher Verfolgung

MONUSCO fordert die kongolesischen Behörden auf, zeitnah unabhängige und glaubwürdige Untersuchungen zu den Angriffen einzuleiten. Ziel ist es, die Verantwortlichen und ihre Unterstützenden zu identifizieren und vor Gericht zu stellen. Die Mission betont, dass die Bekämpfung der Straflosigkeit ein zentraler Bestandteil des Schutzes von Zivilisten ist, da sie künftige Taten abschrecken und Vertrauen in staatliche Strukturen stärken kann.
Zugleich erneuert Lemarquis den Appell des UN-Generalsekretärs an alle bewaffneten Gruppen, ob lokal oder aus dem Ausland, ihre Waffen bedingungslos niederzulegen. Die wiederkehrenden Angriffe auf Ortschaften wie Byambwe, Mabiango oder Thucha machen deutlich, dass ohne einen substantiellen Rückgang der Aktivitäten bewaffneter Gruppen die humanitäre Lage im Osten der Demokratischen Republik Kongo äußerst angespannt bleibt.