Mali verklagt Algerien vor Internationalem Gerichtshof wegen Drohnenabschuss

Am 16. September 2025 hat Mali beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag eine Klage gegen Algerien eingereicht. Hintergrund ist der Vorwurf, algerische Streitkräfte hätten in der Nacht vom 31. März auf den 1. April 2025 einen Aufklärungsdrohne der malischen Streitkräfte über malischem Territorium abgeschossen. Die Regierung in Bamako spricht von einer „vorsätzlichen Zerstörung“ eines militärischen Geräts, das sich auf einer Überwachungsmission befand.

Position Malis

Das malische Übergangsregime bezeichnet den Vorfall als „Akt der Aggression“ und „Verstoß gegen das internationale Recht“. In der offiziellen Darstellung beruft sich Mali auf die Resolution A/RES/29/3314 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14. Dezember 1974, die das Verbot des Angriffskrieges und des Einsatzes von Gewalt festschreibt. Zudem verweist Bamako auf die Grundprinzipien der UN-Charta von 1946, das konstitutive Dokument der Afrikanischen Union von 2000 sowie auf das „Pakt der Nichtangriff und kollektiven Verteidigung“ der Afrikanischen Union aus dem Jahr 2005.

Die Regierung erklärte in einem Kommuniqué, der Drohnenabschuss habe sich bei Tinzawatène in der Region Kidal ereignet, einer sensiblen Grenzregion zwischen Mali und Algerien. Die Drohne sei mit der Kennung TZ-98D bei den malischen Streitkräften registriert gewesen. Bamako sieht in dem Vorgehen Algeriens einen klaren Bruch der eigenen territorialen Integrität.

Verfahrensrahmen am Internationalen Gerichtshof

Die malische Klage stützt sich auf Artikel 40 Absatz 1 des IGH-Statuts und Artikel 38 Absatz 5 der Verfahrensordnung. Demnach wird eine Klage an das beklagte Land weitergeleitet, ohne dass sie in das Hauptregister aufgenommen wird, solange dieses Land nicht ausdrücklich die Zuständigkeit des Gerichts anerkennt.

Die Anfrage des malischen Staates wurde daher formell an Algerien übermittelt. Ein Verfahren wird jedoch erst eröffnet, wenn Algier sein Einverständnis erklärt.

Reaktion Algeriens

Algerien hat die Klage scharf zurückgewiesen. Das Außenministerium in Algier bezeichnete die Eingabe als „manövrierende und schamlose“ Maßnahme. In einer offiziellen Erklärung hieß es, die malischen Vorwürfe seien paradox, da die malische Übergangsregierung selbst die verfassungsmäßige Ordnung im eigenen Land außer Kraft gesetzt habe.

Die malische Führung sei nicht in der Position, sich auf internationales Recht zu berufen, nachdem sie es im Inneren missachte. Algerien kündigte an, dem IGH zu gegebener Zeit formell mitzuteilen, dass es die Zuständigkeit in diesem Fall nicht akzeptiere.

Widersprüchliche Darstellungen zum Vorfall

Algerische Stellen erklärten bereits kurz nach dem Zwischenfall, der Drohneneinsatz habe den eigenen Luftraum verletzt. Der Vorfall habe sich mehrere Kilometer innerhalb algerischen Territoriums ereignet, weshalb die Streitkräfte gezwungen gewesen seien, den Flugkörper abzufangen.

In sozialen und regionalen Medien kursierten Bilder, die Trümmer einer Bayraktar-Akinci-Drohne zeigten, einem türkischen Modell, das von den malischen Streitkräften seit 2024 eingesetzt wird.

Mali weist diese Darstellung zurück. Die Regierung in Bamako spricht von einer gezielten Provokation und vermutet sogar Verbindungen zwischen algerischen Sicherheitsstrukturen und bewaffneten Gruppen im Sahel.

Diplomatische Eskalation zwischen Mali und Algerien

Die Drohnenaffäre reiht sich in eine Serie von Spannungen zwischen beiden Nachbarstaaten ein. Bereits zuvor hatten politische Differenzen über die Umsetzung des 2015 geschlossenen, aber mittlerweile von Mali einseitig aufgekündigten „Abkommens von Algier“ die Beziehungen belastet.

Hinzu kommen Streitpunkte wie die Migrationspolitik Algeriens und die wiederholte Ausweisung malischer Staatsbürger. Auch der Empfang des malischen Predigers Mahmoud Dicko in Algier hatte für diplomatische Irritationen gesorgt.

Kontext im Sahel

Der Vorfall verdeutlicht die fragile Lage in der Sahelzone. Mali befindet sich seit dem Militärputsch 2021 in einer Übergangsphase, die von anhaltenden Kämpfen gegen dschihadistische Gruppen geprägt ist. Der Einsatz türkischer Drohnen ist Teil einer Strategie, die Sicherheitslage durch technologische Mittel zu stabilisieren.

Mali wirft Algerien vor, separatistische Gruppen in Azawad indirekt zu unterstützen und damit die eigene territoriale Integrität zu untergraben. Bamako sieht in den Ereignissen rund um den Abschuss der malischen Drohne ein Symbol für algerische Einmischung. Offiziell bestreitet Algier diese Vorwürfe und verweist auf sein Engagement für die territoriale Einheit Malis sowie auf die eigene Rolle als Vermittler beim Friedensabkommen von Algier 2015.

Der Konflikt zwischen Mali und Algerien spiegelt breitere Bruchlinien in der Sahelzone wider. Die Allianz der Sahelstaaten – Mali, Niger und Burkina Faso – definiert sich zunehmend im Gegensatz zu Algerien und dessen diplomatischem Einfluss. Der Rückzug Malis aus regionalen Kooperationsstrukturen wie dem gemeinsamen Kommandostab CEMOC im Jahr 2025 verstärkt diese Distanz.

Hinzu kommt der geopolitische Kontext: Algerien unterstützt seit Jahrzehnten die Polisario-Front in der Sahara im Konflikt gegen Marokko. Bamako deutet dies als Beleg, dass Algier auch im Sahel durch die Förderung separatistischer Strukturen politischen Einfluss ausübt.

Bamako sieht in Algerien nicht nur einen Nachbarn, sondern einen Akteur, der durch gezielte Einflussnahme die Lage im Norden destabilisiert. Aus Sicht der malischen Führung handelt es sich um eine Form von Aggression, die weit über Grenzzwischenfälle hinausgeht. Algier dagegen präsentiert sich als Verteidiger von Stabilität und internationalem Recht, weist aber jede Verantwortung für die eskalierenden Spannungen von sich.

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