Vier Tage nach seiner Ernennung trat Premierminister Zafisambo Ruphin Fortunat erstmals öffentlich vor die Sicherheitskräfte auf der Place du 13-Mai in Antananarivo. Laut Midi Madagasikara begründete er seinen Besuch mit der Notwendigkeit, die Einsatzkräfte persönlich zu instruieren, ihre Moral zu stärken und „den Respekt und die Professionalität im Rahmen des Ordnungsauftrags“ zu betonen. Der Premierminister erklärte, er hätte seinen ersten Einsatzort lieber in den von Versorgungsproblemen betroffenen Randzonen besucht, da die Krise ihren Ursprung in der Unzufriedenheit über Wasser- und Stromausfälle habe.
Ex-General und Premierminister Zafisambo Ruphin Fortunat mit dem Versuch die Lage zu kontrollieren
Im Gespräch mit Medienvertretern stellte er klar, dass „der Staat die Gewalt unter Malgachen nicht toleriert“. Gleichzeitig verwies er auf die psychische Belastung der Einsatzkräfte und ordnete regelmäßige Inspektionen durch ranghohe Vorgesetzte an, um Disziplin und Zurückhaltung zu sichern.
Bezugnehmend auf den Todesfall eines Studenten in Diego-Suarez kündigte der Premierminister laut Midi Madagasikaraeine unabhängige Untersuchung an. Parallel erklärte der Vizepräsident der Nationalversammlung der Provinz Antsiranana, dass der Präsident die Familie des Opfers empfangen werde. Vor etwaigen Sanktionen sollen nach offiziellen Angaben die Umstände geprüft und Verantwortlichkeiten festgestellt werden.
Der Premierminister bekräftigte, dass trotz Gesprächen über Lockerungen der Maßnahmen das bestehende nächtliche Ausgangsverbot in Antananarivo und weiteren Städten bestehen bleibt. Die Entscheidung über eventuelle Anpassungen liege bei den jeweiligen Präfekten.
Befehlsverweigerung und Bruchlinien in den Streitkräften
Die Position der Regierung traf auf eine neue Dynamik innerhalb der Armee. Eine Einheit des Corps d’administration des personnes et des services de l’armée de terre (CAPSAT) verließ nach Informationen von La Nouvelle Tribune und Madagascar-Tribune.com ihre Garnison und schloss sich öffentlich den Demonstrierenden auf der Place du 13-Mai an. In einem verbreiteten Video forderten die Soldaten die Sicherheitskräfte auf, „nicht auf die Bevölkerung zu schießen“ und sich nicht „für die Aufrechterhaltung eines politischen Konflikts instrumentalisieren zu lassen“.
#Madagascar🇲🇬: Le colonel Randrianirina Michaël, un ex-commandant du bataillon d’infanterie de Toliara, appelé Tuléar en français, la plus grande ville du Sud de Madagascar.
— Nouvelles Afrique (@AfriquesN) October 11, 2025
C'est lui qui a tourné la lutte pour aider le peuple Malgache.
Il a le soutien de l'armée.
Nouvelles… pic.twitter.com/Ifjlsx2j95
Nach diesen Bildern kam es laut La Nouvelle Tribune zu sichtbaren Spannungen innerhalb der Kommandostrukturen. Während Teile der Armee weiterhin den Regierungsanweisungen folgen, zeigen einzelne Einheiten eine abweichende Haltung und treten als Schutzpräsenz innerhalb der Demonstrationszüge auf.
Regierungssicht und internationale Reaktionen auf die GenZ-Proteste

Die Präsidentschaft erklärte nach Angaben von Dakaractu.com, dass die Proteste eine „von inneren und äußeren Akteuren initiierte Destabilisierungsoperation“ darstellten. Präsident Rajoelina verwies auf angebliche Einflussnahmen „von außerhalb des Landes“, ohne konkrete Akteure zu benennen.
Währenddessen meldete das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte über AFP, man erhalte „beunruhigende Berichte über fortgesetzte Gewaltanwendung gegen Demonstrierende“. UN-Hochkommissar Volker Türk forderte die Sicherheitskräfte auf, „auf unnötige Gewalt zu verzichten und das Recht auf friedliche Versammlung zu respektieren“.
Neue Machtbalance zwischen Straße, Regierung und Streitkräften

Trotz der Regierungsmaßnahmen, einschließlich der Ernennung eines Premierministers aus den Reihen der Armee, bleibt die Lage instabil. Der Auftritt Zafisambos zielte auf die Wiederherstellung staatlicher Autorität. Gleichzeitig verschiebt die symbolische Wirkung des CAPSAT-Anschlusses die Machtbalance in Richtung der Straße. Soldaten in Uniform treten sichtbar neben Protestierenden auf und deklarieren eine eigenständige Rolleninterpretation zwischen staatlicher Loyalität und Schutzauftrag gegenüber der Bevölkerung.
Die Regierung verweist offiziell weiterhin auf ihre Legitimität. Laut HabarizaComores.com erklärte Zafisambo in einer Ansprache, „die Regierung bleibt im Amt“, verbunden mit einem Aufruf zu nationalem Dialog unter Einbeziehung „aller gesellschaftlich relevanten Kräfte, einschließlich Jugend, Gewerkschaften und Militär“.
Mit dem sichtbaren Übertritt von Teilen der Streitkräfte in das Lager der Demonstrierenden der GenZ-Bewegung verdichten sich laut Einschätzungen internationaler Beobachter Hinweise auf eine mögliche Putschdynamik. Die offene Befehlsverweigerung und die symbolische Präsenz uniformierter Soldaten an der Seite der Protestbewegung ähneln in ihrer Struktur frühen Stadien militärischer Interventionen in politischen Krisen.
VIDEO – Coup d'etat in Madagascar, as the soldiers announce they're joining the "people" amid widespread protests. The country's leader President Andry Rajoelina has reportedly left the country pic.twitter.com/29khf3W8nH
— The Chronicles (@ChroniclesRW) October 11, 2025
Aus Regierungskreisen heißt es nach Angaben von Dakaractu.com, die aktuellen Entwicklungen seien Ausdruck eines „koordinierten Versuchs, die Staatsführung außerhalb verfassungsmäßiger Verfahren zu delegitimieren“. Eine formelle Machtübernahme durch militärische Akteure ist bislang nicht erklärt worden, doch die faktische Verschiebung der Autorität auf die Straße und in Teile der Kasernen lässt auf einen offenen Zustand institutioneller Konkurrenz schließen.