9. Panafrikanische Kongress: Debatte über Afrikas Rolle in der Reform multilateraler Institutionen

In Lomé hat der Präsident des Rates, Faure Gnassingbé, den 9. Panafrikanischen Kongress eröffnet. Fünf Tage lang diskutieren Expertinnen und Experten, Vertreter afrikanischer Staaten, Mitglieder der Diaspora und afrodescendant communities über die strategische Neuausrichtung des Panafrikanismus und die Position des Kontinents in einem sich wandelnden multilateralen System. Der Kongress steht unter dem Leitmotiv, Afrikas Rolle in der globalen Governance neu zu definieren und die Grundlagen für eine einheitliche, souveräne und zukunftsfähige politische Positionierung zu stärken.

Panafrikanismus als strategische Notwendigkeit

In seiner Eröffnungsrede bezeichnete Gnassingbé den panafrikanischen Ansatz als „imperativ“ und als zentrale Strategie afrikanischer Souveränität. Der Präsident verwies auf globale Transformationsprozesse, darunter die zunehmende geopolitische Fragmentierung, technologische Disruptionen und Herausforderungen in den Bereichen Klima, Gesundheit und Ernährungssicherheit. Vor diesem Hintergrund könne keine afrikanische Nation die aktuellen Krisen allein bewältigen.

Die angestrebte Erneuerung des Panafrikanismus zielt darauf ab, Märkte, Wissenssysteme und kulturelle Identitäten stärker zu vernetzen. Im Mittelpunkt stehen inklusive Formen der Zusammenarbeit, die sowohl staatliche als auch zivilgesellschaftliche Akteure einbeziehen und eine engere Verbindung zwischen Ländern des Kontinents und ihrer globalen Diaspora schaffen.

Forderung nach Reform multilateraler Institutionen

Ein zentrales Thema des Kongresses ist die Struktur internationaler Organisationen wie der Vereinten Nationen. Gnassingbé kritisierte die aus seiner Sicht unzureichende Repräsentation Afrikas im Sicherheitsrat und verwies auf die demografische und geopolitische Bedeutung des Kontinents. Er betonte, dass Afrika zukünftig ein Viertel der Weltbevölkerung stelle, jedoch weiterhin ohne ständigen Sitz im wichtigsten sicherheitspolitischen Gremium der Vereinten Nationen sei.

Neben der Forderung nach zwei ständigen Sitzen mit Vetorecht plädierte der Präsident für tiefgreifende Reformen innerhalb multilateraler Institutionen. Ziel sei es, Ungleichgewichte in der internationalen Governance zu korrigieren und Afrikas Gewicht in Entscheidungsprozessen systematisch zu erhöhen.

Mobilisierung eigener Ressourcen und wirtschaftliche Souveränität

Ein weiterer Schwerpunkt des Kongresses liegt auf der wirtschaftlichen Eigenständigkeit. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer debattieren über Wege, die natürlichen Ressourcen des Kontinents, die Innovationskraft der Jugend und das Potenzial der Diaspora systematisch zu bündeln. Die Diskussionen befassen sich mit Strategien zur Stärkung lokaler Wertschöpfung, zur Modernisierung landwirtschaftlicher und medizinischer Systeme sowie zur Förderung unternehmerischer Ökosysteme.

Der Kongress betont zudem die Bedeutung endogener Wissenssysteme. Traditionelle Kenntnisse, sprachliche Vielfalt und kulturelle Ausdrucksformen sollen als strategische Ressourcen verstanden werden, die zur globalen Positionierung afrikanischer Staaten beitragen können.

Einheit, Jugend und Diaspora als zentrale Träger des Wandels

Die Rolle der Jugend und der weltweiten afrikanischen Diaspora zieht sich als Leitmotiv durch die Kongressdebatten. Beide Gruppen gelten als Schlüsselakteure für wirtschaftliche, kulturelle und technologische Entwicklungen. Vertreter der Afrikanischen Union und internationale Gäste betonten, dass eine geschlossene afrikanische Position sowohl interne Kohäsion als auch globales Gewicht schaffen könne.

Die Beiträge heben hervor, dass Diaspora-Communities eine wichtige Rolle für Wissens- und Kapitalströme spielen und das Bild Afrikas im globalen Diskurs mitprägen. Die Anerkennung ihrer Bedeutung wird als Voraussetzung für eine kohärente panafrikanische Agenda betrachtet.

Neubestimmung des afrikanischen Narrativs

Ein weiteres Kernthema ist die Frage der kulturellen Repräsentation. Der Kongress diskutiert über die Notwendigkeit, historische Verzerrungen zu korrigieren und das Bild Afrikas im globalen Diskurs neu zu verankern. Gnassingbé betonte, dass kein Staat seine politische und wirtschaftliche Position stärken könne, ohne seinen eigenen Narrativ zu kontrollieren. Die Debatten beziehen die Rückgewinnung kulturellen Erbes, die Stärkung afrikanischer Sprachen und die Darstellung zeitgenössischer Leistungen in Wissenschaft, Kunst und Politik ein.

Themenfelder und Arbeitsstränge des Kongresses

Die verschiedenen Panels und Kommissionen befassen sich unter anderem mit:

  • Afrikas Rolle im 21. Jahrhundert und einer aktualisierten Vision des Panafrikanismus
  • Reform der globalen Governance und Strategien zur Stärkung afrikanischer Einflussnahme
  • Dekolonisierung des Wissens und Förderung afrikanischer und panafrikanischer Studien
  • Ressourcenmobilisierung und wirtschaftliche Eigenständigkeit
  • Identitätspolitik, kulturelle Erneuerung und historisches Erbe

Die Ergebnisse der Beratungen sollen in einen afrikanischen Handlungsplan einfließen, der institutionelle Reformen und regionale Kooperationen bündelt.

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