Konferenz in Marburg beleuchtet deutsch-marokkanisches Zusammenleben

Am 22. und 23. Oktober 2025 fand an der Philipps-Universität Marburg eine internationale Konferenz zum Thema „Identität und Zusammenleben“ statt. Veranstaltet wurde sie vom Centrum für Nah- und Mittelost-Studien (CNMS) in Kooperation mit dem Doktorandenlabor für Sozial-, Kultur- und Philosophiestudien der Universität Sidi Mohamed Ben Abdellah in Fès, dem Marokkanisch-Deutschen Institut für Studien und Forschung sowie der Hassan-II-Stiftung für im Ausland lebende Marokkanerinnen und Marokkaner.

Ziel der zweitägigen Tagung war es, kulturelle Identität, Migration und interkulturelles Miteinander im deutsch-marokkanischen Kontext zu beleuchten. Forschende aus beiden Ländern diskutierten, wie sich Identität unter den Bedingungen von Globalisierung, Digitalisierung und gesellschaftlichem Wandel neu formt.

Beiträge von Forschenden aus Marburg, Fès und Rabat

Unter den Vortragenden waren Prof. Albrecht Fuess, Leiter des Fachgebiets Islamwissenschaft am CNMS, Dr. Abdelkader Mohammedi, Anthropologe an der Universität Sidi Mohamed Ben Abdellah, Dr. Aliaa Maa El Ainin von der Universität Mohammed V in Rabat, Nadia Yaqine, Journalistin und Forscherin am CNMS, sowie der Sozialwissenschaftler Hicham Abidi. Die Moderation übernahm Dr. Assem Hefny, Assistenzprofessor für Islamische und Arabische Studien am CNMS.

In seinem Beitrag reflektierte Prof. Fuess persönliche Erfahrungen zur deutsch-marokkanischen Begegnung und berichtete über familiäre Erinnerungen, die stereotype Bilder junger Marokkaner in Deutschland infrage stellen. Er betonte, dass direkte Begegnungen oftmals Gastfreundschaft, Offenheit und kulturelle Neugier sichtbar machen – Eigenschaften, die in medialen Darstellungen selten vorkommen.

Dr. Maa El Ainin widmete sich der Frage, wie technologische Entwicklungen das Verständnis von Identität verändern. Sie beschrieb das Konzept der „flüssigen Identität“ im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz und argumentierte, dass Zugehörigkeit heute stärker durch digitale Interaktion als durch geografische oder ethnische Grenzen geprägt wird.

Aus anthropologischer Sicht beleuchtete Dr. Mohammedi Migration und Integration. Er betonte, dass kulturelles Verständnis die Grundlage für ein konstruktives Zusammenleben bilde und dass Bildung und sozialer Austausch entscheidende Instrumente seien, um gegenseitige Wahrnehmungen zu verändern.

Der Sozialforscher Hicham Abidi untersuchte, wie Begriffe von Identität und Koexistenz theoretisch gefasst werden können, um Brücken zwischen Kulturen zu schlagen. Nadia Yaqine wiederum stellte eine empirische Studie über Essen als Träger kultureller Identität und interkulturellen Dialogs vor. Sie zeigte, wie gemeinsames Kochen und Teilen von Speisen Kommunikation fördern und Integration erleichtern – selbst dort, wo sprachliche Barrieren bestehen.

Interkulturelle Forschung als Grundlage für Kooperation

Die Konferenz diente zugleich der Vertiefung institutioneller Partnerschaften. Vertreterinnen und Vertreter beider Universitäten diskutierten die Aktualisierung des Kooperationsabkommens zwischen dem CNMS in Marburg und dem Doktorandenlabor in Fès. Vorgesehen sind gemeinsame Promotionsbetreuungen, wechselseitige Forschungsaufenthalte und regelmäßige wissenschaftliche Veranstaltungen in beiden Ländern.

Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie wissenschaftliche Zusammenarbeit den kulturellen Austausch zwischen Deutschland und Marokko stärken kann. Beide Institutionen betonten die Bedeutung von interdisziplinären Formaten, die soziale, kulturelle und philosophische Perspektiven verbinden.

Marburg und Fès: Akademische Städte im Dialog

Der zweite Teil des Programms widmete sich der kulturellen Dimension des akademischen Austauschs. Eine Exkursion durch Marburg führte die Gäste aus Marokko zu den historischen Gebäuden der Universität, gegründet 1527 von Landgraf Philipp dem Großmütigen. Die Stadt gilt als eine der ältesten Universitätsstädte Deutschlands und als Ort, an dem sich Wissenschaft und Kultur seit Jahrhunderten gegenseitig prägen.

Die Teilnehmenden betonten Parallelen zwischen Marburg und Fès – beide Städte vereinen historische Gelehrsamkeit, kulturelle Vielfalt und ein starkes Selbstverständnis als akademische Zentren. In den Gesprächen wurde auch die Idee einer Städtepartnerschaft zwischen Marburg und Fès angesprochen, die den kulturellen und wissenschaftlichen Austausch vertiefen könnte.

Bedeutung der Konferenz

Die Diskussionen zeigten, dass Identität und Koexistenz zentrale Themen in der deutsch-marokkanischen Forschung bleiben. Der Austausch zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft, so der Tenor, könne dazu beitragen, stereotype Wahrnehmungen zu überwinden und neue Formen der Verständigung zu entwickeln.

Die Veranstaltung in Marburg wurde von allen Beteiligten als wichtiger Schritt hin zu einer dauerhaften Zusammenarbeit und zu einer vertieften wissenschaftlichen Auseinandersetzung über Identität, Migration und kulturelle Zugehörigkeit bewertet.

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