In Guinea-Bissau hat das Militär am 26. November 2025 die vollständige Kontrolle über die Staatsgewalt übernommen. Der „Hochkommandostab zur Wiederherstellung der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung“ erklärte, dass er alle verfassungsmäßigen Institutionen entmachte und die laufenden Wahlprozesse aussetzt. Die Erklärung wurde durch Sprecher Dinis Ntchama verlesen, der auf einen angeblichen Plan zur Destabilisierung des Landes verwies. Laut Militärführung sei ein „Schema“ entdeckt worden, das von „einigen nationalen Politikern“ und „Drogenbaronen“ getragen worden sei, um Wahlergebnisse zu manipulieren.
Zu den ersten Maßnahmen gehörten die Absetzung und Festsetzung des amtierenden Präsidenten Umaro Sissoco Embaló, die Schließung der Grenzen, ein nächtlicher Ausnahmezustand sowie die Suspendierung aller Medienangebote im Land.
Ernennung eines Übergangspräsidenten

Am 27. November ernannte die Militärführung General Horta Nta Na Man zum Übergangspräsidenten. Das Militär teilte über staatliche Medien mit, dass die Übergangsperiode ein Jahr dauern solle.
General Horta Nta Na Man, bisher als politisch und militärisch dem abgesetzten Präsidenten nahestehend beschrieben, übernimmt damit die Leitung der Übergangsbehörden. In der Hauptstadt Bissau blieben Geschäfte und Banken geschlossen. Trotz der Aufhebung des nächtlichen Lockdowns blieben viele Bürgerinnen und Bürger aus Vorsicht zu Hause.
Wahlkontext und politische Spannungen
Die Machtübernahme erfolgte unmittelbar vor der erwarteten Veröffentlichung der vorläufigen Ergebnisse der Präsidentschafts- und Parlamentswahl vom 23. November. Der Oppositionskandidat Fernando Dias hatte sich bereits nach eigenen Angaben zum Sieger erklärt, ebenso wie Embaló. Dias erklärte in einer Videobotschaft, der Putsch sei „fabriziert“ und solle verhindern, dass ein Machtwechsel stattfindet. Er gab an, einer geplanten Festnahme entgangen zu sein.

In einer Erklärung an internationale Medien teilte Embaló mit, er sei im Präsidentenpalast festgenommen und abgeführt worden. Über seinen Verbleib herrschte zunächst Unklarheit.
Bereits vor der Machtübernahme meldeten lokale Medien Schüsse in der Nähe des Präsidentenpalasts und der nationalen Wahlkommission. Die Nationale Wahlkommission hatte angekündigt, die offiziellen Ergebnisse am 27. November zu veröffentlichen. Die Militärführung erklärte, ihr Vorgehen sei durch die Entdeckung eines Waffenlagers und mutmaßlicher Manipulationsversuche legitimiert. Unabhängig überprüfbare Angaben lagen dazu nicht vor.
Reaktionen internationaler Wahlbeobachter
Die Beobachtermission der Gemeinschaft der Portugiesischsprachigen Länder (CPLP) rief alle politischen Akteure dazu auf, „die Willensbekundung der Wählerinnen und Wähler zu respektieren“. In ihrer vorläufigen Einschätzung berichtete die Mission von geordneten und friedlichen Abläufen am Wahltag. Delegationen der beiden führenden Kandidaten seien in allen beobachteten Wahllokalen anwesend gewesen.
Auch die Wahlbeobachter von AU, ECOWAS und dem Forum der Weisen veröffentlichten am 26. November eine gemeinsame Erklärung. Darin heißt es: „Wir deplatieren die Ankündigung eines Staatsstreichs zu einem Zeitpunkt, an dem die Nation auf die Ergebnisse der Wahl wartet. Wir appellieren an die Streitkräfte, alle festgehaltenen Personen unverzüglich freizulassen und den Wahlprozess fortzuführen.“
JOINT STATEMENT BY THE HEAD OF ELECTORAL MISSION OF ECOWAS, THE HEAD OF ELECTORAL MISSION OF AFRICAN UNION AND THE WEST AFRICAN ELDERS FORUM ON THE POST-ELECTION SITUATION IN THE REPUBLIC OF GUINEA-BISSAU. pic.twitter.com/itt86b0TRl
— Ecowas – Cedeao (@ecowas_cedeao) November 26, 2025
Die Afrikanische Union erklärte, es sei „unerlässlich“, die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen. ECOWAS äußerte sich besorgt über die Sicherheit ihrer Wahlbeobachter, darunter der frühere nigerianische Präsident Goodluck Jonathan. Ein Vertreter der Organisation erklärte, man wisse nicht, wo sich alle Mitglieder der Delegation befänden.
Exfiltration von Umaro Sissoco Embaló

Am Abend des 27. November bestätigte das senegalesische Außenministerium, dass Präsident Embaló aus Guinea-Bissau ausgeflogen und in Dakar eingetroffen sei. Die Regierung in Dakar erklärte, die Operation sei „unter der persönlichen Leitung“ des senegalesischen Präsidenten Bassirou Diomaye Faye erfolgt. Ein speziell entsandtes Flugzeug habe Embaló und weitere politische Akteure sowie internationale Beobachter ausgeflogen.
Zuvor hatten sich mehrere afrikanische Hauptstädte an Gesprächen über eine mögliche Aufnahme Embalós beteiligt. Nach übereinstimmenden Berichten hatte sich zunächst Brazzaville offen gezeigt. Die Regierung der Republik Kongo habe Kontakt zu Abidjan aufgenommen. Die Côte d’Ivoire entsandte daraufhin ein Flugzeug, um Embaló aufzunehmen. Letztlich wurde jedoch Dakar zum Zielort.
Regionale Bedeutung und politische Dynamiken
Der Putsch reiht sich in eine Serie von Machtübernahmen in Westafrika seit 2020 ein. Die Entwicklungen in Guinea-Bissau stehen damit in einem regionalen Kontext politischer Instabilität. ECOWAS, die Afrikanische Union und internationale Partner verfolgen die Lage angesichts möglicher sicherheitspolitischer Auswirkungen aufmerksam. Für Guinea-Bissau selbst ist die Suspendierung des Wahlprozesses ein erneuter Rückschritt in einem historisch fragilen politischen Umfeld.
Das sofortige Eingreifen regionaler Akteure, darunter Senegal, Côte d’Ivoire und die Republik Kongo, zeigt die hohe diplomatische Aufmerksamkeit für die Lage. Beobachtermissionen haben bekräftigt, dass die Wiederherstellung des Wahlprozesses entscheidend sei, um einen längerfristigen institutionalisierten Übergang zu vermeiden.
Bewertung durch westafrikanische Institutionen
Die Erklärung der Wahlbeobachter von AU, ECOWAS und dem Forum der Weisen betonte: „Wir fordern die afrikanischen Institutionen auf, die notwendigen Schritte zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung einzuleiten.“ Die Organisationen verwiesen auf die friedliche Teilnahme der Bevölkerung und die Bedeutung funktionierender demokratischer Prozesse.
Today, I chaired a virtual ECOWAS Mediation and Security Council meeting, bringing together Heads of State and Government to discuss the Guinea-Bissau political crisis.
— Julius Maada Bio (@julius_maadabio) November 27, 2025
I condemned the military coup, emphasizing that the unlawful detention of President Embaló and electoral… pic.twitter.com/Lh0lphiraX
ECOWAS hat die Einsetzung eines Mediationskomitees angekündigt, das nach Bissau reisen soll. Ziel sei es, die Lage zu stabilisieren und die Voraussetzungen für eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung zu schaffen. Die politische Situation bleibt volatil, da sowohl die Führung des Übergangskommandos als auch regionale Partner ihre Positionen weiter abstimmen.