Ägypten verschärft Rhetorik gegen Israel nach Angriff in Doha

Der israelische Angriff auf Hamas-Unterhändler in Doha am 9. September 2025 hat weitreichende politische Reaktionen in der arabischen Welt ausgelöst. Beim kurzfristig einberufenen arabisch-islamischen Gipfel in Katar nutzte Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi die Gelegenheit, um Israels Vorgehen scharf zu kritisieren und es erstmals seit seinem Amtsantritt 2014 offen als „Feind“ zu bezeichnen.

Sisi warnt vor Erosion von Friedensabkommen

Al-Sisi erklärte, dass Israels aktuelle Politik die Chancen auf neue Friedensabkommen zerstöre und bestehende Verträge gefährde. Er sprach von einem „gefährlichen Präzedenzfall“ und warnte vor einer Eskalation, die den gesamten Nahen Osten destabilisieren könnte. „Was derzeit geschieht, bedroht die Sicherheit aller Völker in der Region und untergräbt die bestehenden Friedensabkommen“, sagte Sisi laut Daily News Egypt.

Besondere Sorge äußerte er über die mögliche Vertreibung von Palästinensern aus Gaza in die angrenzende Sinai-Region. Ein solcher Schritt würde nach Einschätzung Kairos nicht nur die Sicherheit Ägyptens gefährden, sondern auch die Perspektive für eine Zwei-Staaten-Lösung endgültig zunichtemachen.

Gemeinsame Reaktion der arabisch-islamischen Staaten

Das Abschlusskommuniqué des Gipfels in Doha verurteilte den Angriff als „illegal“ und „feige“. Die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs riefen zur Überprüfung der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel auf und kündigten mögliche rechtliche Schritte an. Zudem sprachen sie ihre „volle Solidarität“ mit Katar aus und stellten klar, dass ein Angriff auf das Emirat als Angriff auf die kollektive Sicherheit aller arabischen und islamischen Staaten zu verstehen sei.

Der Emir von Katar, Sheikh Tamim bin Hamad Al Thani, bezeichnete den Angriff als „treubrüchigen Überfall“ und warf Israel vor, die laufenden Verhandlungen bewusst sabotiert zu haben. Weitere Staatschefs, darunter die Präsidenten der Türkei, des Iran, Syriens und Libanons, sowie König Abdullah II. von Jordanien, betonten die Notwendigkeit eines geschlossenen Auftretens und forderten internationale Konsequenzen.

Wandel in Ägyptens sicherheitspolitischer Einschätzung

Wie die Denkfabrik Chatham House analysierte, hat der Angriff in Doha Ägyptens Bedrohungsperzeption grundlegend verändert. Während in den vergangenen Jahren vor allem Iran als regionale Gefahr betrachtet wurde, sieht Kairo nun Israel als unmittelbares Risiko. Die israelische Regierung hatte nach dem Angriff erklärt, Hamas-Vertreter künftig auch außerhalb Gazas ins Visier zu nehmen – ein Szenario, das in Ägypten Sorgen über mögliche Anschläge auf Hamas-Funktionäre in Kairo auslöst.

Berichte arabischer Medien zufolge hat Ägypten Teile der Sicherheitskooperation mit Israel, die im Friedensvertrag von 1979 vorgesehen ist, bereits ausgesetzt. Die ägyptische Armee verstärkte ihre Präsenz im Sinai und sicherte Einrichtungen, in denen sich palästinensische Vertreter aufhalten.

Regionale Dynamik und internationale Dimension

Das Gipfeltreffen in Doha verdeutlichte eine Verschiebung in der regionalen Wahrnehmung Israels. Noch 2022 galt Israel bei dem Treffen im Naqab als sicherheitspolitischer Partner mancher arabischer Staaten, während Iran als Hauptgefahr galt. Der Angriff auf Doha und die Drohungen von Premierminister Benjamin Netanjahu, weitere Schläge in Drittstaaten auszuführen, haben diese Konstellation ins Gegenteil verkehrt.

Hinzu kommen Zweifel an der Verlässlichkeit der USA als Sicherheitsgarant für die Golfstaaten. Nach Angaben von Chatham House soll Washington vorab Kenntnis von dem Angriff gehabt haben, während die US-Luftabwehr auf dem Stützpunkt al-Udeid in Katar untätig blieb.

Folgen für die Vermittlungsbemühungen

Mit Katar als geschwächtem Akteur rückt Ägypten nun in die Rolle des wichtigsten Vermittlers zwischen Israel und Hamas. Kairo versucht, internationale Unterstützung für seine Pläne zu gewinnen, den Krieg in Gaza zu beenden und die humanitäre Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Gleichzeitig bleibt offen, ob die USA bereit sind, Druck auf die israelische Regierung auszuüben.

Sisi warnte, dass ein ungebremster Krieg nicht nur die Chancen auf Frieden zerstöre, sondern auch die Stabilität Ägyptens selbst bedrohen könne. Ein massenhafter Zustrom von Geflüchteten nach Sinai oder ein israelischer Angriff auf ägyptischem Boden würden demnach eine „rote Linie“ überschreiten.

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