Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump hat eine neue diplomatische Initiative zur Beilegung der Krise zwischen Algerien und Marokko eingeleitet. Der US-Sondergesandte für Friedensmissionen, Steve Witkoff, kündigte in einem Interview mit dem US-Sender CBS an, dass innerhalb der kommenden 60 Tage ein Friedensabkommen zwischen den beiden Maghreb-Staaten erreicht werden könne. Die Ankündigung fällt in eine Phase intensiver US-Aktivitäten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, wo Washington als sogenannter Penholder eine entscheidende Resolution zur Zukunft der Westsahara vorbereitet.
Witkoff und Kushner: Diplomatie im Zeichen des „pragmatischen Realismus“
Steve Witkoff, der gemeinsam mit Jared Kushner – dem Schwiegersohn und früheren Berater von Donald Trump – bereits maßgeblich an den jüngsten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas beteiligt war, erklärte, sein Team arbeite derzeit an einem „Friedensabkommen zwischen Marokko und Algerien“. Witkoff bezeichnete die aktuelle Phase als „eine Welle der Verständigung“, die über den Nahen Osten hinaus auch Nordafrika erfasse.
Kushner ergänzte, die US-Außenpolitik unter Präsident Trump folge einem Ansatz des „pragmatischen Realismus“. Entscheidungen würden weniger durch normative Werte, sondern durch gemeinsame Interessen und gegenseitigen Nutzen geprägt. Beide Diplomaten betonten, dass Vertrauen und Kommunikation zwischen den Parteien entscheidend seien, um jahrzehntelange Blockaden zu überwinden.
Washington als Vermittler und Architekt des Westsahara-Finales

Der Zeitpunkt der Ankündigung ist strategisch. Parallel zu Witkoffs Interview zirkuliert in diplomatischen Kreisen ein US-Entwurf für eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, der den Konflikt um die Westsahara in Richtung einer endgültigen politischen Lösung führen soll. Nach Informationen aus New York sieht der Entwurf vor, den marokkanischen Autonomieplan als „einzige realistische Grundlage“ für künftige Verhandlungen festzuschreiben.
Die USA fungieren dabei als Penholder, also als federführendes Mitglied bei der Formulierung und Einreichung des Resolutionsentwurfs. Ziel ist es, den jahrzehntelangen Stillstand zu beenden und die von Algerien unterstützte Unabhängigkeitsoption für die Westsahara aus der Verhandlungsterminologie der Vereinten Nationen zu streichen.
Diplomatische Beobachter sehen darin eine klare Linie der Trump-Regierung: die Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Sahara nicht nur auf bilateraler Ebene, sondern auch in der multilateralen Ordnung zu verankern.
Algerien und Marokko: Blockierte Beziehungen seit 2021
Seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen im August 2021 befindet sich das Verhältnis zwischen Algier und Rabat in einem Zustand vollständiger Eiszeit. Grenzübergänge sind seit 1994 geschlossen, politische Kontakte eingefroren. Die Vermittlungsversuche regionaler und internationaler Akteure blieben bislang erfolglos.
Honored to meet Algerian Foreign Minister Attaf again in New York following my July visit to Algiers. We discussed the expanding U.S.–Algeria partnership, including tremendous commercial opportunities and our shared commitment to peace and stability in the region. pic.twitter.com/tnLwpG0mlc
— U.S. Senior Advisor for Arab and African Affairs (@US_SrAdvisorAF) September 26, 2025
Mit der neuen US-Initiative eröffnet sich erstmals seit Jahren ein konkretes Zeitfenster für eine bilaterale Deeskalation. Witkoffs Ankündigung deutet auf einen strukturierten Prozess hin, der auf Vertrauensbildung und sicherheitspolitische Normalisierung zielt. Trump-nahe Diplomaten wie Massad Boulos, der Sonderberater für den Nahen Osten und Afrika, bereiten nach Angaben arabischer Medien bereits technische Gespräche mit beiden Hauptstädten vor.
I had the pleasure of meeting Foreign Minister Bourita to discuss opportunities to strengthen our strategic partnership and alliance, especially as U.S. firms pursue opportunities throughout all of Morocco including its territory of Western Sahara. I discussed efforts to… pic.twitter.com/Yf5HBYqmyX
— U.S. Senior Advisor for Arab and African Affairs (@US_SrAdvisorAF) September 26, 2025
Der UN-Prozess: Entscheidungsphase im Oktober
Nach Informationen aus diplomatischen Kreisen soll der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 30. Oktober 2025 über den US-Resolutionsentwurf abstimmen. Die geplante Abstimmung fällt mit dem Ende des Mandats der UN-Mission MINURSO (Mission des Nations Unies pour l’Organisation d’un Référendum au Sahara Occidental) zusammen.
Meet #Germany's 🇩🇪 Captain Tania Pfeifer, one of 37 uniformed women serving in #MINURSO in Western Sahara, at Awsard.
— UN Peacekeeping (@UNPeacekeeping) October 20, 2025
She is happy to be part of the Network for Uniformed Women Peacekeepers funded by Germany.#WomenInPeacekeeping #WomenPeaceSecurity @GermanyUN pic.twitter.com/CR4uRv5UAC
Der Entwurf sieht eine Verlängerung des Mandats um ein weiteres Jahr vor – jedoch mit einem veränderten Aufgabenprofil. Die Mission, ursprünglich für die Überwachung eines Waffenstillstands und die Vorbereitung eines Referendums geschaffen, soll künftig eine begleitende Rolle bei der Umsetzung einer Autonomielösung übernehmen. Damit würde sich ihr Charakter von einer Beobachtungsmission zu einer politischen Unterstützungsstruktur verschieben.
Russlandfaktor und diplomatische Absicherung
Wenige Tage vor der erwarteten Abstimmung reiste Marokkos Außenminister Nasser Bourita nach Moskau, um sich mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow abzustimmen. Beide Seiten erzielten nach offiziellen Angaben ein „Kompromissverständnis“, wonach Russland eine konstruktive Haltung im Sicherheitsrat einnehmen werde.

Da Moskau derzeit den Vorsitz des Sicherheitsrats führt, gilt das Gespräch zwischen Bourita und Lawrow als wichtiger Schritt zur Absicherung der Resolution gegen ein mögliches russisches Veto. Auch China, so heißt es aus diplomatischen Kreisen, plane kein Gegenmanöver. Damit dürfte der Entwurf mit breiter Zustimmung verabschiedet werden.
USA zwischen Machtprojektion und Stabilitätsstrategie
Die US-Politik im Maghreb bewegt sich derzeit auf mehreren Ebenen:
- Vermittlung zwischen Rabat und Algier – mit dem Ziel, Spannungen entlang der gemeinsamen Grenze zu reduzieren.
- Sicherung marokkanischer Stabilität durch internationale Anerkennung der Sahara-Autonomie.
- Einbindung Algeriens in einen diplomatischen Prozess, der wirtschaftliche Kooperation ermöglicht, ohne strategische Zugeständnisse der USA zu gefährden.
Washington präsentiert sich damit als gleichzeitiger Garant und Architekt regionaler Stabilität – eine Position, die im Kontext der US-geführten Nahost-Abkommen (Abraham Accords) und der jüngsten Waffenstillstandsinitiativen in Gaza ein konsistentes außenpolitisches Muster erkennen lässt.
Perspektiven: Diplomatische Architektur mit symbolischer Reichweite
Sollte es Witkoff und Kushner gelingen, einen Verhandlungsrahmen zwischen Marokko und Algerien zu etablieren, wäre dies die erste bilaterale Friedensinitiative im Maghreb seit 1988. Die angekündigte 60-Tage-Frist markiert dabei weniger ein formales Ultimatum als eine politische Zielmarke, die mit der Abstimmung über die Westsahara-Resolution zeitlich synchronisiert ist.

Die MINURSO-Mission bliebe dabei als technisches Element bestehen, würde aber de facto in eine Phase politischer Transformation überführt – mit dem Auftrag, den Übergang von einem eingefrorenen Konflikt zu einem Autonomiemodell zu begleiten.
Die Kopplung amerikanischer Friedensrhetorik mit handfesten geopolitischen Interessen im Maghreb zeigt, dass Washingtons Strategie auf mehr als Symbolpolitik zielt. Während Witkoff und Kushner diplomatische Brücken zwischen Rabat und Algier vorbereiten, zementiert die US-Administration zugleich ihre Position als zentrale ordnungspolitische Macht im westlichen Mittelmeerraum.
Ob der angekündigte Friedensplan tatsächlich Realität wird, hängt nun davon ab, ob beide Staaten bereit sind, die Gelegenheit zu nutzen, die ihnen Washington auf diplomatischem Weg eröffnet.