Bundespräsident Steinmeier bittet Algerien um Begnadigung des Schriftstellers Boualem Sansal

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den algerischen Staatspräsidenten Abdelmadjid Tebboune um eine humanitäre Geste gebeten: die Begnadigung des inhaftierten Schriftstellers Boualem Sansal. Der 80-jährige Autor befindet sich seit einem Jahr in Haft. Steinmeier bot an, Sansal zur medizinischen Behandlung nach Deutschland ausreisen zu lassen.

Boualem Sansal ist algerischer und französischer Staatsbürger sowie Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Am 1. Juli 2025 war er in zweiter Instanz in Algerien zu einer Freiheits- und Geldstrafe verurteilt worden.

In einer Erklärung betonte der Bundespräsident:

„Ich habe meinen algerischen Kollegen um die Begnadigung von Boualem Sansal gebeten. Eine solche Geste wäre Ausdruck humanitärer Gesinnung und politischer Weitsicht. Sie würde mein langjähriges persönliches Verhältnis zu Staatspräsident Tebboune und die guten Beziehungen unserer Länder widerspiegeln.“

Steinmeier hob dabei hervor, dass Boualem Sansal Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels sei – eine Auszeichnung, die für seinen Beitrag zu Dialog, Frieden und gesellschaftlicher Verantwortung stehe.

Reaktion aus Algier

Die algerische Präsidentschaft bestätigte den Eingang des deutschen Gnadengesuchs. In einer Mitteilung hieß es, Präsident Tebboune habe das Ersuchen von Bundespräsident Steinmeier erhalten, der eine humanitäre Geste für den Schriftsteller anregte. Steinmeier habe auf Sansals hohes Alter und seinen kritischen Gesundheitszustand verwiesen und eine medizinische Behandlung in Deutschland angeboten.

Hintergrund des Falls

Boualem Sansal, geboren 1945, gilt als einer der bekanntesten Schriftsteller Algeriens. Er wurde 2024 wegen öffentlicher Äußerungen zur Kolonialgeschichte Nordafrikas und zur Grenzziehung zwischen Algerien und Marokko angeklagt. Die algerische Justiz verurteilte ihn zu fünf Jahren Haft wegen „Angriffs auf die nationale Einheit“, „Schädigung der nationalen Wirtschaft“ und „Veröffentlichung von Inhalten, die die nationale Sicherheit gefährden“.

Der Fall hat seit Monaten diplomatische Spannungen zwischen Algerien, Frankreich und Deutschland ausgelöst. Besonders belastet sind die Beziehungen zwischen Algerien und Frankreich, nachdem Paris im Juli 2024 offiziell die marokkanische Souveränität über die Westsahara anerkannt hatte – eine Entscheidung, die Sansal öffentlich verteidigt hatte.

Tebboune hatte im November 2024 in einer Rede auf diese Spannungen reagiert:

„Man hat uns einen Verräter geschickt, der nicht weiß, wer sein Vater ist, um uns zu sagen, die Hälfte Algeriens gehöre einem anderen Land.“

Bedeutung des deutschen Appells

Steinmeiers Initiative gilt als Versuch, den Fall Sansal zu entpolitisieren und eine humanitäre Lösung zu ermöglichen. Der Bundespräsident verwies auf seine persönliche Beziehung zu Tebboune und die traditionell guten Beziehungen zwischen Berlin und Algier.

Sansal leidet laut französischen und algerischen Medienberichten an Prostatakrebs und gilt als gesundheitlich angeschlagen. Seine mögliche Freilassung könnte zu einer Entspannung in den Beziehungen zwischen Algerien und Europa beitragen.

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