Die Vereinten Nationen haben vor einem gravierenden Rückgang der Unterstützung für Überlebende sexueller Gewalt im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) gewarnt. Das Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) erklärte am 5. September, dass infolge einer weltweiten Finanzkrise mehrere Hilfsprogramme gestoppt werden mussten. Besonders betroffen sind Frauen und Mädchen, die seit Jahresbeginn im Zuge des Konflikts in Nord- und Südkivu Opfer systematischer Gewalt durch bewaffnete Gruppen, insbesondere die Rebellenbewegung M23, geworden sind.
Systematische Gewalt und Zunahme der Fälle
Nach Angaben des Gemeinsamen UN-Menschenrechtsbüros in der DR Kongo (BCNUDH) stiegen die Fälle konfliktbedingter sexueller Gewalt allein im Juli 2025 um 38 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Dokumentiert wurden mindestens 34 Vorfälle, die 69 Frauen betrafen. 84 Prozent der Taten gingen auf das Konto bewaffneter Gruppen. Die M23-Rebellen werden als Hauptverantwortliche genannt (28 Opfer), gefolgt von Raia Mutomboki (15 Opfer), Wazalendo (8 Opfer) sowie Nyatura und FDLR (jeweils 2 Opfer). Auch reguläre Streitkräfte (FARDC) sowie die Polizei wurden für neun Fälle verantwortlich gemacht.
“The atrocities described in this report are horrific.”@UNHumanRights presents a new report on the #DRC 🇨🇩.
— United Nations Geneva (@UNGeneva) September 5, 2025
“Gross human rights violations and violations of international humanitarian law have been committed by all parties to the conflict.”https://t.co/WYP6XTDeA1 pic.twitter.com/59AdaE3nI7
OHCHR-Sprecherin Ravina Shamdasani erklärte, dass die dokumentierten Übergriffe nicht nur Frauen und Mädchen betreffen. Auch Männer, Jungen und Angehörige der LGBT-Community seien Opfer von Vergewaltigungen, sexueller Versklavung und Misshandlungen geworden – oft in Haft oder im Kontext gewaltsamer Vertreibungen.
Strukturelle Defizite und unterbrochene Untersuchungen
Ein im Februar 2025 vom UN-Menschenrechtsrat eingesetztes Untersuchungsgremium konnte seine Arbeit bisher nicht aufnehmen, da die Finanzierung fehlt. Der Bericht der UN-Fact-Finding-Mission, der dem Rat vorgelegt wurde, beschreibt schwere Verstöße aller Konfliktparteien: systematische Vergewaltigungen, Folter, Zwangsrekrutierungen, Tötungen und Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser.
Die M23 habe demnach große Teile von Nord- und Südkivu unter Kontrolle gebracht und dabei eine „hochgradig organisierte und geplante Repressionskampagne“ durchgeführt. Zugleich dokumentiert der Bericht auch gravierende Menschenrechtsverletzungen durch die FARDC und verbündete Milizen wie die Wazalendo, die sich bei Rückzügen im Januar und Februar schwerer Übergriffe auf Zivilisten schuldig gemacht haben sollen.
Verschärfte Sicherheitslage in Masisi

Parallel berichtete Actualite.cd über neue Zusammenstöße in Kasopo, Masisi-Gebiet (Nord-Kivu). Dort kam es in der Nacht vom 4. auf den 5. September zu schweren Gefechten zwischen M23-Einheiten und unbekannten bewaffneten Gruppen. Eine 17-jährige Jugendliche wurde verletzt, während die Rebellen ihre Präsenz in der Region verstärkten. Sicherheitsquellen bestätigten, dass zusätzliche Kräfte aus Kashebere und Nyabiondo verlegt wurden.
Auswirkungen auf Zivilbevölkerung und Hilfsprojekte
Nach Angaben von OCHA wurden allein im August 2025 über 2.500 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, darunter 137 Fälle sexueller Gewalt, 263 Vorfälle geschlechtsbasierter Gewalt. Außerdem wurden 366 Verletzungen der Kinderrechte registriert. Mehr als 330 Kinder wurden in bewaffnete Gruppen eingegliedert.
UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk bezeichnete die Situation als „herzzerreißend und zutiefst frustrierend“. Er forderte die unverzügliche Umsetzung des vom Menschenrechtsrat beschlossenen Mandats einer Untersuchungskommission. „Wir schulden es den unzähligen Opfern, diese Arbeit fortzuführen“, so Türk.
Zwischen Hilfslosigkeit und Forderung nach Rechenschaft
Während sich die Sicherheitslage in Nord- und Südkivu weiter verschlechtert, bleibt unklar, wie Hilfsmaßnahmen für Opfer sexueller Gewalt unter den aktuellen Budgetbedingungen finanziert werden können. Lokale Stimmen warnen, dass ohne Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen die Betroffenen weiterhin ohne medizinische, psychologische und rechtliche Hilfe bleiben.