Bundesregierung veröffentlicht die Afrikapolitischen Leitlinien

Am 8. Januar 2025 veröffentlichte die Bundesregierung ihre aktualisierten Afrikapolitischen Leitlinien. Dieses Dokument, das nur wenige Wochen vor dem Ende der aktuellen Legislaturperiode präsentiert wurde, zielt darauf ab, die Zusammenarbeit Deutschlands mit den Staaten des afrikanischen Kontinents neu zu gestalten. Die Leitlinien bieten eine Orientierung für die Beziehungen zwischen Deutschland und Afrika und setzen dabei auf vier zentrale Schwerpunktbereiche.

Trotz ihrer inhaltlichen Breite handelt es sich nicht um eine detaillierte Afrikastrategie, wie sie etwa von anderen Staaten bereits vorgelegt wurde. Vielmehr bleiben die Leitlinien auf einer übergeordneten Ebene und geben nur wenige konkrete Maßnahmen oder Umsetzungspläne vor.

Afrika: Ein Gravitationszentrum in einer multipolaren Welt

Der afrikanische Kontinent gewinnt in der internationalen Politik zunehmend an Bedeutung. Mit 1,4 Milliarden Menschen und einer der jüngsten Bevölkerungen weltweit (rund die Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 18 Jahre) steht Afrika vor enormen demografischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen – und Chancen.

In den Leitlinien wird Afrika als unverzichtbarer Partner für die Bewältigung globaler Herausforderungen bezeichnet, darunter der Klimawandel, globale Gesundheitskrisen und die Sicherung von Frieden und Stabilität. Die deutsche Afrikapolitik verfolgt dabei das Ziel, nachhaltige Partnerschaften auf Augenhöhe zu etablieren und den Dialog mit afrikanischen Staaten und Organisationen wie der Afrikanischen Union (AU) weiter zu vertiefen.

Die vier Schwerpunktbereiche der Afrikapolitischen Leitlinien

Die Leitlinien definieren vier zentrale Handlungsfelder, die die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Afrika strukturieren sollen:

  1. Gemeinsame Bewältigung globaler Herausforderungen
    Klimawandel, Pandemien und die fortschreitende Digitalisierung sind Themen, die sowohl Afrika als auch Deutschland betreffen. Die Leitlinien unterstreichen, dass diese Herausforderungen nur durch gemeinsame Anstrengungen bewältigt werden können.
    • Deutschland plant, die Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union und regionalen Wirtschaftsgemeinschaften (Regional Economic Communities, RECs) auszubauen.
    • Multilaterale Foren wie die Vereinten Nationen und die G20 sollen stärker genutzt werden, um globale Standards und Lösungen zu entwickeln.
    • Besondere Aufmerksamkeit gilt der Bekämpfung der Klimakrise, der Förderung von globaler Gesundheit sowie der Regulierung von Digitalisierung und disruptiven Technologien.
  2. Förderung von nachhaltigem Wachstum und wirtschaftlicher Zusammenarbeit
    Deutschland sieht Afrika als wichtigen Handelspartner und setzt auf eine Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen.
    • Die Unterstützung der afrikanischen Freihandelszone (AfCFTA) wird als entscheidender Faktor für die Stärkung regionaler Märkte angesehen.
    • Der Fokus liegt auf der Förderung lokaler Wertschöpfung, der Diversifizierung globaler Lieferketten und der Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen.
    • Initiativen wie der G20 Compact with Africa und die EU-Initiative Global Gateway sollen den Aufbau nachhaltiger Infrastrukturen fördern.
  3. Stärkung von Demokratie, Bildung und Innovation
    Demokratische Resilienz und die Einhaltung von Menschenrechten sind zentrale Anliegen der deutschen Afrikapolitik. Die Bundesregierung plant, ihre Unterstützung für die Zivilgesellschaft in afrikanischen Ländern weiter auszubauen.
    • Bildung und Wissenschaftskooperationen, etwa durch Stipendienprogramme und Forschungsnetzwerke, sollen die Basis für nachhaltige Entwicklungen schaffen.
    • Der Kampf gegen Desinformation und die Stärkung unabhängiger Medien werden als entscheidende Mittel zur Förderung von Demokratie hervorgehoben.
  4. Förderung von Frieden und Stabilität
    Frieden und Stabilität auf dem afrikanischen Kontinent sind auch für Europa von zentraler Bedeutung. Deutschland wird seine Zusammenarbeit mit afrikanischen Partnern in den Bereichen Konfliktprävention und -bewältigung ausweiten.
    • Ziel ist es, afrikanische Staaten und Organisationen in die Lage zu versetzen, eigenständig Konflikte zu lösen und Prävention zu betreiben.
    • Zudem wird die Unterstützung für Friedensmissionen der Afrikanischen Union betont.

Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit als Grundlage für Partnerschaften

Ein zentrales Anliegen der Leitlinien ist die ehrliche Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit, die als Grundlage für vertrauensvolle Beziehungen dient. Besonders hervorgehoben wird der Aussöhnungsprozess mit Namibia, wo intensive Gespräche geführt werden, um die kolonialen Verbrechen der deutschen Kolonialzeit – insbesondere den Völkermord an den Herero und Nama – aufzuarbeiten.

„Dieser Prozess hat nicht nur historische Bedeutung, sondern ist auch politisch entscheidend, um Partnerschaften auf Glaubwürdigkeit und Vertrauen aufzubauen“, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Namibia wird in den Leitlinien als einziges Land namentlich genannt, was die hohe Priorität dieses Aussöhnungsprozesses unterstreicht.

China und Russland: Der Einfluss anderer Akteure in Afrika

Die Afrikapolitischen Leitlinien widmen sich auch der Präsenz externer Akteure wie China und Russland auf dem afrikanischen Kontinent. Deutschland und die EU erkennen die Bedeutung partnerschaftlicher Alternativen, die auf Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit beruhen. Im Gegensatz zu den oft kritisierten Methoden dieser Länder – etwa die Nutzung wirtschaftlicher Abhängigkeiten oder die Förderung politischer Instabilität – möchte Deutschland durch transparente und faire Angebote punkten.

Herausforderungen und Kritikpunkte

Die Veröffentlichung der Leitlinien wenige Wochen vor dem Ende der Legislaturperiode wirft Fragen auf. Warum wählte die Bundesregierung erneut den Begriff „Leitlinien“ und nicht „Strategie“, wie sie beispielsweise für andere Weltregionen formuliert wurde? Kritiker argumentieren, dass es an konkreten Zielvorgaben und messbaren Umsetzungsplänen fehlt, um den Herausforderungen einer zunehmend multipolaren Welt gerecht zu werden.

Auch die Auswahl Namibias als einziges namentlich genanntes Land hat Diskussionen ausgelöst. Vertreter anderer afrikanischer Staaten wie Kamerun oder Tansania könnten sich in ihren Bemühungen zur kolonialen Aufarbeitung übergangen fühlen. Das Auswärtige Amt betonte jedoch, dass die Zusammenarbeit mit vielen Ländern auf diesem Gebiet kontinuierlich fortgesetzt werde – beispielsweise bei der Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria.

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