Sudans Konflikt zwischen den Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) fordert weiterhin ein hohes ziviles Opfer. Die Unabhängige Internationale Faktenfindungsmission des UN-Menschenrechtsrats dokumentiert Kriegsverbrechen und groß angelegte internationale Verbrechen beider Seiten. Der Missionsvorsitzende Mohamed Chande Othman sprach von einer „Strategie der Gräueltaten“, die gezielt Zivilisten trifft. Laut UN News beschrieben Überlebende RSF-Haftorte als „Schlachthäuser“.
Folter, Hunger, Übergriffe: Muster der Gewalt
Zeugenaussagen schildern Folter, Nahrungsentzug und fehlende medizinische Versorgung in RSF-Einrichtungen. In einer berüchtigten Haftstätte sollen seit Juni Dutzende Menschen gestorben sein. In SAF-Gewahrsam berichteten Zivilisten von Elektroschocks, sexualisierter Gewalt und überfüllten Zellen. Mädchen ab 12 Jahren wurden zur Heirat gezwungen, teils unter Todesdrohungen gegen ihre Familien. Auch Männer und Jungen erlebten sexualisierte Folter. Diese Taten wurzeln in Rassismus, Vorurteilen und Straflosigkeit und zerstören ganze Gemeinschaften, so die Mission. Die Angaben stammen aus dem Bericht an den Menschenrechtsrat, wie UN News meldet.
Die Mission dokumentiert eine systematische Zerstörung zivilen Lebensraums: Krankenhäuser, Märkte, Wasser- und Stromsysteme sowie Hilfskonvois wurden wiederholt angegriffen. Othman verwies auf Luftangriffe der SAF auf Märkte: Im Oktober 2024 starben in El Koma mindestens 45 Zivilisten; im Dezember traf es den Markt von Kabkabiya mit über 100 Toten; im März 2025 wurden beim Angriff auf den Tora-Markt hunderte Menschen getötet oder verletzt. RSF-Einheiten beschossen Märkte, plünderten ganze Gebiete und trafen Wasserinfrastruktur, darunter den Merowe-Staudamm und Wassertürme. Eine Mutter verlor auf der Flucht alle vier Kinder an Durst. Die Mission betont die Dimension der Vertreibung: Mindestens 12,1 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht, berichtet Dabanga Sudanunter Bezug auf die UN-Erkenntnisse.
El Fasher, El Gezira und ethnische Zielscheiben
Für El Fasher und Umgebung dokumentiert die Mission Massenmorde, Folter, Versklavung, sexuelle Sklaverei, Vergewaltigung, Vertreibung und Verfolgung. RSF-Kämpfer und Verbündete exekutierten hunderte Zivilisten und zielten auf nicht-arabische Bevölkerungsgruppen wie Zaghawa, Fur, Masalit und Tunjur. Im April wurden im Lager Zamzam zwischen 300 und 1.500 Menschen getötet, überwiegend Frauen und Kinder. Auch die SAF und verbündete Kräfte standen wegen unrechtmäßiger Tötungen und ethnischer Zielauswahl in der Kritik, etwa nach der Rückeroberung von Orten im Bundesstaat El Gezira. Dabanga Sudan zitiert Othman: „Diese Tragödien sind keine Unfälle, sondern bewusste Strategien, die Kriegsverbrechen darstellen.“
A high-level independent rights probe into the brutal war in Sudan, presented at the @UN_HRC condemned the many grave crimes committed by all combatants, citing evidence indicating that civilians have been “deliberately targeted, displaced and starved”https://t.co/QDIpF2PP8f pic.twitter.com/jgYG70SS59
— United Nations Geneva (@UNGeneva) September 10, 2025
Rechtliche Einordnung: „Vernichtung“ als Menschlichkeitsverbrechen
Die Mitautorin Mona Rishmawi erläuterte in Genf, warum der Bericht den Begriff Völkermord nicht verwendet. Die erhobenen Beweise belegten Muster, die auf das Menschlichkeitsverbrechen der „Vernichtung“ hindeuten: Töten, Nahrungs- und Wasserversorgung verhindern, Produktion und Zugang blockieren sowie humanitäre Hilfe unterbinden. Joy Ngozi Ezeilo verwies auf Hungerkrisen in Lagern wie Zamzam und Abu Shouk, wo Kinder an Unterernährung und Dehydrierung sterben. Die Zitate entstammen den Ausführungen der Mission, berichtet UN News.
Straflosigkeit und Forderungen nach Rechenschaft
Zwischen April 2023 und April 2025 wurden 84 sudanesische Helfer getötet, weitere willkürlich inhaftiert, meldet Dabanga Sudan. Nur jedes vierte Gesundheitszentrum sei in den am stärksten betroffenen Regionen funktionsfähig, heißt es unter Bezug auf die UN-Mission. Angriffe auf Märkte, Kliniken und Wasserinfrastruktur unterminieren die Versorgung. Die Mission nennt die wiederholte Bombardierung von Märkten als zentralen Treiber der Hungersnot.
Die Mission attestiert sudanesischen Institutionen Unwillen oder Unfähigkeit, glaubwürdig zu ermitteln. Immunitäten und Amnestien schützten Täter. Expertin Rishmawi forderte die Durchsetzung des Waffenembargos, Unterstützung von Verfolgungsschritten vor dem Internationalen Strafgerichtshof, die Einrichtung eines unabhängigen Justizmechanismus und gezielte Sanktionen. „Jeder Tag der Untätigkeit lässt die Menschen in Sudan weiter unter Beschuss leben“, sagte sie laut Dabanga Sudan.
Stimmen aus der Zivilgesellschaft: „Vergessen und vernachlässigt“
In einem Interview mit Dabanga Sudan bezeichnete Suleiman Baldo (Sudan Transparency and Policy Tracker) die Lage als „verheerend“ und Sudan als „vergessen und vernachlässigt“. Er beschrieb die Belagerung von El Fasher seit über 500 Tagen als Hungerkatastrophe mit täglichen Kindersterben. Baldo sieht vier Einflusszonen konkurrierender Verwaltungsstrukturen und warnt vor einer schleichenden Teilung des Landes. Er kritisierte regionale Vermittlungsbemühungen und sprach von einer stockenden internationalen Rolle. Seine Aussagen unterstreichen die Kluft zwischen Sicherheitslage, politischer Fragmentierung und humanitärem Bedarf.
Berichte verweisen auf Angriffe gegen Kanabi-Gemeinschaften in El Gezira. Diese Siedlungen entstanden seit 1925 als Wohnorte für saisonale Arbeitskräfte des Bewässerungsprojekts. Diskriminierung und strukturelle Benachteiligung prägen ihre Lebensbedingungen. Dabanga Sudan liefert den historischen Kontext zur Bevölkerungsstruktur und Verwundbarkeit dieser Gruppen.
Naturkatastrophe: Erdrutsch in Jebel Marra – widersprüchliche Opferzahlen

Neben dem Krieg belasten Naturereignisse die Zivilbevölkerung. In Tarsin (Jebel Marra) meldete die Zivilverwaltung der SLM-AW nach einem Erdrutsch 373 geborgene Tote und mindestens 1.573 Verstorbene insgesamt.
Das Gesundheitsministerium des Bundes wies dies zurück und sprach von zwei Toten. Dabanga Sudan dokumentiert die widersprüchlichen Angaben sowie Hilfseinsätze des Sudanesischen Roten Halbmonds und internationaler Organisationen. Der UN-Sprecher erklärte, die Zahlen seien wegen anhaltender Regenfälle und unwegsamen Geländes nicht verifizierbar.