Hochrangige Vertreter der Vereinten Nationen haben ihre Reise nach Port Sudan aufgenommen, um Hindernisse für humanitäre Hilfe abzubauen und den Zugang zu Millionen vom Krieg betroffener Menschen zu verbessern. In der Hafenstadt, die von der De-facto-Regierung kontrolliert wird, trafen UN-Gesandte mit sudanesischen Behörden und dem ägyptischen Außenminister Badr Abdelatty zusammen, um Fragen zu Hilfslieferungen und humanitären Korridoren zu erörtern.
Eroberung von El Fasher ist Wendepunkt im Sudan-Krieg
Im Mittelpunkt der Gespräche stand die Lage nach dem Einmarsch der Rapid Support Forces (RSF) in El Fasher. Berichte sprechen von Massenvertreibungen sowie von Tötungen, Übergriffen und sexualisierter Gewalt. Diskutiert wurden auch die Situation von Vertriebenen in Ed Dabba und Tawila in Norddarfur sowie die Lage von eingeschlossenen Zivilpersonen in Babanousa in Westkordofan und in Kadugli und Dilling in Südkordofan.
The crime committed by UAE-backed RSF militia at the Saudi Hospital in El Fasher confirms that peace with criminals is impossible.#BoycottUAE#SaveSudan https://t.co/jl46ulUsUm
— Sudan Trend 🇸🇩 (@SudanTrends) November 5, 2025
Wie aus der täglichen Pressekonferenz des Sprechers des UN-Generalsekretärs hervorgeht, reist der Nothilfekoordinator Tom Fletcher weiter nach Darfur, um die humanitäre Lage vor Ort zu bewerten. Er beschrieb El Fasher als einen Ort, der bereits von „katastrophalem menschlichem Leid“ geprägt sei und nun „in eine noch dunklere Hölle“ abgerutscht sei. Fletcher verwies auf eine Zuweisung von 20 Millionen US-Dollar aus dem vom Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten verwalteten Nothilfefonds CERF, um lebensrettende Hilfe in Tawila, Darfur und Kordofan auszuweiten.
Regierung lehnt Quartett-Initiative ab

Der Vorstoß der Vereinten Nationen fällt in eine Phase, in der die sudanesische Armee die von der sogenannten Quartettsgruppe vorgeschlagene dreimonatige humanitäre Waffenruhe ablehnt. Das Quartett besteht aus Saudi-Arabien, Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und den Vereinigten Staaten.
Außenminister Mohieddin Salem erklärte nach trilateralen Gesprächen mit Badr Abdelatty und Tom Fletcher, die Regierung betrachte die Initiative nicht als offizielle Grundlage. Das Quartett sei nicht durch eine Resolution des Sicherheitsrats oder eine andere internationale Organisation mandatiert, weshalb Khartum nicht formell damit umgehe. Er betonte, Sudan bevorzuge bilaterale Abstimmungen. Die Beratungen mit Ägypten und den Vereinten Nationen spiegelten nach seinen Worten „volles Verständnis und Kooperation“ wider.
Auch der Vorsitzende des Souveränen Rates und Oberbefehlshaber der Sudanese Armed Forces (SAF), General Abdelfattah El Burhan, signalisierte in Port Sudan Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und deren Organisationen, insbesondere in humanitären Fragen. Zugleich forderte er, dass alle UN-Aktivitäten die sudanesische Souveränität und nationale Interessen respektieren. El Burhan machte die RSF, die er als „Al-Dagalo-Miliz“ bezeichnete, für Gräueltaten in El Fasher verantwortlich.
RSF akzeptiert Waffenruhe – SAF bleibt bei Ablehnung

Bereits am 7. November hatte die RSF ihre Zustimmung zu der vom Quartett vorgeschlagenen dreimonatigen humanitären Waffenruhe erklärt. In ihrer Erklärung verwies die Gruppe auf „katastrophale humanitäre Folgen“ des Krieges und kündigte an, humanitäre Hilfe „dringend zu allen Sudanesinnen und Sudanesen“ bringen zu wollen.
Die RSF stellte in Aussicht, Gespräche über die Modalitäten der Einstellung der Feindseligkeiten und über Leitprinzipien für einen politischen Prozess in Sudan aufzunehmen. Die vom Quartett am 12. September veröffentlichte Roadmap sieht zunächst eine humanitäre Pause, anschließend einen vollständigen Waffenstillstand und schließlich den Übergang zu einer zivilgeführten Regierung vor.
Die Armeeführung reagierte zurückhaltend bis ablehnend. Nach einer Sitzung des Sicherheits- und Verteidigungsrats unter Vorsitz El Burhans wurde lediglich mitgeteilt, man „begrüße internationale Initiativen“, ohne den Plan zu unterstützen. In einer Fernsehansprache kündigte El Burhan an, die RSF würden besiegt. Er bezeichnete den Konflikt als „Schlacht des sudanesischen Volkes“, versprach Vergeltung für Opfer in El Fasher und anderen Teilen des Landes und verurteilte mutmaßliche ausländische Unterstützung für die RSF. Der stellvertretende Oberbefehlshaber der SAF, General Yasir El Atta, wies die Waffenruhe ebenfalls zurück.
Der amerikanische Präsidialberater für arabische und afrikanische Angelegenheiten, Massad Boulos, erklärte, beide Seiten hätten „im Prinzip“ zugestimmt, und Washington stehe mit den Konfliktparteien in Kontakt, um Details zu klären. Das US-Außenministerium bekräftigte, man wolle gemeinsam mit Partnern, darunter dem Quartett, an einer humanitären Pause arbeiten.
Humanitäre Krise und Vorwürfe schwerer Verbrechen
Parallel zur diplomatischen Dynamik verschärft sich die humanitäre Krise. Die gemeinsame Erklärung aus G7-Treffen und die UN-Briefings beschreiben Sudan als die derzeit größte humanitäre Katastrophe weltweit. Millionen Menschen sind von Hunger, Vertreibung und Gewalt betroffen.
I am gravely concerned by recent reports of mass atrocities & gross human rights violations in El Fasher & worsening violence in the Kordofans in Sudan.
— António Guterres (@antonioguterres) November 13, 2025
The flow of weapons & fighters from external parties must be cut off.
The flow of humanitarian aid must be able to quickly…
In El Fasher sollen nach Einnahme der Stadt durch die RSF gezielte Angriffe auf Zivilpersonen, ethnisch motivierte Massentötungen, sexuelle Gewalt und Aushungern als Mittel der Kriegsführung stattgefunden haben. Die RSF kündigten die Einsetzung eines Komitees an, das „individuelle Übergriffe“ untersuchen solle.

Der Sprecher des Generalsekretärs, Stéphane Dujarric, antwortete auf Berichte, wonach regionale Akteure wie die Türkei und Ägypten ihre militärische Unterstützung für die sudanesische Armee verstärkt hätten. Er bekräftigte die Forderung des Generalsekretärs an Staaten in der Region und darüber hinaus, den Konflikt nicht weiter mit Waffen zu befeuern. Sudan brauche „humanitären Treibstoff“ in Form von Hilfe, finanziellen Mitteln und sicheren Zugängen, nicht zusätzliche Rüstungsgüter.
Das Welternährungsprogramm (WFP) meldete, nach Aussage des stellvertretenden Exekutivdirektors Carlos Cão, monatlich rund fünf Millionen Menschen zu erreichen, darunter in jüngst zugänglichen Gebieten wie Kadugli. In Khartum erhalten weiterhin etwa eine Million Menschen Unterstützung.
Internationale Reaktionen: G7, Deutschland und Partnerstaaten
Die internationale Reaktion auf die Eskalation in El Fasher und anderen Teilen Darfurs fällt ungewöhnlich deutlich aus. In der gemeinsamen Erklärung der Außenministerinnen und Außenminister der G7 in Niagara verurteilten die Staaten „ethnisch motivierte“ Angriffe der RSF auf unbewaffnete Zivilpersonen und humanitäre Helfer, insbesondere in El Fasher und Nordkordofan. Sie beklagten die Auswirkungen des Krieges, einschließlich der Hungersnot, und forderten RSF und SAF auf, Menschenrechte zu achten, Gewalt zu deeskalieren, einem sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand zuzustimmen und ungehinderten humanitären Zugang zu gewährleisten. Zugleich riefen sie externe Akteure auf, zu Frieden und Sicherheit beizutragen.
Auch auf nationaler Ebene verstärkten Regierungen ihren Druck. Australien verurteilte „Massenmorde, sexuelle Gewalt und gezielte Angriffe auf Zivilisten“ und sagte zusätzliche humanitäre Mittel zu. Das Vereinigte Königreich drängte auf eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats. In Washington forderten Abgeordnete wie Senator Gregory Meeks, ausländische Unterstützung für die RSF zu unterbinden. Der eritreische Präsident Isaias Afewerki warnte, Sudan sei Ziel regionaler und globaler Machtinteressen. Katar erneuerte seinen Appell für eine sofortige Waffenruhe und eine ausgehandelte politische Lösung.
Eine Delegation der Sumoud-Koalition warb in Addis Abeba bei afrikanischen und westlichen Diplomatinnen und Diplomaten für Unterstützung des Quartett-Fahrplans. Der Politiker Khaled Omar Youssef vom Sudanese Congress Party bezeichnete die Erklärung der RSF als „begrüßenswerte Position“ und rief die Armee auf, dieses Signal zu erwidern. Aus seiner Sicht liege der „Ball nun im Feld der Streitkräfte“ und Sudan riskiere, eine „echte Chance“ auf ein Ende des Blutvergießens zu verlieren.
Gemeinsame Erklärung Deutschlands und europäischer Partner

Zusätzlich zur G7-Erklärung veröffentlichten das Auswärtige Amt und zahlreiche Partnerstaaten eine gemeinsame Erklärung zur Lage in Sudan. Darin bringen sie ihre tiefe Besorgnis über Berichte systematischer und anhaltender Gewalt gegen Zivilistinnen und Zivilisten nach der Einnahme Al-Faschirs durch die RSF sowie über die Eskalation des Konflikts in Norddarfur und Kordofan zum Ausdruck. Zielgerichtete Angriffe auf Zivilpersonen, ethnisch motivierte Massentötungen, konfliktbezogene sexuelle Gewalt, Aushungern als Kriegsinstrument und die Behinderung humanitären Zugangs werden als schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht bezeichnet.
Die Unterzeichner betonen, dass solche Taten bei gesicherter Beweislage Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen können. Sie verlangen ein sofortiges Ende der Gewalt und heben die Bedeutung der Dokumentation von Rechtsverletzungen hervor. Straflosigkeit müsse beendet und Rechenschaftspflicht gewahrt werden.
Die Erklärung fordert, Organisationen wie das Welternährungsprogramm und UNICEF müssten die notwendigen Genehmigungen erhalten, um ihre lebensrettende Arbeit fortzusetzen. Alle Konfliktparteien seien verpflichtet, schnellen und ungehinderten Zugang zu Nahrung, medizinischer Versorgung und anderen lebenswichtigen Gütern zu gewährleisten, Zivilpersonen sichere Passagen zu ermöglichen und die Vorgaben der Resolution 2736 des Sicherheitsrats umzusetzen. Zudem rufen die Unterzeichner RSF und SAF auf, einem Waffenstillstand und einer dreimonatigen humanitären Waffenruhe zuzustimmen, wie in der Quad-Erklärung beschrieben, und sich auf einen breiten, inklusiven politischen Prozess unter sudanesischer Führung einzulassen.