Algerien bestätigt siebenjährige Haftstrafe gegen französischen Journalisten Christophe Gleizes

Die algerische Justiz hat die siebenjährige Haftstrafe gegen den französischen Journalisten Christophe Gleizes bestätigt. Das Urteil der Berufungsinstanz in Tizi Ouzou markiert eine weitere Verschärfung eines Falls, der seit Monaten erhebliche Aufmerksamkeit in Medienkreisen, diplomatischen Vertretungen und Menschenrechtsorganisationen erzeugt. Laut TV5Monde wurden sämtliche Anklagepunkte der ersten Instanz aufrechterhalten, obwohl die Verteidigung die Beweisführung wiederholt als unzureichend kritisiert hatte.

Ein umstrittenes Urteil und seine politischen Implikationen

Der 36-jährige Reporter wurde im Mai 2024 festgenommen und bereits im Juni desselben Jahres erstmals verurteilt. Die Behörden werfen ihm vor, Kontakte zu einem Verantwortlichen der Jeunesse Sportive de Kabylie (JSK) unterhalten zu haben, der zugleich dem Mouvement pour l’autodétermination de la Kabylie (MAK) zugerechnet wird. Diese Organisation ist in Algerien seit 2021 als terroristisch eingestuft. Nach Auffassung des Gerichts deuteten diese Gespräche auf eine Absicht hin, die über journalistische Recherche hinausgehe. Der zuständige Richter bezeichnete die Präsenz des Journalisten als „feindselig“ und nicht als Bestandteil einer legitimen Pressearbeit.

Strittige Beweislage und Position der Verteidigung

Die Verteidigung widerspricht dieser Interpretation deutlich. Nach Angaben seines Anwalts erbrachte die Auswertung von Gleizes’ elektronischen Geräten keinerlei Hinweise auf Unterstützung oder Sympathie für verbotene Organisationen. Die dokumentierten Kontakte datieren zudem aus den Jahren 2015 und 2017 und erfolgten im Rahmen eines Rechercheprojekts über die JSK, deren gesellschaftliche und politische Bedeutung in der Kabylei der Gegenstand seiner Arbeit war.

Gleizes räumt ein, ohne berufliches Visum eingereist zu sein, betont jedoch, dass sein Aufenthalt ausschließlich journalistischer Natur gewesen sei. Er erklärte im Gerichtssaal, er habe nicht beabsichtigt, algerisches Recht zu verletzen. Die Berufungsinstanz folgte dieser Darstellung nicht und bestätigte die Strafhöhe von sieben Jahren.

Reaktionen der Medien und internationale Kritik

Das Verfahren hat weitreichende Reaktionen innerhalb der internationalen Medienlandschaft ausgelöst. Französische Journalistenverbände, darunter Reporters sans frontières und der Syndicat national des journalistes, verweisen auf die Gefahren, die entstehen, wenn journalistische Recherche mit strafrechtlicher Relevanz gleichgesetzt wird. Sie kritisieren die aus ihrer Sicht unzureichende Grundlage der Anklage und sehen im Urteil ein Zeichen für eine problematische Entwicklung des Mediensystems in Algerien.

Die französische Regierung reagierte mit deutlicher diplomatischer Sprache. France Diplomatie teilte mit, dass Paris die Bestätigung des Urteils „sehr bedauert“ und die Freilassung Gleizes’ fordert. Das Außenministerium betonte, dass der Journalist voll kooperiert habe und die Argumente der Verteidigung nicht berücksichtigt worden seien. Frankreich sichert dem Reporter weiterhin konsularische Unterstützung zu und hält engen Kontakt zu seiner Familie und seinem Rechtsbeistand.

Journalistische Arbeit zwischen Identitätspolitik und staatlicher Sicherheit

Der Fall berührt ein sensibles politisches Umfeld. Die Kabylei gilt seit Jahrzehnten als Zentrum kultureller und politischer Spannungen. Die JSK, zu deren Geschichte Gleizes recherchierte, ist ein zentrales Symbol amazigher Identität. Die algerischen Behörden gehen seit Jahren verstärkt gegen die MAK und ihr Umfeld vor. Vor diesem Hintergrund wird journalistische Arbeit in der Region besonders eng kontrolliert und verläuft entlang klarer staatlicher Sicherheitsinteressen.

Die Sorge vieler Medienorganisationen richtet sich darauf, dass der Fall Gleizes einen Präzedenzfall schaffen könnte, bei dem Recherchehandlungen – auch solche mit politisch sensiblen Gesprächspartnern – als strafbare Handlungen interpretiert werden. Der Reporter bleibt weiterhin in Haft, während sein Umfeld und zahlreiche internationale Medien die Justizpraxis in Algerien kritisch beobachten.

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