Tote bei staatlicher Trauerfeier des Oppositionspolitikers Raila Odinga

In Nairobi fand am Freitag eine staatliche Trauerfeier für den verstorbenen Oppositionsführer Raila Odinga statt. Tausende Menschen versammelten sich im nationalen Fußballstadion, um dem langjährigen politischen Akteur die letzte Ehre zu erweisen. Präsident William Ruto bezeichnete Odinga in seiner Ansprache als eine „prägende Figur“ der kenianischen Demokratie und würdigte seine Rolle in der politischen Entwicklung des Landes. Nach Angaben der Behörden wurden während der Zeremonie zahlreiche Personen verletzt. Ein Krankenhaus bestätigte die Aufnahme von mindestens 17 Verletzten nach einer Massenbewegung im Stadion.

Die Staatsflaggen werden während einer siebentägigen offiziellen Trauerperiode auf halbmast gesetzt. Odinga war am Mittwoch im Alter von 80 Jahren in einem Krankenhaus im südindischen Kerala nach einem vermuteten Herzinfarkt gestorben. Sein Leichnam wurde am Donnerstag nach Kenia überführt und im Parlament in Nairobi aufgebahrt.

Raila Odinga als zentrale Figur der politischen Opposition

Odinga prägte über drei Jahrzehnte die politische Landschaft Kenias. Von 2008 bis 2013 bekleidete er das Amt des Premierministers. Mehrfach kandidierte er für die Präsidentschaft, erreichte aber nie den Wahlsieg. Seine Unterstützer bezeichneten ihn als „Baba“, Vaterfigur und Identifikationssymbol der oppositionellen Bewegung. In den 1990er-Jahren spielte er eine zentrale Rolle bei der politischen Öffnung des Landes und bei der Einführung des Mehrparteiensystems. Später war er an der Ausarbeitung der Verfassung von 2010 beteiligt, die eine Neuordnung staatlicher Institutionen vorsah.

Während der Trauerzeremonie verwies Präsident Ruto auf Odingas Fähigkeit, in politischen Krisen Kompromissfähigkeit zu zeigen. „Wann immer das Land ihn brauchte, stellte er das Gemeinwohl über eigene Interessen“, sagte Ruto laut NTV Kenya. Die Teilnahme des amtierenden Präsidenten an der Trauerfeier wird von Beobachtern als Signal staatlicher Anerkennung gewertet, auch wenn Odinga bis zuletzt die politische Gegenposition zur Regierung repräsentierte.

Sicherheitslage bei den Trauerfeiern

Bereits am Donnerstag war es in Nairobi zu einem Zwischenfall gekommen, als Sicherheitskräfte Schüsse abgaben, um die Menschenmenge zu zerstreuen, die sich dem Sargzug genähert hatte. Mindestens drei Personen kamen dabei ums Leben. Am Freitag kam es erneut zu einer Massenbewegung, als Teile der Menge versuchten, die Absperrungen im Stadion zu überwinden. Medienberichte sprechen von Panikmomenten, bei denen Dutzende Menschen stürzten und medizinisch versorgt werden mussten.

Nach Angaben von NTV und AFP löste der Versuch einiger Trauernder, die Sicherheitskontrollen zu umgehen, das Gedränge aus. Einsatzkräfte der Kenya Defence Forces unterstützten die Polizei bei der Sicherung des Zugangsbereichs. Die Behörden bestätigten zwei Todesfälle im Zusammenhang mit der staatlichen Trauerfeier, zusätzlich zu den Opfern vom Vortag.

Emotionale Reaktionen der Bevölkerung

In den Straßen von Kisumu, dem Zentrum der Luo-Region, aus der Odinga stammt, versammelten sich am Samstag Zehntausende Menschen. Viele trugen Zweige, Trommeln oder Porträts des Verstorbenen. Der Sarg wurde per Hubschrauber in die Stadt gebracht und mit Rufen wie „Wir sind Waisen“ empfangen. Der Begriff „Baba“ war auf Transparenten und Bannern zu sehen und wurde von großen Teilen der Menge skandiert.

Augenzeugen berichteten, dass Menschen Zäune und Absperrungen überwanden, um sich dem Sargzug anzuschließen. Ein junger Teilnehmer, Don Pelido, 20 Jahre alt, erklärte gegenüber AFP: „Ohne Baba sind wir verloren.“ Die emotionale Dimension der Trauerbekundungen verweist auf Odingas Bedeutung über politische Strukturen hinaus, insbesondere für Teile der Bevölkerung, die sich mit der Opposition identifizieren.

Regionale Mobilisierung in Kisumu und Bondo

Nach dem Aufenthalt in Nairobi wurde der Leichnam nach Kisumu überführt, wo die größte Teilnahme erwartet wurde. Erste Menschenansammlungen bildeten sich bereits am frühen Morgen. In der Stadt und entlang der Zufahrtsstraßen standen Menschen mit traditionellen Symbolen und Gesängen. Nach Angaben lokaler Behörden wurde ein gesondertes Sicherheitsdispositiv aktiviert, da die Behörden mit erneutem Massenzustrom rechneten.

Von Kisumu aus soll der Leichnam nach Bondo in Siaya County weitergeführt werden, dem familiären Zentrum der Odinga-Dynastie. Dort ist eine private Beisetzung mit begrenztem Zugang vorgesehen. Öffentliche Zeremonien sind nicht geplant.

Politische Struktur der Opposition nach Odingas Tod

Odinga hinterlässt eine Opposition, deren Führungsstruktur stark auf seine Person ausgerichtet war. Er führte das Oppositionsbündnis über lange Jahre und verfügte über eine feste regionale und ethnische Basis, vor allem in den Luo-Gebieten Westkenias. Nach Angaben lokaler Kommentatoren war keine klare Nachfolgeregelung festgelegt worden. Kritiker innerhalb der Bewegung hatten in den letzten Jahren gefordert, neue Führungspersönlichkeiten einzubinden.

Bei der Trauerzeremonie wurde dieser Aspekt von mehreren Teilnehmern indirekt angesprochen. Shop-Besitzerin Maureen Owesi aus Kisumu sagte gegenüber lokalen Medien: „Wir haben noch nicht akzeptiert, dass er fort ist.“ Dieser Satz verweist auf das fehlende politische Zentrum innerhalb der Opposition nach Odingas Tod. Die nächste reguläre Wahl ist für 2027 terminiert. Ob die bestehende Opposition ihre Struktur bis dahin verändert, bleibt offen.

Nationale Bedeutung über Parteigrenzen hinweg

Odinga galt national als Symbol für politische Teilhabe und institutionelle Reformen. Auch außerhalb seiner Basis wurde er als Akteur wahrgenommen, der den politischen Wettbewerb in Kenia über Jahrzehnte geprägt hat. Die offizielle staatliche Trauerfeier und der militärische Ablauf der Zeremonie verdeutlichen seinen besonderen Status innerhalb der politischen Geschichte des Landes.

Die Ereignisse der letzten Tage zeigen zugleich, dass sich die gesellschaftliche Trauer in Massenmobilisierungen auf öffentlichen Plätzen ausdrückt, die von den Sicherheitsbehörden eng begleitet werden müssen. Die Verbindung aus staatlich organisierter Zeremonie, regionaler Mobilisierung und spontanen Menschenansammlungen unterstreicht die besondere Rolle, die Odinga für große Teile der Bevölkerung einnahm.

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