Widersprüche im Kampf um den Frieden in der Region der Großen Seen

Kardinal Fridolin Ambongo Besungu, Präsident des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SCEAM) und Erzbischof von Kinshasa, nutzte eine SCEAM-Tagung in Kigali, Ruanda, um die Führungen der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo), Ruandas und Burundis zu mehr Dialog und Zusammenarbeit aufzurufen. Seine Botschaft zielt darauf ab, bestehende Spannungen in der Region der Großen Seen zu entschärfen.

Die Tagung des Ständigen Ausschusses, die vom 25. bis 28. November 2024 stattfindet, dient der Vorbereitung der Plenarversammlung des kommenden Jahres und widmet sich aktuellen Sicherheits- und Stabilitätsfragen in der Region.

Kirche ruft zur Verantwortung auf

Kardinal Ambongo appellierte an die politischen Akteure der Region, das Beispiel der Kirche zu folgen. „Wenn wir als Kirchenvertreter in Frieden zusammenarbeiten können, warum gelingt das nicht auf politischer Ebene?“, fragte er und unterstrich die Rolle der Kirche als moralische Stimme in einer konfliktreichen Region.

Er wies darauf hin, dass die Bevölkerung der betroffenen Länder keinen Konflikt miteinander habe und stattdessen ein Leben in Frieden und Sicherheit anstrebe. „Die Menschen wünschen sich Stabilität und die Freiheit, ihr Leben ohne Angst zu gestalten,“ sagte der Kardinal und betonte, dass die Kirche zwar keine politischen Konflikte lösen könne, aber eine prophetische Mission habe.

Widersprüchliche Positionen der Politik verschärfen die Krise

Ambongos Mahnung kommt inmitten politischer Spannungen, die durch widersprüchliche Aussagen von Regierungsvertretern der DR Kongo verschärft wurden.

  • Drohungen gegen Ruanda und Aufruf zu Gewalt: Ein Video, das den kongolesischen Justizminister Constant Mutamba zeigt, sorgt für internationale Empörung. In der Aufnahme spricht Mutamba vor Gefangenen in der Munzenze-Gefängnis in Goma. Er fordert sie auf, Tutsi und den ruandischen Präsidenten Paul Kagame zu verfolgen und zu töten, im Austausch für ihre Freiheit.
  • Offizielle Verteidigung und Eskalation: Der ruandische Regierungssprecher Yolande Makolo verurteilte diese Aussagen scharf und erklärte, sie rechtfertigten die “defensiven Maßnahmen” Ruandas. Sie betonte, dass solche Aufrufe das Risiko ethnischer Gewalt in der Region erhöhen und den Friedensprozess untergraben.
  • Gleichzeitige Verhandlungen: Paradoxerweise unterzeichneten die Außenminister der DR Kongo und Ruandas zur gleichen Zeit in Luanda ein Abkommen, das Maßnahmen zur Deeskalation und Stabilisierung des Ostens der DR Kongo festlegt. Diese widersprüchlichen Signale erschweren das Vertrauen zwischen den Parteien und mindern die Erfolgsaussichten des neuen Plans.

Kardinal Ambongo kritisierte die Doppelmoral und rief zur Besonnenheit auf. „Frieden kann nicht entstehen, wenn Hassbotschaften auf der einen Seite verbreitet werden, während man auf der anderen Seite den Dialog beschwört.“

Hoffnung auf Stabilisierung in der Region der Großen Seen durch diplomatische Fortschritte

Trotz dieser Spannungen markiert das am 25. November in Luanda (Angola) unterzeichnete „Operationskonzept“ (CONOPS) eine diplomatische Annäherung zwischen Kinshasa und Kigali. Das Abkommen, das unter der Vermittlung Angolas entstand, sieht vier Phasen vor:

  1. Analyse der Bedrohung: In den ersten 15 Tagen werden die Stellungen und Ausrüstung der FDLR untersucht und ruandische Maßnahmen überprüft.
  2. Gezielte Aktionen: Die zweite Phase beinhaltet militärische Maßnahmen zur Neutralisierung der FDLR.
  3. Überprüfung der Ergebnisse: Eine gemeinsame Bewertung soll die Wirksamkeit der Aktionen sicherstellen.
  4. Stabilisierung: Die abschließende Phase umfasst die Demobilisierung und Reintegration ehemaliger Kämpfer sowie die Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern.

Langfristige Perspektive der Kirche für die Region der Großen Seen

Kardinal Ambongo betonte, dass eine nachhaltige Lösung nicht allein durch militärische oder diplomatische Maßnahmen erreicht werden könne. Vielmehr sei es notwendig, den Hass und das Misstrauen zwischen Gemeinschaften zu überwinden. „Die Region braucht einen Neuanfang, der auf gegenseitigem Respekt und echter Versöhnung basiert,“ sagte er.

Er erinnerte daran, dass die Geschichte der Region der Großen Seen zeigt, wie destruktiv politisch motivierter Hass sein kann. „Wenn wir nicht heute handeln, riskieren wir, die Konflikte von gestern morgen zu wiederholen,“ warnte der Kardinal.

Regionale und internationale Verantwortung

Neben dem Engagement der Kirchen liegt die Verantwortung auch bei internationalen und regionalen Akteuren wie der Afrikanischen Union und den Vereinten Nationen. Die kürzlich vereinbarten Maßnahmen könnten der erste Schritt zu einem nachhaltigen Frieden sein, erfordern jedoch eine konsequente Umsetzung und den politischen Willen aller Beteiligten.

„Die Kirche wird weiterhin für die Wahrheit eintreten und die Politiker auffordern, ihrer Verantwortung gerecht zu werden,“ sagte Kardinal Ambongo abschließend.

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