Zwei Wochen vor Beginn der offiziellen Wahlkampagne hat das Oberste Gericht (STJ) von Guinea-Bissau eine vorläufige Liste der Präsidentschaftskandidaten veröffentlicht. Darauf erscheinen 15 Namen, jedoch fehlt auffällig der Name von Domingos Simões Pereira (DSP), Vorsitzender des PAIGC und politischer Kopf der Wahlkoalition PAI–Terra Ranka, die bei den letzten Parlamentswahlen als stärkste Kraft hervorging.
Supreme Tribunal veröffentlicht Liste ohne Domingos Simões Pereira

Der Schritt löste laut e-Global „starke Spannungen“ aus und wurde von führenden PAIGC-Kreisen als „politisches Manöver“ bewertet. DSP setzte dem Gericht ein Ultimatum bis zum 14. Oktober und forderte eine offizielle Erklärung zu seiner Nichtberücksichtigung.
Innerhalb der PAIGC wurde für denselben Tag eine Sitzung des Politbüros einberufen, um eine gemeinsame politische Reaktion zu beraten. Parteiquellen berichten von Vorbereitungen für eine institutionelle Antwort auf Regierungsmitglieder, die DSP persönlich die Verantwortung für das mögliche Ausscheiden der PAIGC aus dem Wahlprozess zuschreiben.
Strategischer Rückzug: Nuno Nabiam stellt sich hinter Embaló

Parallel zu diesem juristisch-politischen Konflikt gab Nuno Gomes Nabiam, ehemaliger Premierminister und Führungsfigur der Partei APU-PDGB, laut e-Global in notariell beglaubigten Schreiben seinen Rückzug von Wahl und Parlamentsbeteiligung bekannt. Der Schritt erfolgte ohne Begründung, wird aber parteiintern mit seiner Unterstützung für Amtsinhaber Umaro Sissoco Embaló in Verbindung gebracht. Nabiam schließt sich damit der Plattform „Nô Kumpô Guiné“ an, die die Wiederwahl Embalós vorbereitet. Seine Entscheidung gilt als Signal einer politischen Neuausrichtung kleinerer Parteien zugunsten des Amtsinhabers und schwächt das Oppositionsspektrum zugunsten eines politisch gestützten Präsidentenlagers.
Innere Zerreißprobe: PAIGC-Funktionäre greifen DSP an
Die innerparteilichen Spannungen innerhalb des PAIGC verschärfen sich. Zwei Minister aus dem aktuellen Präsidialkabinett – Carlos Pinto Pereira und José Carlos Esteves – warfen DSP laut e-Global vor, die Partei in ein “persönliches Machtinstrument” verwandelt zu haben. Die öffentliche Kritik stammt von ehemaligen Vertrauten und zeigt, dass Teile der Parteielite sich vom Parteivorsitzenden distanzieren und offene Loyalität gegenüber der Präsidentschaft Embalós signalisieren. Politische Beobachter in Bissau bewerten diese Angriffe als Teil einer systematischen Strategie, den Einfluss DSPs vor der Wahl zu schwächen und die Legitimität der Koalition PAI–Terra Ranka zu untergraben.
Medien sollen über Wahlen in Guinea-Bissau „professionell“ berichten
Der Nationale Kommunikationsrat (CNCS) kündigte an, die Medienberichterstattung während der Kampagne aktiv zu überwachen. Interimsratspräsident Domingos Meta Camará appellierte laut Agência de Notícias da Guiné (ANG) an Journalisten, „Mobilisierung ohne Beleidigung“ zu ermöglichen und ein Gleichgewicht zwischen den Kandidaten zu gewährleisten. Der CNCS legt einen Verhaltenskodex mit 17 Artikeln vor, dessen Einhaltung verpflichtend werden soll. Die Maßnahme gilt als Versuch, den medialen Raum zu regulieren, in dem vor allem oppositionelle Kräfte ihre Kampagnen überwiegend über private und digitale Kanäle führen.
Gesellschaftliche Stabilität als Thema des Wahlprozesses
Parallel dazu rief der traditionelle Autoritätsträger Abubacar Seide, Régulo von Mansabá im Norden des Landes, religiöse Führer dazu auf, sich nicht parteipolitisch instrumentalisieren zu lassen und stattdessen aktiv zur Wahrung des sozialen Friedens beizutragen. Er verweist auf die prekäre Infrastruktur und eingeschränkte digitale Kommunikation in abgelegenen Gebieten und knüpft damit den Wahlprozess an Fragen sozialer Kohäsion und gleichberechtigten Zugangs zu Informationsstrukturen.
Ce matin, j’ai reçu en audience l'ancien président nigérian Goodluck Jonathan. Cette rencontre, marquée par des échanges constructifs, s'est principalement concentrée sur les enjeux entourant les élections générales prévues le 23 novembre 2025 en Guinée-Bissau. pic.twitter.com/L9Cd4k0dY1
— Umaro Sissoco Embaló (@USEmbalo) October 6, 2025
Mit der Nichtnennung DSPs auf der Kandidatenliste, dem strategischen Rückzug Nabiam und den öffentlich inszenierten Loyalitätsverschiebungen verdichtet sich der Eindruck einer kontrollierten Neuausrichtung des politischen Feldes zugunsten des Amtsinhabers. Die juristische Ebene (STJ), die mediale Kontrolle (CNCS) und die religiös-traditionelle Ebene (Appelle für Frieden) bilden gleichzeitig ein System der Rahmensetzung, innerhalb dessen oppositionelle Kräfte ihre Position verteidigen müssen. Die Lage vor den Wahlen am 23. November 2025 bleibt angespannt und von institutioneller Unsicherheit geprägt.