Die kürzlich abgehaltenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Namibia haben nicht nur politische, sondern auch gesellschaftliche Fragen zum Zustand der Demokratie im Land aufgeworfen. Insbesondere die Barrierefreiheit der Wahllokale und das Vertrauen in demokratische Prozesse standen im Fokus. Die Kritik von Menschen mit Behinderungen und die Reaktionen der Wahlkommission verdeutlichen die bestehenden Herausforderungen. Gleichzeitig lenken Berichte über organisatorische Mängel die Aufmerksamkeit auf strukturelle Probleme.
Kritik an Barrierefreiheit: Menschen mit Behinderungen äußern sich
Menschen mit Behinderungen beklagen, dass die Wahlkommission Namibias (ECN) ihre Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt hat. Fehlende Rampen, unzugängliche Standorte und das Fehlen von Braille-Materialien wurden als Hauptprobleme genannt. Ein Rollstuhlfahrer berichtete: „Es war eine Herausforderung, das Wahllokal zu betreten. Ich musste geschoben werden, was mir unangenehm war.“ Diese Aussagen zeigen die Schwierigkeiten auf, denen Menschen mit Behinderungen beim Zugang zu demokratischen Prozessen begegnen.
Die Kritik wurde auch von der Nationalen Behindertenkommission unterstützt. Uahova Katjiremba, eine Expertin der Kommission, betonte, dass Namibia seine Verpflichtungen aus der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen nicht vollständig erfüllt. Artikel 29 der Konvention fordert barrierefreie Wahleinrichtungen und den Schutz des Wahlgeheimnisses. Die ECN weist die Vorwürfe zurück und behauptet, 98 % der Wahllokale seien barrierefrei gewesen.
Organisatorische Mängel: Verzögerungen und Unsicherheiten
BREAKING NEWS … Swapo candidate Netumbo Nandi-Ndaitwah has taken an early lead in Namibia's 2024 presidential election, with 51.51% of counted votes going in her favour. pic.twitter.com/bUDbqD3u14
— The Namibian (@TheNamibian) December 1, 2024
Die Wahlen vom 27. November 2024 standen auch organisatorisch unter Druck. Lange Warteschlangen, verspätete Öffnungen von Wahllokalen und unzureichendes Material in einigen Regionen wurden von Beobachtern und Wählern kritisiert. Besonders in städtischen Gebieten nährten diese Probleme den Verdacht auf systematische Benachteiligung.
Henning Melber, ein namibischer Politikanalyst, sprach von einem „demokratischen Stresstest“, der Vertrauen in die Wahlprozesse bedrohe. Die Notwendigkeit einer klaren und effizienten Organisation wurde hervorgehoben, um die Legitimität der Ergebnisse zu sichern.
Reformbedarf: Lektionen aus den Wahlen
Mehrere Stimmen, darunter der Jurist Sam-Leon Nakantimba, fordern Reformen des Wahlsystems. Eine verpflichtende zweite Wahlrunde für Präsidentschaftswahlen könnte die Fragmentierung der Opposition überwinden und sicherstellen, dass die gewählte Führung von einer echten Mehrheit unterstützt wird. Nakantimba argumentierte, dass solche Reformen das Vertrauen der Wähler in die demokratischen Institutionen stärken könnten.